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„Ich kann so schlecht nein sagen“

Johannes Rettenbacher erhält Preis für besondere Ausbildungsleistungen im Handwerk
„Ich kann so schlecht nein sagen“

„Ich kann so schlecht nein sagen“
„Man muss immer nach vorne schauen.“ Was für ihn gilt, will Johannes Rettenbacher auch seinen Lehrlingen vermitteln. Im Dezember 2009 erhielt er den „Heribert-Späth-Preis“ für besondere Ausbildungsleistungen im Handwerk (Foto: Ulrich)
Der Schreiner Johannes Rettenbacher bildet mit viel Herzblut Lehrlinge aus – darunter sind auch „schwere Fälle“, Migranten mit geringen Sprachkenntnissen, schwache und verhaltensauffällige Jugendliche sowie Schulabbrecher. „Bisher haben alle die Prüfung geschafft“, sagt der Laufener stolz. Im vergangenen Jahr erhielt der 55-jährige den Heribert-Späth-Preis für besondere Ausbildungsleistungen im Handwerk.

Rein äußerlich hat er nichts mit Oliver Kahn gemein. Johannes Rettenbacher hat als Jugendlicher zwar auch mal Fußball gespielt – das war es aber schon an Gemeinsamkeiten des ehemaligen Mittelfeldspielers aus Laufen im Berchtesgadener Land und des ehemaligen Torwarts der Deutschen Fußball-Nationalmannschaft. Was sie eint, ist ihr starker Charakter, der Wille auch nach Niederschlägen wieder aufzustehen. „Immer weitermachen“ lautet beider Devise.

