Aktuelle berufspolitische Themen standen im Mittelpunkt der diesjährigen Berufsbildungstagung des Verbandes des Tischlerhandwerks Niedersachsen/ Bremen, zu der ca. 160 Vertreter der Innungen und Berufsschulen aus Niedersachsen/Bremen angereist waren.
Die Tagung fand am Freitag, dem 28. März 2003, in Bad Zwischenahn und Samstag, dem 29. März, in den Berufsbildenden Schulen Ammerland statt. Obermeister, Lehrlingswarte, Vertreter von Handwerkskammern und Kreishandwerkerschaften, Berufsschullehrerinnen und -lehrer sowie Vertreter aus anderen Bundesländern haben sich zwei Tage lang mit Ausbildungsfragen und Themenfeldern der beruflichen Grund- und Fachbildung sowie der Weiterbildung im Tischlerhandwerk gewidmet.
Zum gegenwärtigen Stand der Berufsbildungspolitik aus betrieblicher Sicht referierte Hermann Meyer, Vorsitzender des Landes- und Bundesausschusses für Berufsbildung. Die momentan schwierige, wirtschaftliche Situation der Betriebe sei sicherlich als eine von mehreren Ursachen anzusehen, die zu der rückläufigen Tendenz der Ausbildungszahlen führe. Prognosen ließen befürchten, dass sich diese Tendenz in den nächsten Jahren noch weiter fortsetzen wird. Diese Ausbildungssituation sei keinesfalls zufrieden stellend.
Oberstudiendirektor Jürgen Kipsieker, Leiter der Berufsbildenden Schulen Melle, wies im Anschluss auf die unbefriedigende Situation im BGJ hin und forderte eine bessere Beratung der Bewerber/innen für das schulische BGJ. Zudem müsste die Berufsberatung des Arbeitsamtes darauf hingewiesen werden, dass ohne einen Schulabschluss das Ziel, den Tischlerberuf zu erlernen, nicht zu erreichen sei. Auch hinsichtlich der Ausbildungssituation der Lehrer/innen für Fachpraxis sieht er Handlungsbedarf; ohne qualifizierten Nachwuchs sei eine qualifizierte Ausbildung nicht leistbar.
Wolfgang Meyer, Regierungsdirektor im Kultusministerium, stellt nachfolgend die zukünftige Entwicklung der Berufsschulen zu „Regionalen Kompetenzzentren“ an den nunmehr gestarteten Modellversuch „PROREKO“ des Landes Niedersachsen vor. Deutlich wird hierbei, dass den Berufsschulen weitgehende Selbstständigkeit im Bereich der Personal- und Finanzmittel zur Verfügung gestellt werden sollen. Daneben gilt es, ein eigenständiges Schulprofil zu entwickeln und über ein noch einzuführendes Qualitätsmanagement ein hohes Niveau in der Ausbildungsleistung zu gewährleisten. Die Einführung fraktaler Organisationsstrukturen soll zudem dafür sorgen, dass die Entscheidungen und Verantwortlichkeiten dort getroffen und wahrgenommen werden, wo sie entstehen.
Die nachfolgenden Erläuterungen von Assessorin Claudia Dietrich, von der Handwerkskammer Oldenburg, über die Eigentumsverhältnisse beim Gesellenstück führten zu einer lebhaften Diskussion. Ein Urteil des LAG Köln vom 20. Dezember 2001 zur Frage der Eigentumsverhältnisse und zur Kostentragung am Gesellenstück (AZ 10Sa 430/01) präzisiere den rechtlichen Sachverhalt, so Dietrich. Danach sei es dringend anzuraten, vor Überlassung des Vorschlagrechts und vor Fertigung des Gesellenstücks zur Materialmehrkostenerstattung und zur Eigentumsfrage Klarheit durch eine gesonderte Vereinbarung zu treffen.
Der Vortrag von Professor Thomas Ziehe am Nachmittag zum Thema Pubertätserfahrung und Generationenverhältnis heute wurde sicherlich von vielen Teilnehmern als Höhepunkt der Tagung angesehen. Ziehe zeichnete Veränderungstrends bei Jugendlichen auf, wie die schwindende Bindung an Konventionen und Traditionen, geringe Strukturiertheit im Umgang mit Texten, Inhalten und Regelsystemen, die einer angemessenen pädagogischen Antwort bedürften: Zum einen müsse Jugendlichen die Möglichkeit gegeben werden, „fremde Welten“ zu erfahren, die sich vom Alltag unterscheiden. Lerninhalte und Lernsituationen müssten stark strukturiert werden. Der Stil des Lehrenden müsse sowohl ruhige Festigkeit als auch Zugewandtheit aufweisen. o
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