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An der Grenze des Machbaren?

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An der Grenze des Machbaren?

Die “energetischen” Anforderungen an Fenster und Fassaden werden künftig noch weiter steigen. Der Autor untersucht die Frage nach möglichen Optimierungspotentialen.

Dipl.-Phys. Norbert Sack i.f.t. Rosenheim über Energieeffiziente Fenstersysteme

In der deutschen Ausgabe des Berichtes an den Club of Rome “Faktor Vier – Doppelter Wohlstand – halbierter Naturverbrauch” wird dem Fenster eine zentrale Rolle bei der Verwirklichung von Energieeinsparung im Gebäudebereich zugeordnet:
Die Energieeffizienz solcher Fenster spiegelt sich dadurch wieder, daß die Wärmeverluste durch einen hochdämmenden Aufbau minimiert werden, gleichzeitig kann durch die transparenten Flächen die Solarenergie genutzt werden. Somit kann durch das Fenster unter gewissen Randbedingungen mehr Energie gewonnen werden als Verluste auftreten.
Diese Erkenntnis, daß sich das Fenster von der reinen Wandöffnung zum “Minikraftwerk” wandelt, tritt immer mehr in das Bewußtsein der Öffentlichkeit. Demzufolge werden die energetischen Anforderungen an das Fenster auch in der Zukunft weiter steigen. Diesem Sachverhalt wird in der Energieeinsparverordnung 2000 (EnEV) Rechnung getragen.
Für die Entscheidung, wie ein energieeffizientes Fenstersystem zu gestalten ist, ist neben der energetischen Fragestellung ein weiteres wesentliches Ziel zu beachten. Es besteht darin, daß man dem Bauherrn ein gebrauchstaugliches Fenster anbietet. Gebrauchstauglich heißt, daß
– die weiteren notwendigen Eigenschaften wie Schallschutz und Sicherheit erfüllt sein müssen
– weitere vereinbarte Eigenschaften wie z. B. Einbruchhemmung gewährleistet sind
– der Aufwand zur Instandhaltung in wirtschaftlichen Grenzen liegt und
– die Nutzungsdauer angemessen ist, wobei ein Nutzungszeitraum von 30 bis 40 Jahren zur Diskussion gestellt werden kann.
Dies setzt voraus, daß bei der Entwicklung der Konstruktion und bei der Herstellung der Fenster die Regeln beachtet werden, die man als “Regeln der Handwerkskunst” bezeichnet. Damit ist nicht ein Rezept zur Herstellung von Fenstern gemeint, sondern der fachgerechte Umgang mit bekannten und neuen Werkstoffen bzw. Werkstoffkombinationen sowie die Lösung der hieraus entstehenden “neuen Fragestellungen”.
Stand der Technik
Um die Energieeffizienz eines Fenstersystemes zu beurteilen und um Potentiale für die Verbesserung erkennen zu können, müssen folgende, in Bild 1 nochmals dargestellte Energieströme berücksichtigt werden:
• Transmissionswärmeverluste durch Glas, Glasrandverbund, Rahmen sowie Baukörperanschluß
• Solare Energiegewinne durch transparente, transluzente Bauteile,
• Energieverluste (Lüftungswärmeverluste), bedingt durch Undichtheiten im Fenster und im Baukörperanschluß sowie durch die Belüftung des Raumes mit Hilfe des Fensters.
Die heute am Markt angebotenen Fenstersysteme sind zum überwiegenden Teil als Einfachfenster mit einer Zweischeiben-Wärmeschutzverglasung ausgeführt. Als Rahmenmaterialen kommen Aluminium, Aluminium-Holz, Holz, Kunststoffe sowie Stahl zum Einsatz.
Bild 2 faßt die im Fenster- und Wandbereich vorhandenen wärmetechnischen Kennzahlen zusammen. Das Ungleichgewicht, hinsichtlich der Wärmeverluste zwischen dem Fenster und der Wand, ist deutlich zu erkennen. Als Hauptanstrengung für die Entwicklungen der Zukunft gilt es also, eine Angleichung zwischen Wand und Fenster bezüglich des Wärmedurchgangs zu verwirklichen.
Zukünftige Entwicklungen
Um die zukünftigen Fenster hinsichtlich der Energieeffizienz zu optimieren, bieten folgende Punkte Ansätze für eine Weiterentwicklung:
• Minimierung der Wärmeverluste durch Rahmen und Verglasung
• Erhöhung und vor allen Dingen Regelung der solaren Energiegewinne
• Minimierung der Wärmeverluste im Glasrandbereich sowie im Bereich des Baukörperanschlusses
• Reduzierung der Lüftungswärmeverluste durch Einsatz von dezentralen Lüftungsgeräten mit Wärmerückgewinnung
• Integration des Fensters in die Haustechnik, integrale Planung der Gebäudehülle.
