Wir haben in den letzten Monaten in der Küche Homeschooling gemacht, im Wohnzimmer unseren Sport, Meetings am Esstisch und Urlaub zu Hause. Dabei haben wir unsere herkömmliche Einrichtung neu erlebt und final sogar neu erfunden. Es fehlten Steckdosen an Stellen, wo wir sie vorher nicht vermisst haben, wie z. B. auf der Couch.
Trend 1: Multifunktionalität
Die Flexibilität, die wir während der Pandemie aufbringen mussten, erwarten wir nun von unseren Möbeln. Denn wir haben auch einige Funktionen und Möglichkeiten, die sich daraus für uns ergaben, schätzen gelernt und wollen die Flexibilität in unserem Alltag erhalten. Das hat zur Folge, dass Möbel 2022 nicht länger einem Raum zugeordnet, sondern Räume und Möbel multifunktional gedacht werden!
Das Schlafzimmer und das Badezimmer dienen auch der Erholung tagsüber, werden wohnlich eingerichtet mit Holz und Grünpflanzen. Das Design gleicht eher einem Wellnesshotel, während die Küche zur vernetzten Schaltzentrale zwischen Kids und Kollegen wurde und uns auch während der Familienzeit beruflich auf dem Laufenden hielt. Dieses Trend-Phänomen des Cross-Over-Designs beschränkt sich aber nicht nur auf den privaten Wohnbereich, sondern zieht sich auch in die öffentlichen Bereiche: Die Kantine sieht aus wie ein Hotel mit Loungeecke und Restaurant, das Büro wird zur Begegnungsstätte, der Shop zum Museum mit Sammlerstücken an der Wand.
Trend 2: Ökologie
Nachhaltigkeit ist das Thema der nächsten Jahrzehnte und was nicht jeder weiß: Nachhaltigkeit wird in drei Säulen gedacht: Ökologie, Ökonomie und Soziales. Nachhaltige Einrichtung muss also nicht nur umweltverträglich sein, sondern auch wirtschaftlich und mit sozialer Verantwortung hergestellt. Nur auf diese Weise werden z. B. faire Preise für fairen Handel möglich. Aber natürlich ist die Ökologie ein ganz wichtiger Aspekt für die Innenarchitektur, denn hier spielt Materialität eine wichtige Rolle. Produkte aus nachwachsenden Rohstoffen im Kreislauf denken bedeutet, Abfälle möglichst zu vermeiden. „Wir waren schön öko als es noch out war“, titelt aktuell Team 7 und trifft es damit auf den Punkt: Holz wird als Roh- und Werkstoff immer wichtiger für alle möglichen Produkte des täglichen Bedarfs. Und die Nachfragen der Endkunden im Handel zu Lieferwegen und Materialherkunft werden zum Glück häufiger. Aber wer wirklich ökologisch sein will, bessert auf: Ein renoviertes Möbelstück ist um ein Vielfaches ökologischer als ein neu produziertes.
Trend 3: Smart
Die Dunstabzugshaube kommuniziert mit dem Herd, das Licht wird mit Sprachsteuerung gedimmt und von unterwegs schaltet man per App schon einmal die Kaffeemaschine an: In ist, was uns den Alltag erleichtert und viele smarte Gebrauchsgegenstände sind heute nahezu unsichtbar in die Einrichtung integriert. Das bedeutet einerseits, dass wir fast überall Strom und W-Lan-Zugang brauchen und nicht selten noch Platz für Steuerungsgeräte. Funktionen in Möbeln und Einbauten müssen neu gedacht werden – am besten gleich zusammen mit der IT. Darin besteht auch eine Chance, denn wer hier gewerkübergreifend plant, schafft Innovation.
Andererseits ist es unsere Aufgabe als Einrichter, auch Offline-Zonen zu bedenken und zu integrieren. Psychische Erkrankungen haben zugenommen und fordern von uns allen mehr Achtsamkeit. Entschleunigung durch Orte der Ruhe, wo sich die Sinne mit Haptik, Klang und Duft erholen können. Oder andere In- und Outdoorplätze für die Regeneration und zum Stressabbau, beispielsweise durch Sport, Musik oder Hobby.
Trend 4: Emotional
Harte Kontraste und weiße Wände sind out – es werde weich und herzerwärmend. Wollweiß liegt im Trend, schließlich zeugt es von deutlich weniger Chemie und schafft eine Verbindung zu natürlichen Materialien. Die neuen, ebenfalls von der Natur inspirierten Pastelltöne, sogenannte „Neutrals“ (engl.) bewegen sich von gebrochenem Weiß über Grau und Braunnuancen bis zu Rosé und angesagten Nude- und Terracotta-Tönen. Die Palette der blauen und grünen Trendfarben bleibt auch 2022 groß, natürlich und gedeckt. Auch hier sehen wir sanfte, helle und dunkle Varianten, die durch einen hohen Grauanteil nicht kitschig wirken, sondern einladend mit vielen positiven Assoziationen. Dazu gesellt sich ein Pastellgelb, ein leuchtendes Ziegelrot und dunkles Rotbraun. Spannend wird es, wenn die Farben großflächig und in Kombination gedacht werden. Ganze Räume werden 2022 farbig gestaltet, nicht nur als Wandfarbe, auch mit passender Einrichtung. Farbe wird ergänzt durch schmeichelnde Haptik, sowie gerundete Formensprache.
Die Autorin
Innenarchitektin Katrin de Louw ist Inhaberin von Trendfilter und führende Expertin für Möbel- und Materialtrends im Innenraum.