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Fidel mit Tasten

BM-Hobby: Musikinstrumentenbau
Fidel mit Tasten

Ein Kuriosum der traditionellen Volksmusik stellt die schwedische “Nyckelharpa” oder “Schlüsselfidel” dar. Die Ursprünge des in Skandinavien beheimateten Instrumentes gehen bis auf das 13. Jahrhundert zurück. Seine in frühen Zeiten angesehene Stellung in der Kirchenmusik büßte es im Laufe der Jahrhunderte ein und erlitt damit ein ähnliches Schicksal wie Dudelsack und Drehleier. Erst Anfang der 60er Jahre tauchte mit dem Erwachen des Interesses an alter Musik und historischen Musikinstrumenten die Nyckelharpa allmählich aus dem Dunst der Vergessenheit empor. Der Schwede Jan Ling schrieb 1967 über sie seine Doktorarbeit. Noch ist die Nyckelharpa-Fangemeinde und die Anzahl derer, die sie bauen, klein. Aber in den USA gibt es schon seit etlichen Jahren die ANA – American Nyckelharpa Association, die bislang hierzulande und auch in Europa noch ihresgleichen sucht.

Als ich die Nyckelharpa vor Jahren …
… zum ersten Mal mit ihren 39 Tasten sah, stand fest: Dieses Instrument wirst du weder bauen noch spielen. Aber auf einem Musikspielkurs traf ich einen promovierten Physiker, der ein solches Instrument mit einfachsten Mitteln gefertigt hatte. Bei meinem Besuch in seinem Haus in Leverkusen stand dann fest: Ich wage es! Ich erhielt von ihm die Baupläne und ein paar Detailfotos, die mir im Verlaufe des Baues sehr behilflich waren.

Anders als bei anderen Streichinstrumenten werden die beiden seitlichen Zargenteile der Nyckelharpa aus einem Stück Ahornholz gesägt. Nach dem Schleifen der sägerauhen Innenseiten leimt man die Zargenteile zusammen mit Hals- und Fußklotz auf den Boden auf. Für die Resonanzdecke wird feinjähriges Fichten-/Tannenholz oder Zedernholz verwendet.
Ersteres haben wegen ihrer guten Elastizität einen weicheren Klang, während Zedernholz wesentlich spröder ist und einen hellen, klaren Klang besitzt.
Gemäß Plan, sägen wir in der Resonanzdecke die f-förmigen Schall-Löcher aus, fertigen den Baßbalken an, der an die Unterseite der Decke geleimt wird, und schrägen die Zargenkanten in einem Winkel von etwa 10 bis 15 Grad nach außen hin ab, damit die Decke beim Aufleimen auf den Korpus eine klangfördernde, leichte Wölbung bekommt. Beim Leimen sollten möglichst viele Zwingen nicht zu fest am Rand angesetzt und hervorquellender Leim mit einem feuchten Tuch sofort weggewischt werden.
Genauigkeit ist auch beim Aussägen des Halses aus Ahornholz gefragt. Bevor wir die Kanten an der Unterseite des Halses griffgerecht abrunden, zeichnen wir auf die Halsoberseite die Mittellinie und die beiden langen Schlitze für die mechanischen Wirbel (je sechs auf einer Seite) auf und bohren sie, sowie die dazugehörigen Füh-rungslöcher, aus.
Jetzt können, ausgehend von der aufgetragenen Mittellinie, die Seitenpartien des Halses zum Kopf hin leicht konisch gehobelt werden. Zu beachten ist, daß die Mittellinie genau im rechten Winkel zu der Leimfläche für den Halsklotz steht und diese wiederum im 90 Grad Winkel zu der Oberseite des Halses.
Anschließend nuten wir quer zur Längsrichtung die Oberseite des Halses 10 mm breit und 5 mm tief für das Einleimen des Sattels aus.
Nun zeichnen wir mit einem weichen Bleistift die Mittellinie auf die Resonanzdecke. Fügen wir Hals und Korpus trocken zusammen, müssen beide Mittellinien eine durchgehende Gerade ergeben. Der besseren Stabilität wegen dübeln wir die Verbindung zwischen Hals und Korpus mit zwei oder drei Dübeln (6 oder 8 mm ø). Dabei muß der Hals bündig zur Resonanzdecke liegen.
