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Klare Sicht für Vögel

Architektur mit Glas verursacht Vogelschlag
Klare Sicht für Vögel

Das großflächige Bauen mit Glas bleibt in der Architektur in Mode. Was dabei oft nicht bedacht wird: Transparente Glasflächen sind häufig eine tödliche Vogelfalle. Millionen toter Tiere gibt es jedes Jahr. Mit intelligenter Planung und technischen Maßnahmen beim Glas lässt sich das verhindern. Es interessiert aber noch zu wenige Akteure.

Christian Härtel

Vom Spätsommer bis in den Herbst hinein ist es besonders schlimm. Dann machen sich viele Vögel auf den Weg in den Süden. So mancher kommt nicht weit, weil unsere Vorliebe für transparente Architektur mit viel Glas die Tiere zur Strecke bringt. Im Fachjargon nennt sich das Vogelschlag. Das Ausweichen vor Hindernissen ist für Vögel eigentlich kein Problem. Transparentes Glas können die gefiederten Tiere jedoch nicht sehen und somit nicht als Hindernis erkennen. Die Folge: Sie fliegen ungebremst auf die Glasflächen. Für die meisten ist ihr Schicksal damit besiegelt. Nicht alle sind sofort tot, sondern fliegen weiter und verenden später an inneren Verletzungen, weil die Leichtbauweise von Vögeln nicht für eine solche Wucht der Kollision ausgelegt ist. „Ein wichtiges Thema in der Branche“, sagt ein Glashersteller hinter vorgehaltener Hand. Aber auch eines, über das man eher nicht so gerne spricht.
Aber das Thema ist akut. Es geht bei Weitem nicht nur um immer größere Glasfassaden in unseren Städten. Sondern mit jedem erstellten Einfamilienhaus im Grünen, offener und großzügiger Bauweise mit ausladenden Glasflächen wird es immer drängender. Viel zu viele Vögel verenden am Zeitgeschmack unserer Architektur. Über die Anzahl gibt es nur Schätzungen und Hochrechnungen aus den Ergebnissen exemplarischer Untersuchungen. Eine Grundlage stammt aus den USA, wo es über eine Milliarde fliegende Opfer pro Jahr geben soll. Hierzulande sind es Millionen. Wie viele genau, weiß keiner, auch wenn mancher so tut, als ob. Die Experten, etwa in den Vogelwarten des deutschsprachigen Raumes, halten sich deshalb auch zurück mit der einfachen Nennung von Horrorzahlen.

Durchs Vogelauge gesehen

Dass es überhaupt zum „Vogelschlag“ an Glasflächen kommt, beruht grundsätzlich auf den beiden Phänomenen Durchsicht und Spiegelung. Durch die seitliche Anordnung der Augen sind Vögel mit einem Weitwinkel- bis hin zu einem Rundumblick ausgestattet. Sie können bis zu 180 Bilder pro Sekunde auflösen, wohingegen das menschliche Auge gerade mal 20 Bilder pro Sekunde schafft. Das Vogelauge kann auch Grüntöne fein erkennen und sogar mittels eines vierten Farbkanals auch im UV-A-Bereich sehen. Aber: Ihr stereoskopisches Sehen und damit die räumliche Wahrnehmungsfähigkeit sind deutlich begrenzter. Damit sehen Vögel Glasflächen nicht. Sie schauen durch diese hindurch und erkennen darin kein Hindernis. Je größer und transparenter die Glasfläche ist, desto höher das Risiko für die Tiere.

Abhängig vom Scheibentyp, der Beleuchtung im Gebäudeinneren und der Umgebung spiegelt sich an der Glasoberfläche die Landschaft. Handelt es sich dabei um üppiges Grün, erkennt der Vogel das Spiegelbild als für ihn attraktives Habitat – mit fatalen Folgen. Stark spiegelnde Gläser, wie sie beim Sonnenschutz eingesetzt werden, sind deshalb besonders gefährlich.

