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Blick über den Horizont

Entwicklungstendenzen bei Kunststofffenstern
Blick über den Horizont

Die Detailunterschiede sind für den Fachmann durchaus erkennbar, dem Planer oder gar Endverbraucher jedoch fehlt bei der System-Betrachtung oft der Durchblick. Für Innovationen, deren Mehrwert der Endkunde erkennen und bezahlen soll, sind neue Ansätze erforderlich.

Der Autor, Dipl.-Ing. (FH) Ingo Leuschner ist seit sechs Jahren im ift Rosenheim. Seine Tätigkeit umfasst die Bereiche Gutachten, Forschung und technischer Assistenz der Institutsleitung

Zu Beginn der Entwicklung der Kunststofffenster vor knapp einem halben Jahrhundert waren Systeme ohne Verstärkung, Vollkunststoffprofile, Verbundprofile, Einkammersysteme usw. im Einsatz. Seit den 80er Jahren hat sich das oben beschriebene Konstruktionsprinzip bewährt und deshalb überwiegend am Markt durchgesetzt.
Durch die Ähnlichkeit der Systeme und den schwer erkennbaren Detail-Verbesserungen, wurde der Preis das beinahe einzig bestimmende Verkaufsargument, verbunden mit einem kontinuierlichen Preisverfall. Für einen Innovationsschub, der auch für den Endkunden erkennbare Verbesserungen mit sich bringt, sind neue Ansätze erforderlich.
Fenster-Innovations-gebiete
Für die Weiterentwicklung von Kunststofffenstern müssen einerseits die Stärken des Konstruktionsprinzips beibehalten und wenn möglich ausgebaut sowie andererseits die Schwächen abgebaut werden.
Durch die Vielzahl der Anforderungen, die an ein modernes Fenster gestellt werden, müssen die Konstruktionen und Werkstoffe sich weiter spezialisieren. Vielfach wurden die unterschiedlichen Anforderungen bisher ausschließlich durch die Verglasung gelöst. Teilweise können sogar unterschiedliche Anforderungen in einer Verglasungseinheit verbunden werden, z.B. beim sommerlichen und winterlichen Wärmeschutz. Durch den Einsatz von Gläsern mit variablem g-Wert, z. B. gasochrome und elektrochrome Verglasungen, ist ein an die Sonneneinstrahlung anpass-bares Fenster in Zukunft möglich. Es lässt sich bei dieser technischen Lösung eine klare Bandbreite des erzielbaren Effekts absehen. Die technische Mach-barkeit stellt hier die Grenze dar. Für die nähere Zukunft sind für Mehrscheiben-Isoliergläser keine entscheidenden Verbesserungen in Bezug auf multifunktionale und bauphysikalische Eigenschaften mehr zu erwarten, da vielfach bereits die physikalisch machbaren Grenzen erreicht wurden (z. B. bei den low-E Beschichtungen).
Profil-Entwicklungen
Der Fensterrahmen wurde in der Vergangenheit in der Hauptsache nach fertigungstechnischen Gesichtspunkten konstruiert. Beim Kunststofffenster wurden die Kammern im Profil zur Anpassung an die statischen und bauphysikalischen Anforderungen genutzt. Für weitergehende Veränderungen besitzt diese Vorgehensweise nur noch wenig Potential. Auch beim Design und der Architektur wurde vielfach die Produktdifferenzierung über Ansichtsbreiten und Kantenradien definiert, eine wirkliche Weiterentwicklung fand damit nicht statt. Unterscheidungsmerkmal bzw. Alleinstellungsmerkmal der verschiedenen Konstruktionen, war die unterschiedliche Kammergeometrie und nicht das Gesamtprodukt Fenster. In der Werbung werden daher stets die Querschnitte der Profile abgebildet, mangels anderer Merkmale.
Für einen größeren Entwicklungsschritt sind neue Wege zu beschreiten und d. h. eine Veränderung der bisherigen Konstruktionsprinzipien. Die Wege für Innovationen können dabei in unterschiedliche Richtungen gehen. In der Folge sind drei mögliche Entwicklungsrichtungen beschrieben, die für sich genommen oder auch in Überlagerung, die Zukunft des Kunststofffensters sein können. Die Grundlagen hierzu sind in einzelnen Bereichen bereits geschaffen.
Zukunftsmodell 1: ,Modulares Fenster’
Eine Möglichkeit liegt in der Spezialisierung der Bauteile. Dabei bauen spezialisierte Module auf einem (standardisierten) Basisrahmen auf. Die Anpassung an die Kundenwünsche erfolgt durch die äußerlich erkennbaren Produktbestandteile. Hier sind das Design und die Eigenschaften variabel gestaltbar und geben dadurch jedem Produkt seinen firmenspezifischen Charakter.