Nach dem Anleimen des Halses an den Korpus können wir uns der Herstellung des Sattels, des Steges, der Stimme (eingeklemmter Holzstift zwischen Decke und Boden), des Melodiensaitenhalters samt dem Klotz, in den er hineingehängt wird, widmen.
Sind alle Teile soweit vorbereitet, leimen wir in die Nut des Halses exakt den senkrechten Sattel. Dann fertigen wir den sogenannten Aufsatz für die Melodiensaiten-Wirbel an, der leicht abgeschrägt und an den Sattel geleimt wird. Anschließend feilen und bohren wir die kleinen Halsverzierungen und schleifen die Oberseite des Halses.
Am Fuß des Korpus leimen wir das Aufhängklötzchen für den Melodiensaitenhalter und befestigen auch dieses mit zwei Holzdübeln, die in den Fußklotz hineinreichen müssen.
In die Oberseite dieses Klötzchens bohren wir schräg mit einem 6-mm-Bohrer ein etwa 40 mm tiefes Loch. In dieses führen wir einen entsprechend großen Stahlstift ein, der wiederum in den Melodiensaitenhalter ragt. Durch die Schrägbohrung hebt sich dieser von der Decke ab, wobei darauf geachtet werden muß, daß sein Haken am unteren Ende nicht den Deckenrand berührt. Sonst kann es durch den großen Saitenzug passieren, daß er die Decke einreißt.
Der Streichbogen
Zu der Nyckelharpa gehört ein kurzer Bogen. Die starke Wölbung am oberen Ende bewirkt, daß hier der Abstand zu den Roßhaaren größer ist als in der Nähe des Frosches, jener mechanischen Vorrichtung, mit der die Haare ge- und entspannt werden. Wer sich die Herstellung des Bogens nicht zutraut, kann das Zubehör bei untenstehenden Adressen besorgen. Frosch und Roßhaare können anderenfalls entweder beim Geigenbauer oder im Fachhandel (siehe unten) bezogen werden.
Die Produktion des Tangentenkastens mit seinen 39 Tasten ist zwar nicht schwierig, dafür aber langwierig. Auf die Oberseite des Halses werden zu-nächst die beiden Stützbrettchen für das Vorder- und Hinterteil des Kastens direkt an den Sattel geleimt. Die zum Steg weisenden Enden feilt man konkav aus.
Nun wird´s akribisch. Jede noch so winzige Ungenauigkeit führt hier zur totalen Verstimmung des Instruments, die kaum mehr behoben werden kann. Zunächst tragen wir gemäß Plan die Abmessungen des Vorderstücks des Kastens sowie die genaue Position der Führungsschlitze der Tasten auf, die wir mit Bleistift schraffieren. Die Schlitze schneiden und stemmen wir so aus, daß ein kammartiges Gebilde entsteht.
Zum Aussägen der Tastenlöcher der mittleren Reihe, müssen beide Seiten des Kastenvorderteils der Länge nach so durchgesägt werden, daß die Schnittlinie bündig zu den Oberkanten der Führungsnuten liegt.
Besondere Vorsicht ist bei den 22 Nuten der oberen Tastenreihe geboten, deren Wände in Richtung Steg immer dünner und somit immer brüchiger werden.
Vorder- und Hinterstück werden nun zur Probe mit ihren Führungsnuten paßgenau aufeinander gelegt. Dabei müssen die vorderen und hinteren Führungslöcher für die einzelne Taste eine völlig gleichmäßige und gerade Rutschebene bilden.
Jetzt beginnen wir mit dem Aufbau des Tangentenkastens. Wir leimen das vordere wie hintere Stück mit den beiden unteren Tastenreihen auf die Stützbrettchen und zwischen die geschwungenen Enden aus Stabilitätsgründen einen Steg. Dann sägen wir sieben Tastenrohlinge aus einem Stück Ahorn aus und passen jede einzelne Taste in ihrem Führungsschlitz genauestens ein, d. h. sie muß sich mit geringstmöglichem Spiel widerstandslos im Loch bewegen lassen.