Daneben gibt es ein drittes Phänomen, das bei Vögeln für Irrleitungen sorgt und dann in Verbindung mit Durchsicht und Spiegelung zum Problem wird. Nämlich die Illuminierung von Gebäuden in der nächtlichen Dunkelheit. Zwar werden Vögel nicht einfach von künstlichen Lichtquellen „angezogen“, doch sorgen diese gerade in Hochhäusern für eine Desorientierung und im Ergebnis dann für Kollissionen. Je höher die Gebäude sind, desto größer die Gefahr. Vor allem für Zugvögel, deren Orientierungssinn durch die künstlichen Lichtquellen gestört wird. Traurige Bekanntheit hat in dieser Hinsicht der Post-Tower in Bonn erlangt. Mit 160 m Höhe überragt das Gebäude des Konzernsitzes die meisten Höhenzüge der Region im Rheintal. Glaswände überragen das Dach um 5 m. Am Abend wird das Gebäude mit 2000 Leuchtstoffröhren samt Skybeamer zu Werbezwecken illuminiert. Und auch am Boden weist die Architektur vorstehende Glaselemente als Windschutz und verglaste Absturzsicherungen der Zugänge auf. Ein Jahr lang hat man das Gebäude insgesamt 469 Mal kontrolliert. Das Ergebnis sind etwa 1000 aufgefundene Vögel, die Opfer von Kollisionen mit dem Gebäude wurden.

Anflug von Schuld

Die Überlagerung der Effekte, die eine Glasfläche zu einer Gefahrenquelle für Vögel werden lassen oder eben nicht, machen das Thema nicht gerade einfacher. So kommt es, dass an relativ kleinen Fenstern eines Bauernhauses im Grünen, unter Umständen mehr Vögel sterben als an der großen Glasfassade eines Hochhauses in urbaner Umgebung. Gleichzeitig ist dies auch der Grund dafür, dass der Vogeltod in menschlichen Siedlungen jeden angeht. Private und öffentliche Bauherren, Fensterproduzenten, Glashersteller und vor allem diejenigen, die Planungsaufgaben leisten.
„Nach wie vor gibt es viele Architekten, die noch nie von dem Thema gehört haben. Auf der anderen Seite gibt es inzwischen Fassadenbauer, für die es schon zur Routine geworden ist, den Vogelschutz bei der Planung mit einzubeziehen“, erklärt Hans Schmid, Experte von der Schweizerischen Vogelwarte. So lässt sich auch erklären, warum besonders gefährliche Konstruktionen nach wie vor realisiert werden. Dazu gehören beim Bau von Ein- und Mehrfamilienhäusern transparente Eckausbildungen, wie sie bei Balkonverglasungen, rahmenlosen Eckfenstern oder auch Wintergärten gerne umgesetzt werden. Im öffentlichen Raum betrifft dies Wind- und Lärmschutzwände sowie verglaste Wartezonen für Bus- und Bahnreisende. Solche Fälle mit ihren Auswirkungen auf den Vogelschlag ärgern die Experten, weil sie nicht nur in den Augen von Vogelschützern schlichtweg überflüssig sind. Denn bei Mietern von Wohnungen mit Balkonverkleidungen aus transparentem Glas lässt sich immer wieder beobachten, dass üppiges Grün auf dem Balkon aufgestellt wird, aus Gründen des Sichtschutzes. Dadurch verstärkt sich der Effekt. Der Vogel sieht das Grün hinter den Gläsern und fliegt direkt auf die vorgesetzte Scheibe zu dem vermeintlich attraktiven Platz.
Ähnlich überflüssig sind großflächige Verglasungen in Fassaden, die zwar im 3D-Modell des Architekten chic aussehen, später aber in der Praxis wegen Überhitzung der Räume schnell mit einem Sonnenschutz versehen werden. Zumal der Sonnenschutz auf der Außenseite eines Gebäudes bekanntlich deutlich wirksamer ist als eine innen liegende Maßnahme. Besser könnten die Verantwortlichen auch die Glasflächen von Wartezonen im Freien planen. Ohnehin nur wegen möglicher Werbemaßnahmen aus Glas konstruiert, müssen diese später oft mit Folien zur Sichtbarmachung nachgerüstet werden. Zum Einsatz kommen dann auch die populären Aufkleber in Form von schwarzen Greifvögel-Silhouetten. Diese helfen den Menschen, eine Scheibe als solche wahrzunehmen, nicht aber den Vögeln.