Verglasung
Bei “konventionellen” Isolierverglasungen wird der Wärmeverlust durch die Verglasung durch den Einsatz von niedrigemittierenden Schichten (low e coatings) und den Einsatz von Edelgasen minimiert. Typischerweise liegen die minimal erzielbaren Wärmedurchgangskoeffizienten bei ca. 1,0 bis 1,1 W/(m²K) für ein 2fach-lsolierglas; für ein 3fach-lsolierglas mit zwei low e Beschichtungen und Argonfüllung lassen sich UV-Werte um 0,6 W/(m²K) realisieren. Durch den Einsatz von anderen, schwereren Edelgasen wie Krypton oder Xenon würden sich UV-Werte bis zu 0,4 W/ (m²K) erzielen lassen. Da diese beiden Edelgase aber momentan am Markt nicht bzw. nur in sehr geringen Mengen erhältlich sind, existieren solche Werte nur auf dem Papier; an eine Produktion in größeren Einheiten ist nicht zu denken.
Die heutzutage eingesetzten Schichten weisen einen Emissionsgrad auf, der schon sehr nahe am physikalisch Machbaren liegt. Aus diesem Grund ist eine weitere nennenswerte Reduzierung des Wärmedurchgangskoeffizienten durch Minderung des Strahlungsaustausches nicht verwirklichbar.
Durch Evakuierung des Scheibenzwischenraumes jedoch ist es möglich, die Wärmeverluste des Mehrscheiben-Isolierglases nochmals deutlich zu reduzieren. Solche Vakuumverglasungen besitzen also die selbe Funktionsweise wie Thermosflaschen, die in der Regel ebenfalls evakuiert sind und Oberflächen mit niedrigen Emissionsgraden aufweisen. Bereits Anfang des 20. Jahrhunderts wurden Patente zu Vakuumverglasungen angemeldet.
Nach theoretischen Betrachtungen lassen sich mit Vakuumverglasungen U-Werte für 2fach- Aufbauten von bis zu 0,15 W/(m²K) erzielen. Mit einem 3fach Vakuumglas mit vier niedrigemittierenden Schichten und einem Emissionsgrad von 0,05 wären U-Werte unter 0,1 W/(m²K) machbar. Hierbei ist noch zu bemerken, daß der Scheibenzwischenraum nur einige Zehntel Millimeter betragen müßte, womit die Dicke der Aufbauten in der Größenordnung von heutzutage eingesetztem Isolierglas liegen würde.
Hauptprobleme bei der Herstellung von Vakuumverglasungen sind:
• Um die Gaswärmeleitung nahezu auszuschließen, ist es notwendig, den Scheibenzwischenraum bis auf ca. 10-4 mbar zu evakuieren. Dieses Vakuum muß über die Produktlebensdauer aufrecht erhalten werden. Hieraus ergeben sich extreme Anforderungen an die Gasdichtheit des “neuen Randverbundes”.
• Durch die Evakuierung werden die Scheiben mit einer Last von ungefähr 10 Tonnen pro Quadratmeter belastet. Dieser Druck muß durch entsprechende kleine Abstandhalter im Scheibenzwischenraum aufgefangen werden, die aber wiederum die Wärmeverluste erhöhen und die Durchsicht beeinträchtigen können.
Rahmen
Wie bereits festgestellt, stellen die heutzutage eingesetzten Rahmenprofile eine Schwachstelle hinsichtlich der Wärmeverluste dar. Die vorhandenen Rahmensysteme weisen Wärmedurchgangskoeffizienten in der Größenordnung zwischen 1,4 und 2,0 W/(m²K) auf. Um die Rahmen hinsichtlich der Wärmedämmung zu verbessern, wird es notwendig sein, sich von der monolithischen Bauart zu lösen und Systeme zu entwickeln, bei denen verschiedene Schichten die einzelnen Teilaufgaben übernehmen. Dieser Übergang vom einschichtigen zum mehrschichtigen Bauteil wurde bereits bei Wandaufbauten in die Praxis umgesetzt. Eine schematische Darstellung dieses Übergangs für das Fensterprofil zeigt Bild 4.
Erste Fenstersysteme, bei denen der Fensterrahmen aus verschiedensten “Funktionsschichten” besteht, sind in der Entwicklung bzw. schon am Markt verfügbar. So seien z. B. Holzrahmen mit integriertem Dämmstoff in der Kantel oder ausgeschäumte Kunststoffsysteme genannt. Allen Systemen ist gemeinsam, daß zur Erreichung der hohen Wärmedämmung die Profile Bautiefen von über 100 mm aufweisen, gleichzeitig besteht ein Großteil des Rahmenquerschnittes aus Materialien mit niedrigen Wärmeleitfähigkeiten.
