Im Vergleich zu Finnland, Norwegen, Schweden oder den Niederlanden hinkt BIM in Deutschland zwar noch hinterher. Dennoch ist abzusehen, dass sich die modellbasierte Planungsmethode auch hierzulande – und speziell auch im Holz verarbeitenden Handwerk schneller etabliert, als in anderen Gewerken. Schließlich ist die Branche mit ihrem hohen Technisierungsgrad weitgehend „BIM-ready“ – sowohl im Hinblick auf die Fertigungsmethoden als auch auf Planungswerkzeuge. Allerdings fehlt es noch an Standards, Know-how, BIM-Fachkräften und für Handwerker zugeschnittenen Ausbildungsangeboten.
BIM boomt!
Auch wenn große Bauunternehmen wie Hochtief, Max Bögl, Wolff & Müller, Züblin und andere bereits zahlreiche BIM-Projekte erfolgreich realisiert haben – über die gesamten baulichen Aktivitäten betrachtet, ist BIM in Deutschland noch wenig verbreitet. Studien zufolge liegt der aktuelle Anteil von BIM-Projekten am gesamten Projektvolumen im einstelligen Prozentbereich.
Dennoch boomt BIM – nicht zuletzt aufgrund der strategischen politischen Förderung. So soll BIM bei der Realisierung öffentlich finanzierter Bau- und Infrastrukturprojekte in Deutschland Standard werden. Ab 2020 kommt das digitale Planen und Bauen mit BIM bei allen neuen Verkehrsinfrastrukturprojekten des Bundes verbindlich zum Einsatz. Zahlreiche Institutionen und Verbände unterstützen BIM, darunter die deutsche Reformkommission für Großprojekte, die Deutsche Gesellschaft zur Digitalisierung des Planen, Bauens und Betreibens (planen-bauen 4.0), das neu gegründete nationale Zentrum „BIM Deutschland“ oder Mittelstand Digital. Diverse Forschungs- und Pilotprojekte des Bundes (BBSR, BMVI, Bahn, DEGES etc.) und die zunehmende Nachfrage nach BIM-Planungsleistungen und vor allem nach BIM-Fachpersonal lassen darauf schließen, dass das modellorientierte Planen und Bauen schon bald auch hierzulande Standard wird.
BIM optimiert Projekte und Abläufe
Häufig werden Effizienzsteigerungen, die Vermeidung von Mehrfacheingaben, redundanten Daten und Fehlern, geometrische und zeitliche Kollisionskontrollen, automatisierte und präzisere Angebote, Kostenkalkulationen oder Bauzeitenplanungen als Vorteile der BIM-Methode genannt (siehe auch BM 1/17: Die Zukunft des Planens und Bauens). So lassen sich beispielsweise individuelle Angebote, Stücklisten oder Berechnungen direkt und in digitaler Form aus dem BIM-Modell heraus erstellen, ohne Längen, Flächen, Massen oder Mengen umständlich aus dem 2D-Plan abgreifen zu müssen. Auch Kosten und Bauzeiten für Kalkulationen und Bauablaufpläne werden automatisch aus dem 3D-Modell generiert und bei Änderungen aktualisiert. Das gilt auch für alle aus dem 3D-Modell automatisch abgeleiteten Fertigungs- und Montagepläne. In der Praxis häufig vorkommende mehrfache Änderungen verlieren so ihre Schrecken, weil Fehler und Folgefehler vermieden werden.
3D-Visualisierungen, quasi ein „Abfallprodukt“ der modellbasierenden Planung, vereinfachen die Kommunikation mit allen Projektbeteiligten und die Kundenberatung. Die enge Verzahnung von BIM-Planung und Berechnung ermöglicht eine statische, bauphysikalische oder energetische Optimierung, beispielsweise von Fenstern und Fassadenkonstruktionen. Sie beschleunigt die Entwurfs- und Planungsphase und ermöglicht eine einfachere, schnellere und effizientere Optimierung von Konstruktionen. Auf Grundlage dreidimensionaler Modelldaten und des BIM-Datenaustauschformats IFC können Projekte kooperativ im Team bearbeitet werden. Planungs- und Abstimmungsprozesse laufen so effizienter und konstruktiver ab, Koordinationsprobleme werden vermieden. Weil sie früher in den Planungsprozess einbezogen werden können, haben Holzwerker mehr Einfluss auf das Projekt und die Ausführung. Über den gesamten Gebäudelebenszyklus hinweg bieten BIM-Gebäudedaten zudem eine verlässliche Grundlage für Reparatur-, Umbau-, Erweiterungs-, Modernisierungs- oder Sanierungsmaßnahmen.