Bei Anwendung eines wie im Bild dargestellten Konzepts können Unternehmen die Produktentwicklung bzw. -optimierung von Funktionsbereichen im Verbund durchführen und vor allem gemeinsam finanzieren. Ein Zukauf von Systemkomponenten wird dadurch in großem Umfang möglich, und es ergeben sich wirtschaftliche Verbesserungen, ähnlich wie dies bereits seit Jahren im Automobilbau praktiziert wird. Eine Konsequenz dieser Konstruktionsweise ist die Definition von standardisierten Schnittstellen auch zum Baukörper. Weiterhin eröffnen sich neue Designmöglichkeiten in der Oberflächengestaltung und Formgebung, wobei auch der Einsatz anderer Werkstoffe denkbar wird.
Zukunftsmodell 2: ,Gebäude-integration’
Über das gesamte ,Gebäudeleben’ gesehen sind nicht die Anfangsinvestitionen in Neubau oder Sanierung, sondern die laufenden Kosten für Energie und Unterhalt sowie die ökologischen Auswirkungen entscheidend. Diese werden maßgeblich von der aktiven technischen Ausstattung, d.h. den Heizungs-, Sanitär-, Elektro- und Lüftungsanlagen und von der passiven Ausstattung, z.B. der gesamten gebäudeklimatischen Konzeption oder Dämmmaßnahmen bestimmt. Das Fenster ist derzeit weder eindeutig der aktiven noch der passiven Ausstattung zuzurechnen. Gerade das Fenster beeinflusst die Rahmenbedingungen in einem Gebäude maßgeblich und es besteht die Chance, es als eindeutig aktives Element für den Endkunden zu etablieren. Ein deutlicher Mehrwert durch die Integration von Elektronik und anderen aktiven Bauteilen muss erkennbar werden.
Elektronik und Gebäudetechnik im Fensterbereich kommt bislang nur in Ausnahmefällen zur Anwendung, da die derzeitigen Lösungen am Markt noch sehr individuell sind und das erforderliche Know-how für eine integrierte und dauerhafte Ausführung noch äußerst anspruchsvoll ist. Die Kunststofffenster-Bauweise ist durch die Profilkammern prädestiniert für die Integration von Elektronik, da der benötigte Platz für Busleitungen bzw. Servomotoren vorhanden ist. Diese können folglich mit vertretbarem Aufwand in den Querschnitt integriert werden.
Für die Zukunft bietet es sich an, dem Fenster und seinem Umfeld die Funktion eines ,Terminals’ in der Wohnung zuzuteilen. Dies bedeutet, dass der Nutzer alle wesentlichen Bauteile zur Interaktion mit dem Gebäude am und um das Fenster findet. Dies können Steckdosen für Strom und Kommunikation oder Bedienungseinrichtungen für Heizung und Lüftung sein. Daneben bietet es sich an, die Einrichtungen der Gebäudetechnik selbst, wie Heizkörper, Beleuchtung, Sensoren und Aktoren (Stellglieder, die meistens elektrisch angesteuert werden und deren Ausgangsgröße eine Energie oder Leistung ist) usw., mit der Fenstermontage in die Wandöffnung zu integrieren. Der Vorteil dieser Lösung liegt in der Vereinfachung der Installationstechnik und dem erheblichen Rationalisierungspotential. Dabei ist wünschenswert, dass dieses System die Architektur nicht übermäßig einschränkt. Dabei ist eine Vielzahl von Lösungen in Bezug auf die Formen, Materialien und Oberflächen möglich.
Für die Umsetzung des Systems sind die Konstruktionsgrundlagen der Kunststofffenster nutzbar. Klipsverbindungen und abgestimmte Profile sind ebenso notwendig, wie leistungsfähige Fenster. Die Fensterindustrie kann dabei sowohl die Rolle eines Zulieferers als auch eines Systemanbieters annehmen. Die Entscheidung hängt von den betrieblichen Fähigkeiten und auch von der strategischen Ausrichtung ab. Das ift beschreitet diesen Weg im Rahmen von diversen Forschungsvorhaben und wird die Branche mit seinen Erfahrungen unterstützen. Wichtig ist zuletzt die Gebrauchstauglichkeit objektiv und zuverlässig zu prüfen, damit dieses Entwicklungspotential nicht durch Systeme mit ,Kinderkrankheiten’ bereits in der Anfangsphase verspielt wird.
Zukunftsmodell 3: ,Fassaden’
Betrachtet man die derzeitigen Gebäudekonstruktionen, so ist festzustellen, dass die meisten Konzepte auf einer Verwendung des Fensters als Lochfenster basieren. Öffnungen in massiven Wandbauteilen werden zur Ausleuchtung der Räume, der Belüftung und als Verbindung zur Außenwelt benötigt. Das in die Öffnung montierte ,Lochfenster’ hat diese Basisanforderungen in der Vergangenheit auch erfüllt.
Der Trend zur Glas-Architektur nimmt ständig zu und führt zu einer kontinuierlichen Vergrößerung der Fensterabmessungen. Der Übergang zur Fassade, sozusagen einer Gebäudehülle aus Fenstern, ist dabei fließend. Kunststoff-Fenstersysteme für Fassadenanwendungen sind dabei in Teilbereichen denkbar und sinnvoll.
