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Keine Revolution, aber Evolution

Teil 1: Neue Bauproduktenverordnung ist auf den Weg gebracht
Keine Revolution, aber Evolution

Nachdem die neue EU-Bauproduktenverordnung (EU-BauPVo) am 4. April 2011 verabschiedet wurde, kommen auf die Bauprodukten- Hersteller einige Veränderungen zu. Der Normungsexperte Ralf Spiekers erläutert in zwei Teilen die wichtigsten neuen Bestandteile.

„Was in einem EU-Mitgliedsstaat hergestellt wird, muss auch in den anderen Mitgliedsstaaten zu verkaufen sein“, so Prof. Dr. Hans-Peter Mayer (MdEP) auf der Fachtagung des Bundesministeriums für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung (BMVBS) Ende 2011.

Den Rechtsrahmen soll nun die neue Verordnung schaffen. Auf Vorschlag der Europäischen Kommission haben das Europäische Parlament, für das Prof. Mayer Berichterstatter war, und der Rat der Europäischen Union nach Jahren zähen Ringens die Verordnung verabschiedet.
Aktuell besteht eine Übergangszeit von alter EU-Richtlinie und neuer EU-Verordnung (BauPVO). Mit der Verabschiedung der Verordnung und unter Berücksichtigung der Übergangsfrist von 20 Tagen bedeutet das, dass die Verordnung teilweise schon jetzt angewendet wird bzw. angewendet werden kann. Mit dem 1. Juli 2013 wird die Verordnung dann die Richtlinie vollständig ablösen (Bild: Historische Entwicklung).
Historie
Kritik hagelte es an den 24 Artikeln der bestehenden EU-Richtlinie (CPR = Construction Product Regulation) in der Vergangenheit reichlich. Zahlreiche ergänzende Dokumente, sogenannte EU-Leitpapiere, ergänzten immer wieder die aus dem Jahre 1988 stammende Richtlinie. Druckfehler, Unterschiede bzw. Fehler in der Textpräsentation, inhaltliche Abweichungen der einzelnen Sprachfassungen (englisch, französisch und deutsch) sowie die fehlende Umsetzung der Richtlinie in einigen der nun 27 Mitgliedsstaaten – hier ist besonders Großbritannien zu nennen – führten in der Vergangenheit bei Regelsetzern wie Anwendern zu einem großen Verdruss. Das Ziel, das Prof. Mayer ansprach, konnte auf Basis einer EU-Richtlinie nicht erreicht werden.
Uneinigkeit bestand lange darüber, wie eine neue Verordnung aussehen könnte. Allein 169 Arbeitsdokumente wurden den Mitgliedsstaaten vorgelegt. Das sogenannte Fußnotendokument, das noch vor zwei Jahren in den Fachgremien kursierte, beinhaltete über dreihundertfünfzig Anmerkungen. Die deutsche Position zur Verordnung, die sehr eng durch Tischler Schreiner Deutschland begleitet wurde, war eindeutig. Man wollte eine EU-Verordnung und hat sich schon frühzeitig sowohl pro CE als auch für die Zulassungssysteme ausgesprochen. Obwohl vieles beim Alten bleibt, die neue Verordnung hat es in sich.
Das Bauen ist Ländersache. Für Deutschland gilt dieser Satz doppelt. Zum einen bestimmen die Mitgliedsstaaten der EU ihre Bauregeln, zum anderen ist gerade in Deutschland das Bauen durch die verschiedenen Landesbauordnungen (LBO) bestimmt. Wie allgemein bekannt ist, wollte und will die EU durch die neue Verordnung die Handelbarkeit von Bauprodukten in den Mitgliedsstaaten verbessern. Eine direkt umsetzbare Verordnung (CPR = Construction Product Regulation) wird daher die Richtlinie (CPD = Construction Product Directive) ablösen. Damit ist der nationale Regelungsrahmen wie z. B. im Bauproduktengesetz (BauPG) oder im ProdSG anzupassen. Deutschland hat sich auch entschieden, nur eine technische Bewertungsstelle, die so genannte Notifizierungsstelle (nb = notified body) zu benennen. Voraussichtlich wird dies wohl das Deutsche Institut für Bautechnik (DIBt) sein. Zumindest haben sich die Bundesländer dafür ausgesprochen.
Die Ziele einer neuen Verordnung wurden im Vorfeld politisch zwischen den EU-Mitgliedsstaaten formuliert. Die Verordnung sollte KMU-freundlicher werden, Vereinfachungen und eine EU-weite Akzeptanz der CE-Kennzeichnung bringen. Maßstäbe, an denen sich das im Frühsommer 2010 verabschiedete Dokument messen lassen muss.
