1 Monat GRATIS testen, danach für nur 9,90€/Monat!
Startseite » Wissen » Bauelemente »

Keine Revolution, aber Evolution

Teil 2: Spezielle Handwerksregelung in der neuen Bauproduktenverordnung
Keine Revolution, aber Evolution

Eine Reihe von Artikeln wurde in die neue Bauproduktenverordnung aufgenommen, die klein- und mittelständige Unternehmen (KMU) entgegenkommen soll. Der Normungsexperte Ralf Spiekers erläutert in dem folgendem Beitrag die wichtigsten handwerksfreundlichen Bestandteile der Verordnung und die Vereinfachungen.

Die nachfolgenden Sonderregelungen wurden im Vorfeld der Erarbeitung der neuen Verordnung heftig diskutiert und teilweise auch heftig kritisiert. Aus Sicht des Handwerks sind diese erst einmal zu begrüßen. Hier ist insbesondere der Artikel 5 „Ausnahmen von der Pflicht zur Erstellung einer Leistungserklärung“ zu nennen. Für weitere KMU-freundliche Verfahren hat man sogar im Abschnitt VI der Verordnung eine eigene Überschrift – Vereinfachte Verfahren – gewählt. Grund genug, auch die Artikel 36 „Verwendung einer angemessenen technischen Dokumentation“, Artikel 37 „Anwendung vereinfachter Verfahren durch Kleinstunternehmen“ und Artikel 38 „Andere vereinfachte Verfahren“ im Nachfolgenden näher zu beleuchten.