Danach fertigen wir die zehn Tasten der mittleren Reihe an, von denen sieben eine ovale Öffnung haben müssen. Mit zunehmender Tonhöhe werden die Tasten schmäler, d. h., die Tonabstände werden immer kleiner. Auch sind sie in ihrem mittleren Teil breiter als in den vorderen und hinteren Führungsnuten. Mit einer geraden Brettchenkante kann man feststellen, ob die Oberseite der Tasten mit denen der Seitenwände bündig ist. Nun schrauben wir die beiden oberen Seitenteile des Tangentenkastens mit der oberen Tastenreihe auf die aufgeleimten unteren Seitenteile auf. Insgesamt 22 Tasten müssen wir herstellen, von denen die ersten sieben eine größere ovale Öffnung als die drei nachfolgenden haben müssen.
In den hohen Lagen der Diskantsaite wird es für einige Tasten einfach zu eng. Aus diesem Grunde haben die Tasten Nr. 11, 13, 16, 18 und 21 eine nach unten gebogene Form, so daß sie mit den mittleren Tasten eine Reihe bilden. Mit zunehmender Tonhöhe werden die oberen Tasten immer länger. Auch hier gilt: möglichst kein Spiel, weder horizontal noch vertikal. Und: Alle Tasten in ihrer jeweiligen Reihe durchnummerieren!
Die obere Tastenreihe des Tangentenkastens wird mit einem länglichen Schlußbrettchen verschraubt. In diesem Zustand überprüfen wir penibel die Leichtgängigkeit aller 39 Tasten. Klemmt irgendeine, muß vorsichtig nachgeschliffen werden. Danach setzen wir die Ahorn-Fähnchen, die beim Spielen gegen die Saiten drücken und so den gewünschten Ton erzeugen, in die Tasten ein.
Alle Fähnchen werden aus Ahorn in Längsmaserung geschnitzt. Von oben betrachtet haben sie die Form eines Tropfens. Das untere Endstück wird in der Länge der Tastenhöhe gerundet und anschließend in ein vorgebohrtes Loch der Taste gesteckt. Das Fähnchen kann ruhig etwas fester sitzen, muß aber exakt senkrecht stehen. Für die optimale Übertragung des Tons ist dies von entscheidender Bedeutung.
Alle aufgesteckten 39 Fähnchen sollten an ihrer Oberseite eine Ebene bilden. Deshalb sind die sieben unteren Fähnchen die längsten und reichen durch die mittlere und obere Tastenreihe. Etwas kürzer sind die mittleren Fähnchen, die nur durch die obere Tastenreihe ragen.
Der hintere, dem Spieler zugewandte, Teil des Tangentenkastens ist um 2 cm nach innen versetzt, wodurch ein Hohlraum entsteht, in den die Endpartien der Tasten um genau 3 mm hineinragen müssen. Dieser wird gleichmäßig mit einem entsprechend zugeschnittenen Stück Schaumgummi ausgefüllt und schließlich mit einem, der Form des Kastenhinterteils angepaßten Holzbrettchen mit ein paar versenkbaren Kreuzschlitzschrauben verschlossen. Der Sinn: Der Schaumgummi drückt die Tasten in ihre Ausgangslage zurück, fungiert also wie eine Art Feder. Im Fachhandel kaufen wir vier Cellosaitenfeinstimmer, ein Saiten-satz für 3/4 Cello – Empfehlung des Autors -, zwölf Stahlsaiten (für E- oder Country-Gitarre: g´, h´ und e´´), zwölf mechanische Wirbel (einzeln zu teuer, daher zwei Sets à sechs Stück) und lassen uns vom Geigenbauer aus Holz vier Wirbel für die Melodiensaiten herstellen. Die dafür erforderlichen Löcher bohren wir nach Bauplan ein und passen sie mit einem konischen Dorn den Wirbeln exakt an. Nun wird das Instrument rundum geschliffen und nur mit Leinöl eingelassen. Steg, Tasten und Fähnchen bleiben unbehandelt.
Die mechanischen Wirbel werden in die schon vorgebohrten Löcher gesetzt und am Hals festgeschraubt. In den Melodiensaitenhalter werden die Feinstimmer eingepaßt, die Saiten in die vorgesehenen Ösen eingehängt und mit den Wirbeln etwas angezogen. Die “Stimme” wird bei nur leichtem Widerstand etwa 1 cm hinter dem rechten Stegfuß zwischen Decke und Boden eingeklemmt.