Montage-Optimierung
Bei der Fenstermontage sind die grundlegenden Anforderungen Luft- und Schalldichtheit, Schlagregendichtheit, Wärmeschutz und die sichere Befestigung zu berücksichtigen und in einen dauerhaften Anschluss umzusetzen. Ein einheitliches und für alle Anwendungen passendes System zur Montage existiert bislang nicht. So besitzen diese Montagesysteme häufig Schwachstellen bei der Bewegungsaufnahme, Dichtheit oder beim Wärmeschutz. Zudem bestehen häufig Probleme bei der Eckausbildung und beim Übergang zu anderen Dichtsystemen oder zur Fensterbank. Sie können aber als Ansatz für die Entwicklung neuer, flexibler Montagesysteme dienen, um die Abläufe bei der Fenstermontage zu vereinfachen.
Bestehende Ansätze entstehen zumeist als Lösung häufig auftretender Problemsituationen. In der Altbausanierung kommen beispielweise Profilsysteme, zumeist aus Kunststoff, zum Einsatz, die mit imprägnierten Dichtbändern aus Schaumkunststoff ausgestattet sind und eine schnelle Abdichtung auf vorhandene Putzoberflächen ermöglichen. Ob diese Ausführung die Anforderungen erfüllen kann, hängt von den baulichen Gegebenheiten, z. B. von dem Brüstungsbereich oder von evtl. vorhandenen Rollladenkästen ab.
Ein anderes Montagehilfsmittel ist beispielsweise die Montage-Zarge, wie sie in einigen europäischen Regionen vorherrschend ist. Um die Fenster nicht den Belastungen der Rohbauphase auszusetzen, aber dennoch die Voraussetzungen für den Ausbau zu schaffen, werden diese Hilfsrahmen (vielfach noch aus Holz) eingebracht. Die Abdichtung der Fenster kann dann auf den definierten Putzoberflächen vorgenommen werden. Ein erleichterter Austausch der Fenster auch zur Wartung, Aufrüstung etc. ist ein weiterer wesentlicher Vorteil.
Bei der Konzeption von Montagesystemen kann auch der Systemansatz der Kunststofffenster genutzt werden.
Zusammenfassung
Die Konstruktionsdetails von Kunststofffenstern lassen sich für zukünftige Entwicklungen hervorragend nutzen. Für die Weiterentwicklung müssen die Stärken des Konstruktionsprinzips und des Systemgedankens beibehalten und (wenn möglich) ausgebaut werden. Andererseits müssen die noch bestehenden Schwächen ausgeglichen werden.
Dabei wird immer wahrscheinlicher, dass die Fensterkonstruktionen nicht mehr ausschließlich aus den bekannten einteiligen Strangpressprofilen bestehen. Um die gestiegenen Anforderungen in einem Rahmen zu erfüllen, bieten mehrteilige Systeme ein entsprechendes Potenzial. Es wird dann zu einer Arbeitsteilung kommen, bei der spezialisierte Profilbereiche, Baugruppen und -teile die Aufgaben übernehmen. Wichtig ist, dass die Innovationen auch vom Endkunden als Verbesserung erkannt und als Mehrwert eingestuft werden.
Die bisherigen klaren Unterscheidungen zwischen den gebräuchlichen Werkstoffen verschwinden zunehmend. Neue Werkstoffe kommen hinzu und traditionelle Werkstoffe wie Holz, Kunststoff und Metall werden kombiniert und können so ihre Stärken ausspielen. Hochwärmedämmende Fenstersysteme bestehen über dem Querschnitt gesehen häufig bereits zu über 50 Prozent aus Dämmstoffen, die teilweise auch schon lastabtragende Aufgaben übernehmen. Es kann damit fast schon von einer neuen Gattung der ,Dämmstofffenster’ gesprochen werden.
Auch die Rolle des Fensters im Gebäude ist zu überdenken. Der Schritt vom weitgehend passiven Bauteil zu einem aktiven System würde eine deutliche Aufwertung bedeuten. Dabei ist eine strategische Ausrichtung vorzunehmen, ob das Fenster nun als Zulieferteil in die Gebäudetechnik integriert wird oder, ob sich die Gebäudetechnik in und um das Fenster gruppiert. Die Vereinfachung einer Montage, die den bautechnischen und bauphysikalischen Anforderungen genügt, ist ein weiterer Aspekt, den es zu lösen gilt.
Für die Umsetzung dieser Konzepte in marktfertige Produkte stehen der Industrie kompetente und leistungsfähige Netzwerke zur Verfügung, die für Forschungsaufgaben das entsprechende Know-how und die erforderlichen Prüfeinrichtungen besitzen. Firmeneigene Entwicklungen werden zielorientiert gefördert und die Möglichkeiten von öffentlichen Förderungen optimal genutzt. In diesen Netzwerken werden Fragestellungen zu den verwendbaren Materialien, der Fertigungstechnik und Konstruktion geklärt. Ebenso werden günstige Rahmenbedingungen durch individuelle Qualitätssicherungssysteme, Publikationen geschaffen sowie die erforderliche Einhaltung der vorgeschriebenen Richtlinien und Regelwerke sicher gestellt. o
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