Abhilfe in Sichtweite

Für einen Vogel reicht eine Glasfläche in Handgröße aus, um diese als Durchflugsmöglichkeit zu identifizieren. Daraus folgt, dass es eine flächige Gestaltung von Glasflächen mit für Vögel sichtbaren Markierungen braucht, damit ein Schutz wirksam ist. Geforscht und getestet werden solche Dinge in Flugtunneln. Inzwischen hat man eine ganze Reihe von nachweislich wirksamen Mustern getestet. Die Fachleute aus dem deutschsprachigen Raum arbeiten dabei eng zusammen, übrigens auch mit Glasherstellern. So kommt es, dass man sich auf einen verbindlichen Standard in Form der österreichischen Norm ONR 191040 für die Prüfverfahren und Beurteilung der Wirksamkeit von Vogelschutzgläsern geeinigt hat, an dem man sich in Deutschland, Österreich und der Schweiz orientiert. Die so getesteten Gläser werden in drei Kategorien eingeteilt. Als „Vogelschutzglas“ darf nur ein hochwirksames Produkt der Kategorie A bezeichnet werden, bei dem die Anflüge in der Prüfanlage unter 10 % liegen. In Klasse B sind bedingt geeignete Gläser mit bis zu 20 % Anflügen. Als „wenig geeignet“ gibt es die Kategorie C, mit einer Anflugquote bis zu 45 %. Produkte der beiden Kategorien B und C werden von den Vogelexperten nicht empfohlen. Denn unwirksam ist eine Maßnahme um 50 % Anflugrate, weil im Tunnel ja jeweils auch eine Referenzscheibe mit von der Partie ist. Bei 50 % ist die Testscheibe so schlecht wie die Referenzscheibe ohne Schutz.

Einige Glashersteller wie Glas Trösch Schweiz, Saint-Gobain Österreich oder auch Arnold Glas in Deutschland haben spezielle Vogelschutzgläser entwickelt, deren Wirksamkeit zum Teil durch Tests im Flugtunnel belegt sind. Daneben gibt es eine Vielzahl von Produkten und Anwendungen, bei denen der Vogelschutz gewissermaßen im Schlepptau von eher gestalterischen Zielen erreicht wird. Dies sind vor allem Einsatzbereiche von Verbundsicherheitsgläsern, bei denen sichtbar gestaltete Folien, Fäden oder Gewebe im Falle des Glasbruches die Splitter zusammenhalten und gleichzeitig von Vögeln gesehen werden können. Siebdruckverfahren lassen Glasflächen an Gebäuden zum Blickfang werden, aber nicht zur Vogelfalle. Farbiges Glas allein genügt in den meisten Fällen nicht. Strukturen dagegen helfen den Vögeln, Flächen als Hindernis wahrzunehmen.
Werden Sonnenschutzlamellen vor Glasflächen von Beginn an eingeplant, stellen auch diese einen wirksamen Schutz vor Vogelschlag dar. „Man kann mit den herkömmlichen Produkten wirksame Maßnahmen für den Vogelschutz realisieren“, bestätigt Schmid. Geht dies nicht, müsse man mit 15 bis 20 % Mehrkosten für die zusätzliche Ausstattung von Verglasungen rechnen. Die Vogelwarten unterstützen und beraten nicht nur die öffentliche Hand, sondern stehen auch den Fensterbauern, Bauherren und Architekten zur Seite. Wichtig sei einfach, dass die Experten die Situation vor Baubeginn beurteilen können. Im Nachhinein sind Ertüchtigungen zum Schutz der Vögel meist schwieriger und letztlich auch kostspieliger.


Anbieter und Infos

Vogelschlag ein Ende setzen

Beispiele für Hersteller und Zulieferer von Gläsern, die dem Vogelschutz dienen:

Glas Trösch

www.glastroesch.de

Eckelt

www.eckelt.at

Okalux

www.okalux.de

Arnold Glas

www.arnold-glas.de

Eine fundierte und aussagekräftige Broschüre mit Abbildungen zu wirksamen Mustern für den Vogelschutz gibt es zum Download unter www.vogelglas.info unter der Rubrik Infothek.


Der Autor

Christian Härtel, Schreiner und Forstingenieur, arbeitet als Autor und Produktentwickler für das gestaltende Handwerk.

www.gowink.de

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