Für die Aufhängung der zwölf Resonanzsaiten stehen zwei Versionen zur Verfügung:
1. Die Gitarrensaiten werden am Melodiensaitenhalter befestigt und laufen über den Sattel zu den mechanischen Wirbeln. Zu diesem Zweck werden in den Steg zwölf, etwa 5 mm tiefe Schlitze gesägt (keine Einkerbungen für die Melodiensaiten!). Vorteil: schnelles Auswechseln der Saiten und angeblich bessere Tonübertragung durch die vorgegebene Steghöhe. Nachteil: Resonanzsaiten können an Fähnchen scheppern, “Saitensalat” hinter dem Sattel bei den Wirbeln. Besonders gravierender Nachteil ist das Absacken um einen halben Ton, je nachdem welche Saitenart gestimmt wird. Erhöht sich durch Stimmen der Saitenzug der Resonanzsaiten, wird der der Melodiensaiten geringer (Ton fällt ab) und umgekehrt.
Bei der 2. Version werden die Melodiensaiten – sechs zu je einer Seite des Aufhänghakens des Melodiensaitenhalters – am Fuß des Instruments angebracht und über einen kleinen Steg unter dem großen Steg, und unterer Tastenreihe durch den Fuß des Sattels zu den Wirbeln, geführt. Zu diesem Zweck muß der Aufsatz für die Holz-wirbel unten etwas ausgehöhlt werden. Vorteile: Melodien- und Resonanzsaiten können unabhängig voneinander gestimmt werden, ohne daß die Stimmung der einen Saitenart die der anderen beeinträchtigt. Die Resonanzsaiten vibrieren nicht gegen die Fähnchen. Dadurch, daß der kleine Steg sich kurz vor oder kurz hinter dem großen Steg befindet, kann der kürzere, zum Fuß hin gerichtete, fächerförmige Teil der Resonanzsaiten mitschwingen. Auch gibt es keinen “Saitensalat”, da ja die Resonanzsaiten teilweise unterirdisch verlaufen. Nachteil: Beim Auswechseln der Resonanzsaiten müssen der ganze Tangentenkasten und alle Melodiensaiten demontiert werden.
Bei der Stimmung zieht der Autor folgende Variante vor: G – g – c´- g´, wobei das tiefe G nur eine Bordunsaite ist. Die Resonanzsaiten werden aufsteigend chromatisch gestimmt: g´, g#´, a´, b´, h´, c´´, c#´´, d´´, es´´, e´´´, f´´ und g´´.
Die Nyckelharpa hängt mittels eines über die Schulter gelegten Bandes vor dem Bauch, die Tasten zeigen nach unten und werden mit den Fingern der linken Hand – zumeist ohne Daumen – gedrückt, wobei die Handinnenfläche nach oben zeigt (möglich ist auch, das Instrument wie ein Cello zu spielen, indem es zwischen die Knie geklemmt wird). Der kleine Bogen wird fast senkrecht von oben nach unten gezogen. Ein länglicher Filzstreifen an der inneren Oberkante des Tangentenkastens dämpft das Klappern der Fähnchen der oberen Tastenreihe. Filze auf den einzelnen unteren Tasten verhindern ebenfalls das Klappern der Fähnchen in den ovalen Öffnungen.
Worauf wird noch gewartet? – Also rein ins Abenteuer des Nyckelharpabaus und sich von dem Klangerlebnis überraschen lassen, daß Holz und 16 Saiten hervorzaubern. n
Adressen:
Nyckelharpa und Zubehör: Karl Riedel, Marktplatz 11, 84533 Marktl am Inn, Tel. 0 86 78/ 91 93 77, Fax ~/91 93 79 Manesse Instrumenta, Am Erbsengarten 2, 35216 Dexbach, Tel. 0 64 61/24 77, Fax ~/57 96, E-Mail: poetamagic@aol.com
Baupläne:
Rudolf R. Jirka, Kaspar-Ett-Straße 11, 86922 Eresing, Tel. 0 81 93/45 40, E-Mail: minstrel.music@t-online.de
Werkzeug und Streichinstrumentenbauteile:
Dick GmbH, Postfach 1127, 94523 Metten/Niederbayern, Tel. 09 91/9 10 90, Fax ~/91 09 50
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