Die EU-Bauproduktenverordnung tickt deutlich anders als z. B. die Maschinenrichtlinie, die europaweit ein Stück gleiche Sicherheit garantiert. Das Baurecht, bezogen auf die Verwendung eines Bauproduktes, bleibt in den Händen der Mitgliedsstaaten der EU. Dies wird im Folgenden am Beispiel erläutert. Die Voraussetzung zur Pflicht zur Leistungserklärung bzw. zur CE-Kennzeichnung gemäß Bauproduktenverordnung ist bei Fenstern gegeben (Art. 4 (1)), da dieses Produkt von einer harmonisierten Norm, hier der DIN EN 14351-1, erfasst ist. Ebenso wäre ein Produkt zu kennzeichnen, sofern das Bauprodukt einer europäischen technischen Bewertung entspricht. Mit der Erstellung der Leistungserklärung übernimmt der Hersteller die Verantwortung für die Konformität des Bauproduktes mit der erklärten Leistung (Art. 4 (3)). Die Bauproduktenverordnung stellt bei der Leistungserklärung den Verwendungszweck in den Mittelpunkt der Deklaration. Letztere orientiert sich an den Grundanforderungen an Bauwerke gemäß Anhang 1, die die Grundlage für die Ausarbeitung von Normungsaufträgen und harmonisierten technischen Spezifikationen bilden (Art. 3 (1)). Die Grundanforderungen an Bauwerke unterliegen allerdings dem Regelungsbereich der Mitgliedsstaaten. Der Anhang 1 ist in diesem Sinne eher informativ. Gemäß Art. 6 (3) e) ist dabei die Leistung derjenigen wesentlichen Merkmale des Bauproduktes, die sich auf den Verwendungszweck oder die Verwendungszwecke beziehen zu berücksichtigen, wie es in der EU-Verordnung heißt. Für aufgelistete wesentliche Merkmale, für die keine Leistung erklärt wird, ist in der Leistungserklärung das Kürzel „NPD“ (No Performance Determined/keine Leistung festgelegt) anzugeben. Das „NPD“ ist aber nicht für alle Leistungseigenschaften möglich. Die Schöpfer der EU-Bauproduktenverordnung wollten keine Leerdeklarationen haben. Daher ist mindestens eine der mandatierten Eigenschaften (Art. 6 (3) c)) zu deklarieren, so die Verordnung.
Auch stellt die Verordnung selbst nicht die CE-Kennzeichnung in den Mittelpunkt, sondern die Leistungserklärung. Auf Basis der Leistungserklärung erfolgt anschließend die CE-Kennzeichnung (Art. 8 (2)). Das wirklich Positive für den Hersteller in diesem Artikel lautet aber: Indem er die CE-Kennzeichnung anbringt oder anbringen lässt, gibt der Hersteller an, dass er die Verantwortung übernimmt für die Konformität des Bauprodukts mit dessen erklärter Leistung sowie für die Einhaltung aller geltenden Anforderungen, die in dieser Verordnung und in anderen einschlägigen Harmonisierungsrechtsvorschriften der Union, die die Anbringung vorsehen, festgelegt sind. Für die Leistungserklärung, die gemäß Art. 7 (1) gegebenenfalls in gedruckter Form zur Verfügung gestellt werden muss, sofern dies der Auftragnehmer fordert (Art. 7 (2)), gelten auch Aufbewahrungspflichten von zehn Jahren für die Hersteller (Art. 11 (2)). Die Leistungserklärung ist daher auch ein gutes Instrument, im Nachhinein, z. B. in einem Gerichtsverfahren, zu eruieren, welche Leistungseigenschaften dem Produkt vom Hersteller zugeschrieben wurden. Hier kann es durchaus Diskrepanzen zu den Anforderungen geben. Ein Beispiel: Ein Fenster wird nur mit dem UW-Wert deklariert, damit ist die Leistungserklärung bzw. die CE-Kennzeichnung formal korrekt und kann nicht beanstandet werden. Das Produkt darf gehandelt werden (Art. 8 (4)). Für den Einsatz im Bauvorhaben kann dieses Bauprodukt allerdings unvollständig deklariert sein. Eigenschaften wie Schlagregendichtheitsklasse oder auch die Luftdichtheitsklasse können für die Eignung zur Verwendung durchaus relevant sein. Hier kann es auch im Nachhinein, z. B. bei der Abnahme oder in gerichtlichen Verfahren, Probleme geben, da die CE-Kennzeichnung die einzige Kennzeichnung ist (Art. 8 (3)), die die Konformität des Bauproduktes mit der erklärten Leistung in Bezug auf die wesentlichen Merkmale bescheinigt. Die Amtssprache ist dabei auf das jeweilige Land abzustellen, für das das Produkt bereitgestellt wird (Art. 7 (4)).