Ausnahmen zur Erstellung einer Leistungserklärung
Die Kritik am Artikel 5 der Verordnung will nicht abreißen. Szenarien von in Einzelfertigung hergestellten statisch tragenden Bauteilen werden aufgezeigt und dann wird behauptet, die nicht CE-gekennzeichneten Bauprodukte gefährden die Bauwerkssicherheit. Richtig ist, der Artikel 5 der Verordnung sieht Ausnahmen von der Pflicht zur Erstellung einer Leistungserklärung vor. Die Ausnahmen gelten jedoch nur bei Fehlen von Bestimmungen auf Ebene der EU oder auf nationaler Ebene. Besteht da, wo das Bauprodukt verwendet werden soll, eine Anforderung, so ist die Erklärung Wesentlicher Merkmale zwingend, so die Verordnung an anderer Stelle.
Für Baustellenprodukte und den Denkmalschutz existieren in der neuen Verordnung ebenfalls Ausnahmen nach Artikel 5. Nach wie vor sollte sich der Hersteller, der sich auf diese Regelungen beruft, über die technischen und vertraglichen Anforderungen an sein Bauprodukt im Klaren sein. Bauprodukte, an die keine Anforderungen gestellt werden, sind äußerst selten. Fast immer finden sich Anforderungen und damit greift der Artikel 5 der Verordnung nur in Ausnahmefällen.
Und zur Beruhigung derjenigen, die in diesem Artikel die Anarchie des Bauens vermuten, sei angemerkt, dass im Rahmen von nationalen Regeln – z. B. durch Schaffung entsprechender Bestimmungen – die Mitgliedsstaaten die Erstellung einer Leistungserklärung erzwingen können.
Verwendung einer technischen Dokumentation
Neben den Wegen zur CE-Kennzeichnung auf Basis einer spezifisch technischen Dokumentation (harmonisierte Norm oder eine Europäisch Technische Bewertung, früher als Zulassung bezeichnet) bietet das Verfahren nach Art. 36, das natürlich auch an Bedingungen geknüpft ist, eine Alternative.
Die Rahmenbedingungen, unter denen der Nachweis der Leistung eines Produktes erfolgen kann, sind nicht wirklich neu. Schon in der bestehenden EU-Richtlinie gab es z. B. das sogenannte CWFT-Verfahren, bei dem sich der Hersteller auf Entscheidungen der Europäischen Kommission berufen konnte. Dieses Verfahren ist für Hersteller kostengünstig. Für diejenigen aber, die die Daten und Tests zuvor bezahlen mussten – häufig sind das Verbände – ist es eher teuer.
Auch die bekannten Alternativen im Bereich der Systemlösungen finden sich in Artikel 36. Hier sind die shared und cascading-Verfahren angesprochen. Diese handwerksfreundlichen Lösungen, wie sie Tischler Schreiner Deutschland immer gefordert hatte, bieten für die Leistungserklärung eine kostengünstige Alternative, sofern nicht auf eigene Werte bzw. Prüfungen zurückgegriffen wird.
Systemlösungen, die gerade für die KMU immer wichtiger werden, sind hilfreich, wobei die Einschränkungen bei den Systemen 1 und 1+ zu beachten sind.
STD – ein dritter Weg
Der Begriff STD fasst die Alternative der nachfolgenden zwei Artikel der Verordnung (§§ 37 und 38) zusammen. Laut Definition ist die „Spezifische Technische Dokumentation“ (STD) eine Dokumentation, mit der belegt wird, dass Verfahren im Rahmen des für die Bewertung und Überprüfung der Leistungsbeständigkeit geltenden Systems durch andere Verfahren ersetzt wurden. Voraussetzung ist, dass die Ergebnisse, die mit diesen anderen Verfahren erzielt werden, den Ergebnissen, die mit den Prüfverfahren der entsprechenden harmonisierten Norm erzielt werden, gleichwertig sind, so die Verordnung.
Vereinfachte Verfahren für Kleinstunternehmen
Das „Kleinstunternehmen“, das z. B. das STD-Verfahren nach Art. 37 nutzen kann, ist ein Unternehmen, das der Definition eines Kleinstunternehmens gemäß der Empfehlung der Kommission vom 6. Mai 2003 betreffend die Definition der Kleinstunternehmen sowie der kleinen und mittleren Unternehmen entspricht. Diese Regelung beschränkt sich daher auf EU-Unternehmen mit bis zu zehn Mitarbeitern und zwei Millionen Euro Jahresumsatz.
Die Voraussetzung einer Leistungserklärung nach dem STD-Verfahren ist immer auch das Vorhandensein einer harmonisierten Norm. Dann kann der Hersteller z. B. das AoC 3, wie bisher auch, durch das AoC 4 ersetzen. Dass dies nun nur noch Kleinstunternehmen dürfen, ist eher als Verschärfung zu bewerten.
Andere vereinfachte Verfahren
Im Art. 38 ist, wie in Artikel 37, das Vorhandensein einer harmonisierten Norm gefordert. Bei Individual- oder auch Nichtserienfertigung wird auch hier das STD-Verfahren ermöglicht. Gehört das Bauprodukt zu einer Familie von Bauprodukten, für die zur Bewertung und Überprüfung der Leistungsbeständigkeit System 1+ oder 1 gefordert ist, muss die spezifische technische Dokumentation, wie beim Artikel 36 auch, von einer notifizierten Produktzertifizierungsstelle überprüft sein, so die Verordnung.
Produktinformationsstellen für das Bauwesen
Die Verordnung formuliert sehr klar: Die Mitgliedstaaten benennen Produktinformationsstellen für das Bauwesen. Weiterhin heißt es, dass jeder Mitgliedstaat sicherstellt, dass die Produktinformationsstellen für das Bauwesen Informationen über Bestimmungen in seinem Hoheitsgebiet in transparenter und leicht verständlicher Formulierung bereitstellen. Die Produktinformationsstellen müssen in der Lage sein, ihre Aufgaben so auszuüben, dass Interessenskonflikte, vor allem in Bezug auf die Verfahren zur Erlangung der CE-Kennzeichnung, vermieden werden. Damit ist eine klare Trennung zu den Notifizierern gegeben. In Deutschland, so das BMVBS, wird voraussichtlich die Bundesanstalt für Materialforschung (BAM) diese Aufgabe übernehmen.
Mit dieser Regelung soll der Handel von Bauprodukten in der EU verbessert werden. Häufig scheitert der Handel nämlich am fehlenden Wissen um die notwendigen Anforderungen am Verwendungsort. Ob z. B. Frankreich oder Österreich, diese Länder haben genau wie Deutschland spezifische Anforderungen an die Verwendung von Bauprodukten. Die genannten Länder haben – so wie Deutschland (aktueller Entwurf der DIN 18055) auch – z. B. für die Verwendung von Fenstern Anforderungsnormen geschaffen.
Marktüberwachung
Die zuständigen Marktüberwa- chungsbehörden kontrollieren seit 1. Januar 2010, ob die harmonisierten Bauprodukte die geltenden Anforderungen der bestehenden Richtlinie bzw. der neuen Verordnung erfüllen. Die Durchführung erfolgt mittels zentraler oder auch dezentraler Modelle, die zwischen Bund und Ländern abgestimmt sind. Unter anderem ist ein Marktüberwachungsprogramm aufzu-stellen, das im Rahmen der Informationspflicht auf europäischer Ebene an die EU-Kommission und andere EU/EWR-Staaten bekannt gegeben wird. Die Produktkontrollen erfolgen zurzeit anhand angemessener Stichproben, deren Ergebnisse ebenfalls auf europäischer Ebene bekannt gegeben werden. In den Jahren 2010 und 2011 wurden in Deutschland zwölf Produkte aus acht Produktbereichen schwerpunktmäßig kontrolliert. Unter anderem wurden im Rahmen der Prüfung auch Produkte nach EN 13986 Holzwerkstoffe zur Verwendung im Bauwesen bewertet.
Gelangen die Marktüberwachungsbehörden im Verlauf dieser Evaluierung zu dem Ergebnis, dass das Bauprodukt die Anforderungen dieser Verordnung nicht erfüllt, fordern sie den betroffenen Wirtschaftsakteur unverzüglich dazu auf, innerhalb einer der Art der Gefahr angemessenen, vertretbaren Frist alle geeigneten Korrekturmaßnahmen zu ergreifen, um die Übereinstimmung des Produkts mit diesen Anforderungen – insbesondere mit der erklärten Leistung – herzustellen oder aber es vom Markt zu nehmen oder zurückzurufen. Im Gegenzug müssen die Hersteller bzw. Wirtschaftsakteure sicherstellen, dass alle geeigneten Korrekturmaßnahmen, die sie ergreifen, sich auf sämtliche betroffenen Bauprodukte erstrecken, die sie in der Union auf dem Markt bereitgestellt haben. Erfolgen keine angemessenen Korrekturmaßnahmen, so treffen die Marktüberwachungsbehörden alle geeigneten vorläufigen Maßnahmen, um die Bereitstellung des Bauprodukts auf dem nationalen Markt zu untersagen oder einzuschränken oder aber das Produkt vom Markt zu nehmen oder zurückzurufen.
Änderungen notwendig
Im Rahmen der neuen Bauproduktenverordnung wird es auch notwendig sein, die bestehenden Dokumente, hier sind insbesondere die Normen zu nennen, anzupassen. Zum Beispiel ist die für die Fensterbauer wichtige DIN EN 14351-1 zu überarbeiten. Dies ist zum einen darin begründet, dass die neue Eigenschaft Nachhaltigkeit implementiert werden muss, zum anderen gibt es auch einen gewissen Präzisierungsbedarf bei den bestehenden Formulierungen.
Alles besser? Ein Fazit
Sicher wird mancher denken: eine typische EU-Vereinfachung, nun hat man 68 Artikel, wo früher nur 24 Regeln standen. Aber in der Aufsummierung der Dokumente, die auch zur alten Verordnung zählten (13 Leitpapiere zur alten Richtlinie) relativiert sich das ein wenig.
Die CE-Pflicht im Rahmen der Handelbarkeit ist für deutsche Hersteller nichts wirklich Neues, diese ist eher für andere Mitgliedsstaaten der nun EU-weit geltenden Verordnung eine Herausforderung. Im CE-Zeichen ist mindestens ein wesentliches Merkmal ist zu deklarieren. So will die EU eine Leerdeklaration (mit z. B. nur NPD) verhindern.
Neu ist sicher das verbesserte Instrument der Marktüberwachung. Die Maßnahme der Marktüberwachung bietet ein interessantes Potenzial. Mit ihr soll eine der Schwächen der alten Richtlinie beseitigt werden. Die Richtlinie setzte noch stark auf die Kräfte des Marktes, was Verbraucher und Wettbewerber gleichermaßen überforderte. Bleibt abzuwarten, wie die Umsetzung der Marktaufsicht künftig ausfällt. Zumindest sollte es an den finanziellen Mitteln nicht scheitern, staatliche Ansprüche durchzusetzen.
Die neue Eigenschaft 7 – Gesundheit und Sicherheit – wird über den Lebenszyklus zu ermitteln sein. Ob dies auch in anderer Form als in EPDs geht, bleibt abzuwarten. Aber auch das ist nicht ganz neu. Auch früher schon spielten bei den Massenstoffen immer auch ökologische Kriterien eine Rolle. Vielleicht ist es wirklich so, wie Vicente Leoz Argüelles, der für die neue Verordnung mitverantwortlich zeichnet, treffend feststellte: Die neue Verordnung ist keine Revolution – aber eine Evolution. ■
Herstellerinformation
BM-Gewinnspiel
Herstellerinformation
BM-Titelstars
Herstellerinformation
Im Fokus: Vernetzte Werkstatt