Wärmebrücken, Glasrandverbund sowie Baukörperanschluß
Beim Einsatz von hochwärmedämmenden Verglasungen und Rahmen werden die Wärmebrücken im Glasrandbereich sowie der Baukörperanschluß bezüglich der Transmissionswärmeverluste immer entscheidender. So kann z. B. der Transmissionswärmeverlust eines schlecht geplanten Baukörperanschlusses ähnlich hoch sein wie die Wärmeverluste des reinen Fensters. Durch die europäischen Regelwerke werden in naher Zukunft die Wärmeverluste der Schnittstellen Glas/ Rahmen sowie Fenster/Wand berücksichtigt. Dies führte und führt zu Entwicklungen, die die Wärmeverluste in diesen Bereichen mindern:
• Warmer Randverbund im Mehrscheiben-lsolierglas
• Erhöhter Glaseinstand in der Fensterkonstruktion
• Wärmegedämmter Baukörperanschluß mit Überdämmung des Blendrahmens und evtl. des Flügelrahmens durch die Wärmedämmung der Wand.
Neben der Minderung der Wärmeverluste werden gleichzeitig die Oberflächentemperaturen in den Anschlußbereichen angehoben; somit wird die Gefahr von Tauwasserausfall reduziert.
Lüftung und Haustechnik
In der Vergangenheit war das Fenster das Element, über das die Lüftung des Gebäudes sichergestellt wurde. Diese Aufgabe wird das Fenster auch in Zukunft inne haben, wobei hierbei der Übergang von der unkontrollierten zur kontrollierten Lüftung anzustreben ist. Um die Lüftungswärmeverluste zu minimieren ist hierbei die Integration des Fensters in die Haustechnik unumgänglich. Folgende Konzepte könnten dazu dienen, dem Fenster auch in der Zukunft eine zentrale Rolle bei der Gebäudelüftung zuzuordnen:
  • 1. Das Fenster gibt in geöffnetem Zustand eine Rückmeldung an die Haustechnik, die dafür sorgt, daß die Heizung während des Lüftens im entsprechenden Raum gedrosselt oder abgeschaltet wird (Fenster auf – Heizung aus). Das Öffnen und Schließen des Fensters erfolgt manuell durch den Nutzer.
  • 2. Das Öffnen bzw. Schließen des Fensters wird über eine Motorik sichergestellt. Der Lüftungsbedarf im Raum kann durch Messung des CO2-Gehaltes oder über Messung der Raumluftfeuchte festgestellt werden. Während der Lüftung wird die Heizung wie im Fall 1 zurückgefahren. Hierdurch ist gewährleistet, daß die Raumluft nur im Bedarfsfall ausgetauscht wird.
  • 3. Im Haus wird eine zentrale Abluftanlage mit evtl. Wärmerückgewinnung installiert. Die Fenster fungieren in diesem Fall als Zuluftelemente. Auch hierbei kann der Lüftungsbedarf im Raum durch Messung von Schadstoffkonzentrationen, Luftfeuchte oder aber auch z. B. über die Raumbelegung erfolgen (analog zu Fall 2). Über die zusätzliche Wärmerückgewinnung erfolgt eine weitere Minimierung der Lüftungswärmeverluste.
  • 4. Die Lüftung des Raumes wird über dezentrale Raumluftgeräte mit Wärmerückgewinnung sichergestellt. Diese Lüftungselemente können Bestandteil des Fensters sein.
Resümee
Die Anforderungen an das energetische Verhalten des Fensters werden auch in Zukunft weiter ansteigen. Um diesen Anforderungen gerecht zu werden, wird es nötig sein, neben der reinen, weiteren energetischen Verbesserung des Einzelbauteils Fenster in gleichem Maße die energetischen Potentiale des Fensters – durch Einbeziehung in die ganzheitliche Planung des Gebäudes – zu nutzen. Dies betrifft vor allen Dingen die Schnittstelle zwischen Fenster und Wand sowie eine stärkere Einbindung des Fensters in die Haustechnik.
Im TASK 27 der International Energy Agency (IEA), in dem das i.f.t. Rosenheim als Projektkoordinator mitarbeitet, sowie in dem zum Jahrtausendbeginn startenden Forschungsprojekt “HIWIN” sollen energieeffiziente Fenstersysteme untersucht werden. Hauptfragestellungen liegen hierbei bei
• den wärmetechnischen Eigenschaften von hochwärmedämmenden Fensterkonstruktionen in der Einbausituation
• der Entwicklung von Bewertungsverfahren für energieeffiziente Fenstersysteme sowie Sonnenschutzvorrichtungen
• der Gebrauchstauglichkeit von neuartigen Rahmenkonstruktionen und schaltbaren Verglasungen sowie
• der Glasbruchgefahr durch einen erhöhten Glaseinstand. n
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