Neue Möglichkeiten: Fertigung, Montage …
Der BIM-Prozess und Datenfluss endet heute mit Abschluss der Planung und der Dokumentation. Von der Produktion, Ausführung und Montage ist BIM noch weitgehend abgekoppelt. Welche Planungsdaten mit welchen Inhalten, welcher Struktur, welchem Detaillierungsgrad und in welcher Qualität BIM-Daten zuliefernden, fertigenden oder montierenden Firmen zur Verfügung gestellt werden müssen, ist derzeit noch nicht verbindlich definiert und Gegenstand von BIM-Standardisierungsbestrebungen entsprechender Gremien. Ansätze, ausführende Unternehmen in den BIM-Prozess einzubinden, gibt es gleichwohl. So versprechen beispielsweise im Tür-/Tor-, Fenster- und Fassadenbau sogenannte BIM-Objekte Produktivitätssteigerungen bei der Berechnung, Kalkulation, Angebotserstellung, Bestellung und Lieferung. Immer mehr Hersteller offerieren inzwischen entsprechende BIM-Objektdaten, die alle relevanten Bauteilinformationen enthalten – entweder auf der eigenen Webseite oder über BIM-Objektdatenbanken.
Weitere Möglichkeiten eröffnet die Projektion von BIM-Planungsdaten auf der Baustelle mithilfe entsprechender Geräte. Damit lassen sich beispielsweise komplexe Bohrbilder, Montagepunkte oder Ausschnitte direkt auf Böden, Wände oder Decken projizieren und abstecken, ohne sie aufwendig einmessen zu müssen. Umgekehrt ermöglicht der Abgleich von Baustellendaten mit den BIM-Planungsdaten eine Kontrolle von Soll-/Ist-Zuständen und verbessert damit die Qualität der Ausführung und das Projektmanagement.
Insgesamt steigt durch die präzise dreidimensionale Planung am „digitalen Zwilling“ auch die Ausführungssicherheit, sodass beispielsweise nicht passende Bauteile oder falsch verlegte elektrische Anschlüsse für die Schrankbeleuchtung usw. nicht mehr vorkommen sollten.
Herausforderungen und Ausblick
BIM ist ein wesentlicher Baustein der Digitalisierung im Bauwesen und der „Baustelle 4.0“ oder „Werkstatt 4.0“. BIM ist aber kein Allheilmittel, denn die Probleme am Bau haben verschiedene Ursachen. Häufige Änderungen auch in der Realisierungsphase, mangelnde Detailplanungen, Terminstress oder Preisdumping lassen sich nicht durch neue Planungswerkzeuge und -prozesse lösen. BIM wird sich dennoch durchsetzen, weil die Branche mit anderen Industriebereichen wie der Automobilbranche technologisch gleichziehen muss und weil es Architekten und Bauherren einfordern werden. Dann werden Unternehmen mit BIM-Know-how und Erfahrung Wettbewerbsvorteile haben. Ein BIM-Einstieg ist allerdings zeit- und kostenintensiv. Mitarbeiter müssen geschult, die Hard- und Software eventuell aufgerüstet werden und auch danach sind Herausforderungen zu meistern: Nicht immer liefern Planer brauchbare BIM-Gebäudemodelle, selten klappt die IFC-Übergabe reibungslos und auch die Verknüpfung mit ERP-, PPS- oder Berechnungsprogrammen ist noch ausbaufähig. All das wird sich aber mit der Zeit bessern und man darf auf künftige Entwicklungen gespannt sein – etwa auf KI-gestützte Plausibilitäts- und Kollisionskontrollen (Künstliche Intelligenz), auf virtuelle Projektbesprechungen per VR- oder AR-Brille oder die Integration additiver Fertigungsverfahren (3D-Druck, Digitale Fabrikation etc.) in den Produktionsprozess.
Das sagt Kollege Frank Ackermann
„BIM wird kommen“
Frank Ackermann, Ackermann GmbH zum Thema BIM: „BIM wird für die, die sich darauf einlassen und sich rechtzeitig vorbereiten, den Marktzugang verbessern, beziehungsweise erhalten. Im Schreinerhandwerk gibt es zum Glück etliche Betriebe mit langjähriger 3D-CAD-Erfahrung. Diese werden schnell in der Lage sein, BIM anzuwenden und daraus auch wirtschaftliche Vorteile zu ziehen. BIM wird das Bauen und speziell das Bauen mit Holz auf das Niveau des Maschinen- und Anlagenbaus anheben. Mit allen damit verbundenen Herausforderungen und Chancen werden das spannende Zeiten.“
Die BM-Serie im Überblick
Praxiswissen rund um BIM
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- Teil 1: BIM for Beginners
- Teil 2: BIM-Basics: Basiswissen zu Projekten
- Teil 3: BIM-Ausbildung: Einstiegshilfen, Webinare, Schulungen
- Teil 4: BIM-Einführung: Schritt für Schritt einführen
- Teil 5: BIM-Schnittstelle IFC: Eintrittskarte in die BIM-Welt
- Teil 6: Informationsaustausch per BCF: Gelbe Zettel für BIM-Modelle
- Teil 7: Modellbasierte Projekträume: Kooperationsplattformen für BIM-Projekte
- Teil 8: BIM-Objekte: Digitale Zwillinge realer Bauteile
- Teil 9: BIM im Bestand: Wie kommen Bestandsgebäude ins BIM?
- Teil 10: BIM 2 Field: Auf die Baustelle – und zurück
- Teil 11: BIM: Praxiserfahrungen
Der Autor
Dipl.-Ing. Marian Behaneck ist freier Journalist mit den Schwerpunkten Software, Hardware und IT im Baubereich.
Foto: Umfrage 2016–2019, BIMWorld Germany