Beurteilungsmaß für die Eignung eines Bauproduktes ist also auch die konkrete Anforderung, die im Rahmen der Verwendung, bei Fenstern z. B. die DIN 18055 und/oder im Leistungsverzeichnis, definiert ist. Bei einem Fenster gemäß DIN EN 12519, das als Fenstertür, bspw. mit einer barrierefreien Schwelle ausgerüstet ist, für die es systemisch keine Nachweise gibt, keine Angabe zur – bei entsprechender Exposition notwendigen – Schlagregendichtheit , ist kritisch einzustufen. Insbesondere der Nachweis der Schlagregendichtheit kann problematisch werden, da diese nur durch Prüfung gemäß DIN EN 1027 bzw. die Klassifizierung gemäß DIN EN 12208 vor der Verwendung nachzuweisen ist. Hier greift der Grundsatz, dass nur entsprechend geprüfte Produkte in Verkehr gebracht werden dürfen.
Der allgemeine Hinweis, welche Anforderungen in Deutschland üblicherweise bestehen, findet sich im nationalen Vorwort zur EN 143511. In Deutschland sind, abhängig vom Verwendungszweck, in der Regel folgende Wesentlichen Merkmale baurechtlich relevant (Verwaltungsvorschrift Technische Baubestimmungen (VV TB)):
- Wärmedurchgangskoeffizient (UW- oder UD-Wert);
- Durchbiegungsbegrenzung;
- Gesamtenergiedurchlassgrad (g-Wert);
- Luftdichtheit;
- Schallschutz.
Die europäischen Mitgliedsländer müssen daher ihre baurechtlichen Anforderungen entsprechend der im Anhang ZA enthaltenen Leistungsklassen, der dort geregelten Wesentlichen Merkmale formulieren. Zum bauaufsichtlichen Nachweis dient dann die Kennzeichnung mit dem CE-Zeichen, einschließlich der Angabe der Leistungsklassen, der in Anhang ZA geregelten Wesentlichen Merkmale.
Diskrepanzen zwischen CE und LBO
Für abgeschlossene Außentüren in Fluchtwegen, die der Produktnorm DIN EN 14351-1 bzw. dem Mandat M/101 unterliegen, ist unter Umständen die Fähigkeit zur Freigabe zu deklarieren. Hier heißt es im Abschnitt 4.10 der DIN EN 14351-1: Notausgangsverschlüsse, Scharniere und Panikverschlüsse, die an Außentüren auf Fluchtwegen angebracht sind, müssen EN 179, EN 1125, EN 1935, prEN 13633 oder prEN 13637 entsprechen. Türen auf Fluchtwegen müssen als solche deklariert und mit der entsprechenden Klasse nach Tabelle 2 gekennzeichnet werden. Aber gerade diesen Punkt hat Deutschland nicht in der VV TB übernommen. Daher verwundert auch nicht die Aussage der Obersten Bauaufsicht aus Baden-Württemberg, dass öffentlich rechtlich keine Anforderungen an Produkte nach DIN EN 14 351-1 zur Fähigkeit zur Freigabe in Flucht-und Rettungswegen gestellt werden.
Der Autor
Ralf Spiekers ist Abteilungsleiter
Technik, Normung und Arbeitssicherheit bei Tischler Schreiner Deutschland
Hier finden Sie den Auszug aus der Bauproduktenverordnung
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