Beweggründe
Viele Ziele und Sichtweisen zur neuen Verordnung sind am Anfang des Dokumentes zu finden. Insgesamt 58 Beweggründe sind dort gelistet, die vielleicht beim einen oder anderen auch für etwas Verwirrung sorgen. Da ist von den Vorschriften der Mitgliedsstaaten die Rede, nach denen Bauwerke so entworfen und ausgeführt werden sollten, dass sie weder die Sicherheit von Menschen, Haustieren oder Gütern gefährden noch die Umwelt (siehe Beweggrund 1) schädigen. Einzelaspekte wie die Beseitigung von technischen Hemmnissen im Bausektor (siehe Beweggrund 10) werden klar in den Vordergrund gestellt. Die Bewertung der Leistung eines Bauprodukts soll künftig auch die Gesundheits- und Sicherheitsaspekte im Zusammenhang mit seiner Verwendung während seines gesamten Lebenszyklus berücksichtigten (siehe Beweggrund 15).
Der feinsinnige Leser der Beweggründe wird feststellen, diese sind nicht verpflichtend. Die „sollte“-Formulierungen stellen klar, dass in den Beweggründen keine Rechtsansprüche formuliert werden. Bei den früheren Vorfassungen der Verordnung waren hier größtenteils noch verpflichtende Formulierungen abgedruckt. Diese hat man kurz vor der Veröffentlichung der Bauproduktenverordnung ganz bewusst umgeschrieben. Ein schönes Beispiel ist der Beweggrund 56 zur nachhaltigen Nutzung von Bauprodukten (Bild: Beweggrund 56).
Das Stichwort Umwelterklärung (EPD = Environmental Product Declaration) taucht übrigens in der gesamten Bauproduktenverordnung nicht mehr auf. Nur im Vortext der Beweggründe wird das EPD genannt. Somit sieht die EU eine EPD als eine Möglichkeit, eine Beurteilung der Auswirkungen von Bauwerken auf die Umwelt durch diese Art der Dokumente vorzunehmen.
Bei CEN wird aktuell im zuständigen CEN/TC 350 an einer horizontalen Norm gearbeitet, die Umwelterklärungen präzisiert. Es wird erwartet, dass dann im Rahmen einer Produktdeklaration die Produktkennwerte mit der „Prüfnorm“ prEN 15804 (EPD – Norm) übereinstimmen. Diese ist allerdings zurzeit noch keine harmonisierte Norm mit Anhang ZA, die zur CE-Kennzeichnung führt.
Regelungsbereich der Verordnung
Das Ziel ist das sichere Bauwerk, der Regelungsbereich der Verordnung ist aber das Bauprodukt. Obwohl die Verordnung die abstrakten Schutzziele an Bauwerke im Anhang I nennt, hat dies jedoch eine andere Qualität als z. B. in der Spielzeugrichtlinie. Anhang I der neuen BauPVO steckt den Rahmen ab, in dem die EU tätig werden darf.
Die EU darf nur dann Produktanforderungen gemäß Anhang I stellen, wenn mindestens ein Mitgliedsstaat eine entsprechende nationale Anforderung an Bauwerke hat. Konkrete Schwellenwerte oder Eigenschaften eines Produktes sind in der Verordnung nicht formuliert. Dies überlässt man dem weiterführenden EU-Recht (z. B. Chemikalienrecht), EU-Normen oder nationalen Regelungen und Ansprüchen, wie zum Beispiel der Energieeinsparverordnung (EnEV), Lastannahmen im Hochbau etc. (Bild: Unterschiedliche Regelungsbereiche).
Die verwendeten Begriffe der neuen BauPVO sind dabei teilweise altbekannt, teilweise präzisierend und teilweise neu. So werden neue Begrifflichkeiten wie das Europäische Bewertungsdokument (EBD) bzw. die Europäische Technische Bewertung (ETB) definiert. Beide Begriffe sind inhaltlich aber nicht wirklich neu, beschreiben sie doch das frühere Zulassungsverfahren.
Ohne Leistungserklärung kein CE
Ist ein Bauprodukt von einer harmonisierten Norm erfasst oder entspricht es einer Europäischen Technischen Bewertung, die für dieses ausgestellt wurde, so erstellt der Hersteller eine Leistungserklärung für das Produkt, wenn es in Verkehr gebracht wird. Die Erklärung der Leistung von mindestens einem der wesentlichen Merkmale des Bauprodukts ist erforderlich.
