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Drei Hallelujas für die Handarbeit!

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Drei Hallelujas für die Handarbeit!

„Viel zu teuer“ – ist das entwaffnende Argument jedes Schreiners, wenn das Thema auf Handarbeit kommt. So wie in der Wirtschaft, findet die Handarbeit auch in der Ausbildung nur noch wenig Beachtung. Ihre Krönung besteht in der Regel in der Anfertigung von Zinken. Kein Zweifel, Handarbeit ist in breiter Front auf dem absteigenden Ast. Unser Autor, Dr. Rudolf Dick, stellt deshalb die umgekehrte Frage: Können wir es uns leisten, in klassischen Holz verarbeitenden Berufen auf Handarbeit zu verzichten? Er meint nicht und begründet dies im folgenden Beitrag.

Der Autor Dr. Rudolf Dickist Geschäfts-führer der Dick GmbH, Metten

Ästhetik
Jedes Stück Holz ist einzigartig, im Wuchs, der Maserung und der Färbung. Maschinen können mit diesen Eigenheiten nicht umgehen, sie bevorzugen genormte Größen und Festigkeitswerte, homogenes Material – am besten Plattenwerkstoffe. Dabei sind es gerade die kleinen Unregelmäßigkeiten, das Abweichen von der Perfektion und von der Symmetrie, die den Reiz eines Möbelstücks ausmachen. Hier kann sich unser Auge festhalten und zur Ruhe kommen. Im fernöstlichen Zen-Buddhismus findet diese „Ästhetik des Unperfekten“ geradezu ihre philosophische Bestätigung. So wie in der Natur nirgendwo absolutes Gleichmass vorkommt, so ist die völlige Symmetrie bei den von Menschen geschaffenen Dingen ebenfalls nicht erstrebenswert. So werden zum Beispiel in japanischen Häusern tragende Balken in ihrer natürlich gewachsenen Form verwendet und bei Schränken wird man vergebens nach spiegelsymmetrischen Furnierbildern suchen.
Auch die natürliche Oberfläche von Holz hat eine Ästhetik und eine haptische Qualität, die sie durch maschinelle Bearbeitung meist verliert. Die handgehobelte Fläche ist in ihrer Feinheit, Wärme und Lebendigkeit durchaus der menschlichen Haut vergleichbar. Die abgerundete Kante, der etwas hervortretende Ast, die harten Jahre an der Stirnholzfläche fordern unseren Tastsinn heraus. Oberflächen müssen atmen. Wenn man Holz lackiert, ölt oder gar mit Kunststoff versiegelt, ist es tot. Holz hat neben einer visuellen, einer haptischen auch eine olfaktorische Qualität. Gibt es einen angenehmeren Duft als den von frisch gehobeltem Lärchenholz, oder gar von gedrechseltem Sandelholz? Offene Poren sind leider ebenfalls kein Thema bei maschinell hergestellten Oberflächen, wo hinter der Schleifmaschine gleich die Lackiererei wartet. Und hier sind wir bereits beim zweiten Punkt:
Umwelt und soziale Kosten
Natürlich – und dies ist wahrscheinlich das sicherste Verkaufsargument der Billig-Möbelindustrie – hat Handarbeit und hochwertiges Material einen vergleichsweise hohen Preis. Ein Blick auf die sozialen und ökologischen Folgekosten unseres Wegwerf-Konsumverhaltens, ent-kräftet dieses Argument mit Sicherheit. Herstellung und Verarbeitung halbsynthetischer Werkstoffe geht seit Jahrzehnten einher mit einer unakzeptablen Belastung von Mensch und Umwelt. Die berufsbedingten Erkrankungen im Tischlerberuf nehmen – trotz umfassender Schutzmaßnahmen – immer mehr zu. Kleber- und Lösungsmitteldämpfe, Formaldehyd, Schleifstäube sind aus keiner Werkstatt mehr wegzudenken. Langfristige Auswirkungen dieser Schadstoffe auf die Gesundheit beruflich exponierter Personen sind zu befürchten, überwiegend jedoch noch nicht hinreichend erforscht. Die überdurchschnittliche Zahl der Frührentner in der Holz verarbeitenden Industrie spricht allerdings eine deutliche Sprache, die sozialen Folgekosten wachsen beständig.
Gleichermaßen bedenklich stimmt der unbekümmerte Umgang mit unserer Umwelt, Herstellung und Entsorgung solch enormer Mengen von Sondermüll, nichts anderes sind Möbel aus beschichteten Plattenwerkstoffen langfristig gesehen, belasten die Umwelt in einem kaum zu überschätzenden Ausmaß. Die ökologischen Folgen wurden bisher weitgehend ignoriert, sind aber nicht mehr zu übersehen. Der Naturstoff Holz, ein „nachwachsender Rohstoff“ wird noch immer sehr großzügig verarbeitet, so als seien die Ressourcen unerschöpflich. Dabei wird jedoch übersehen, dass auf diese Weise die Wachstumszyklen der Wälder immer kürzer werden, den Bäumen wird nicht mehr genügend Zeit gelassen, ordentliche Stammdurchmesser zu bilden, was wiederum dazu führt, dass man aus dem natürlich gewachsenen Stamm erst einmal einen halbsynthetischen Werkstoff herstellen muss, um daraus brauchbare Bauteile fertigen zu können. Der naturgemäße Umgang mit Holz wird in diesem Teufelskreis immer weiter beschränkt.
Menschenwürde
Um die Eigenschaften eines natürlichen Werkstoffs begreifen zu können, muss man ihn mit möglichst einfachen Mitteln bearbeiten und mit allen Sinnen erfahren. Dadurch wird nicht nur das funktionell konstruktive Denken gefördert, sondern selbstverständlich auch die Kreativität. Ein Grundkurs dieser Art, am Bauhaus bereits mit größtem Erfolg praktiziert, sollte deshalb zur Basis jedes Ausbildungsprogramms eines Holz verarbeitenden Berufs gemacht werden. Nur so wird die junge Frau, der junge Mann in die Lage versetzt, ihren/seinen Beruf zu finden, der ihr/ihm die Identifikation mit seinem Handwerk ermöglicht. Handwerkliche Techniken zu erlernen ist ein Prozess, der durch nichts abzukürzen ist, auch nicht durch maschinelle Unterstützung. Dazu der japanische Schiebetürbauer Toshio Odate: „There is no shortcut“.
Neueste Forschungen der Psychologie betrachten das völlige Versinken in einer Tätigkeit als Voraussetzung für eine innere Zufriedenheit und Stabilität. Dieses „Flow“ genannte Phänomen ist traditionellen Holzhandwerkern nicht unbekannt. Holz in seiner natürlich gewachsenen Form zu bearbeiten erfreut all unsere Sinne, mit der Hand zu arbeiten liegt in der Natur des Menschen. Der Mensch hat den größten Zeitraum seiner Evolution damit zugebracht, mit den Händen zu arbeiten, um zu überleben, so dass man beinahe von einer genetischen Fixierung sprechen kann. Anthropologen haben nachgewiesen, dass die Entwicklung der Handmotorik im Laufe der zweimillionenjährigen Menschheitsgeschichte in direktem Zusammenhang mit der Vergrößerung der Gehirnmasse stand. Der Anthropologe Frank Wilsen bringt es in seinem gleichnamigen Buch auf den Punkt: „Die Hand ist ein Geniestreich der Evolution“. Vernachlässigen wir sie nicht! o
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