Herstellerinformation
Im Fokus: Vakuumtechnik
Herstellerinformation
BM auf Social Media
BM-Themenseite: Innentüren
Im Fokus: Raumakustik
_6006813.jpg
Schallmessung in der Praxis: Michael Fuchs (r.) und Simon Holzer bei raumakustischen Messungen in einem Objekt (Friseursalon Max in Wallersdorf). Foto: Barbara Kohl, Kleine Fotowerkstatt
Im Fokus: Gestaltung
Alles bio? Nachhaltigkeit im Tischler- und Schreinerhandwerk

BM Bestellservice
Vielen Dank für Ihre Bestellung!
Sie erhalten in Kürze eine Bestätigung per E-Mail.
Von Ihnen ausgesucht:
Weitere Informationen gewünscht?
Einfach neue Dokumente auswählen
und zuletzt Adresse eingeben.
Wie funktioniert der BM Bestellservice?
Zur Hilfeseite »
Ihre Adresse:














Die Konradin-Verlag Robert Kohlhammer GmbH erhebt, verarbeitet und nutzt die Daten, die der Nutzer bei der Registrierung zum BM Bestellservice freiwillig zur Verfügung stellt, zum Zwecke der Erfüllung dieses Nutzungsverhältnisses. Der Nutzer erhält damit Zugang zu den Dokumenten des BM Bestellservice.
AGB
datenschutz-online@konradin.de