Mit der Erstellung der Leistungserklärung, für die ein Muster im Anhang III der Verordnung erstellt wurde, übernimmt der Hersteller die Verantwortung für die Konformität des Bauprodukts mit der erklärten Leistung. Was hier besonders interessant ist, ist die positive Vermutungswirkung der Leistungserklärung. Liegen keine objektiven Hinweise auf das Gegenteil vor, so gehen die Mitgliedstaaten davon aus, dass die vom Hersteller erstellte Leistungserklärung genau und zuverlässig ist.
Mit dem Begriff „Leistungserklärung“ wird in der Verordnung neu die Beschreibung der zugesicherten Eigenschaft eines Produktes eingeführt. Sie ist obligatorische Voraussetzung für die CE-Kennzeichnung. Die Leistungserklärung gibt mindestens die Leistung von Bauprodukten in Bezug auf eines der wesentlichen Merkmale des Produktes gemäß den einschlägigen harmonisierten technischen Spezifikationen an. Sie enthält insbesondere Angaben zum Produkttyp, zum Konformitätssystem, den Verweis auf die harmonisierten Normen, die Europäisch Technische Bewertung oder die Fundstelle der verwendeten Spezifischen Technischen Dokumentation.
Weiterhin enthält die Leistungserklärung den Verwendungszweck und die Liste der wesentlichen Merkmale mit den deklarierten Leistungen des Bauprodukts. Für die aufgelisteten wesentlichen Merkmale, für die keine Leistung erklärt wird, werden die Buchstaben „NPD“ (no performance determined/keine Leistung festgelegt) angegeben. Für den Hersteller bzw. Verwender von Bauprodukten ist wichtig, dass in der Leistungserklärung diejenigen wesentlichen Merkmale, die sich auf den Verwendungszweck beziehen, berücksichtigt sind.
Im Klartext muss der Planer – häufig auch der Handwerker – klären, welche Leistungsanforderung an das Produkt zu stellen ist, um dies bei der Auswahl der Produkte zu berücksichtigen.
Pflicht zur CE-Kennzeichnung
Das wesentliche Kernelement der bestehenden Richtlinie, die Pflicht zur CE-Kennzeichnung, bleibt bestehen. Es gibt sogar leicht erweiterte Pflichten im Zusammenhang mit der CE-Kennzeichnung. Beispielsweise muss das CE-Kennzeichen nun eine Identifikation des Herstellers und dessen Anschrift ermöglichen.
Ein Thema, das gerade die Hersteller, die mit Wiederverkäufern arbeiten, berühren dürfte. Basis der CE-Kennzeichnung ist die harmonisierte Norm oder das Europäische Bewertungsdokument. Wie dem vorstehenden Diagramm zu entnehmen ist, bilden für den Regelfall die harmonisierten technischen Spezifikationen die Basis, durch die Erstellung einer Leistungserklärung bzw. durch die Verwendung des CE-Zeichens die notwendigen Leistungseigenschaften zu erklären (Bild: Regelfall und Sonderfallwege zur Leistungserklärung).
KMU-Freundlichkeit
Tischler Schreiner Deutschland hatte sich schon früh für handwerksfreundliche Konzepte im Vorfeld der Diskussionen eingebracht. Schon im Jahre 2008 wurde im Rahmen der nationalen Sacharbeit zum Thema auf Fachtagungen des BMVBS konzeptionell vorgetragen. Am Beispiel von Systemlösungen (cascading ITT) wie der fenster marke tischler/schreiner zeigte der Verband Wege auf, die politisch dominierte Verordnung handwerksfreundlich zu gestalten.
Dazu wurde eine Reihe von Artikeln in die Verordnung aufgenommen, die die KMU-Freundlichkeit der Verordnung sicherstellen sollen. Diese werden im zweiten Teil des Fachbeitrages, in der BM Februar-Ausgabe 2012, näher erläutert. ■

Nachhaltige Nutzung

Beweggrund 56

Zur Bewertung der nachhaltigen Nutzung der Ressourcen und zur Beurteilung der Auswirkungen von Bauwerken auf die Umwelt sollten die Umwelterklärungen (Environmental Product Declarations – EPD), soweit verfügbar, herangezogen werden.

Historische Entwicklung

Bauproduktenverordnung

seit 2004… Vorüberlegungen
  • 23.05.2008 Kommissionsentwurf
  • 24.04.2009 Abstimmung des Europäischen Parlaments im Plenum
  • 20.10.2009 Vorlage des geänderten Entwurfs durch KOM
  • 18.01.2011 Annahme im Plenum (2. Lesung)
  • 09.03.2011 Veröffentlichung im Amtsblatt der EU
  • 30.03.2011 Inkrafttreten der Verordnung
  • 01.07.2013 Ende der Übergangszeit
Quelle: Ralf Spiekers
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