Nach Unfall: Umschulung statt Meisterprüfung
Im Juni 1978 hat Johannes Rettenbacher dieser Charakterzug geholfen, wieder ins Leben zurückzufinden. Bei einem Motorradausflug mit Freunden wurde er von einem Auto erfasst. Er verlor den linken Arm und das linke Bein, lag vier Monate im Krankenhaus. „Man muss immer nach vorne schauen“, sagt der 55-jährige mit fester Stimme: „Ich habe viele Behinderte kennengelernt, denen es noch viel schlechter ging, als mir. Man muss versuchen, aus jeder Situation das Beste zu machen.“ Er hadert nicht mit seinem Schicksal, obwohl er Grund dazu hätte: „Mit der heute üblichen Mikrochirurgie hätte ich meinen Arm vielleicht noch.“ Und damit wohl auch ein anderes Leben: „Ich war damals Schreinergeselle und bereits zur Meisterprüfung angemeldet“, erinnert sich der gebürtige Laufener. Da er seinen Beruf als Schreiner nicht mehr richtig ausüben konnte, begann er 1979 in Waldkraiburg eine Umschulung zum Bürokaufmann, die er im Sommer 1980 als Jahrgangsbester abschloss. Anschließend arbeitete er im Büro des elterlichen Betriebs. „Wenn dort nicht so viel zu tun war, habe ich in der Werkstatt mitgeholfen“, erzählt Rettenbacher. 1987 übernahm er gemeinsam mit seinem Schwager Josef Förg den 1955 gegründeten Schreinerei-Betrieb in Laufen im Berchtesgadener Land. Seitdem hat er im Unternehmen die kaufmännische Leitung, sein Schwager die handwerkliche. Aus damals fünf Mitarbeitern wurden in dieser Zeit 24, darunter drei Lehrlinge und drei Meister. 18 davon haben im Betrieb gelernt. Ende der 90er Jahre beschäftigte die Schreinerei Rettenbacher und Förg sogar 32 Mitarbeiter.
Das Unternehmen wuchs – die Produktionsfläche wurde auf 2 500 m² verdreifacht und der Maschinenpark modernisiert. Heute fertigt der Betrieb vor allem Türen, Fenster und Wintergärten für Wohn- und Bürogebäude. „Um wieder mehr Küchen anbieten zu können, bräuchten wir eine größere Ausstellung“, erklärt Rettenbacher. 95 Prozent der Aufträge erhält der Betrieb aus Oberbayern, lediglich fünf Prozent kommen aus dem benachbarten Österreich. „Dort kommt man als Nicht-Einheimischer nur schwer zum Zug“, berichtet er von seinen Erfahrungen.
Förderschüler mit 21 Jahren Betriebszugehörigkeit
Über 30 Lehrlinge wurden seit 1987 in der Schreinerei ausgebildet, jedes Jahr kommen ein bis zwei neue hinzu. „Ich habe gute Kontakte zur Berufsschule in Freilassing. Die fragen öfters nach, ob ich noch jemanden nehme. Und ich kann so schlecht nein sagen“, schmunzelt der Schreiner. Er hat schon viele „schwierige Fälle“ durch die Ausbildung geschleust, Migranten mit geringen Sprachkenntnissen, schwache und verhaltensauffällige Jugendliche sowie Schulabbrecher waren darunter. Oder zum Beispiel der ehemalige Förderschüler, der mittlerweile 21 Jahre im Betrieb arbeitet. „Bisher haben alle die Prüfung geschafft“, sagt der Laufener stolz. Viel Freizeit hat er in die Ausbildung seiner Lehrlinge investiert um z. B. den Stoff aus der Berufsschule mit ihnen zu rekapitulieren. Bei manchem habe allerdings nur der berühmte Tritt in den Hintern geholfen, erinnert sich der 55-Jährige mit einem Schmunzeln auf den Lippen. Er setzt nicht nur auf berufsfachliche, sondern vor allem auch auf soziale Kompetenzen. Als die Berufsschule ein Gästehaus in Freilassing baute, fertigten die Rettenbacher-Lehrlinge in seinem Betrieb gemeinsam mit Kollegen aus Dänemark und Italien Fenster und Türen. Außerdem organisiert Rettenbacher regelmäßig gemeinsame Aktivitäten wie Kegeln, Wandern, Skifahren oder Kartfahren.
Seine spärliche Freizeit verbringt er mit ausgedehnten Trike-Touren, die ihn letztes Jahr sogar bis an die Adria geführt haben. Die offenen, motorisierten Fahrzeuge mit einem Vorderrad und zwei Hinterrädern (bekannt u. a. aus dem Kinofilm „Zwei Nasen tanken Super“ mit Thomas Gottschalk und Mike Krüger) „lassen sich auch mit einem Arm gut steuern“, erklärt der Schreiner. Angst hat er keine, wenn er mit seinem Trike unterwegs ist, „passieren kann schließlich auch bei anderer Gelegenheit immer etwas.“
Deutsche Meisterschaft des Handwerks gewonnen
Im vergangenen Jahr erhielt der 55-Jährige bei der Schlussfeier des Leistungswettbewerbs des Deutschen Handwerks in Halle (Saale) den Heribert-Späth-Preis für besondere Ausbildungsleistungen im Handwerk. „Die Auszeichnung ist für alle aus dem Betrieb, die an der Ausbildung unserer Lehrlinge beteiligt sind, Lohn und Anerkennung für die Mühen der letzten Jahre. Der Preis ist wie die deutsche Meisterschaft, er wird nur einmal im Jahr verliehen“, betont Rettenbacher. Die Stiftung für Begabtenförderung im Handwerk vergibt den Ausbilderpreis seit 1997 jährlich an einen Betriebsinhaber im Handwerk, der sich durch besonderes Engagement für die Ausbildung von Jugendlichen auszeichnet. „Ohne engagierte Betriebsinhaber wie Johannes Rettenbacher hätte das deutsche Handwerk heute nicht den hohen gesellschaftlichen Stellenwert, den es verdient“, würdigte ihn Thomas Keindorf, Präsident der gastgebenden Handwerkskammer, in seiner Laudatio. Auch die Handwerkskammer für München und Oberbayern hat den Schreiner aus Laufen geehrt und mit der Silbernen Ehrennadel ausgezeichnet.
Die Begeisterung für seinen Beruf hat der 55-Jährige an drei seiner fünf Söhne vererbt, die ebenfalls Schreiner werden wollen. Der Älteste, Michael, absolviert zurzeit eine Ausbildung als Bürokaufmann. Läuft alles nach Plan, soll der heute 17-Jährige in acht bis zehn Jahren seinen Vater ablösen. Auch sein Kompagnon Josef Förg hat mit seinem 25-jährigen Sohn, der ebenfalls Schreinermeister ist, schon einen Nachfolger, der bereits im Unternehmen mitarbeitet.
Auch ohne Meistertitel ist Johannes Rettenbacher ein echtes Vorbild für die Jugend – noch etwas, das er mit Oliver Kahn gemein hat. ■
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