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Unter Kontrolle

Qualitätsmanagement
Unter Kontrolle

Anfang der 90er Jahre tauchte der Begriff Qualitäts-management (QM) zuerst in der Industrie auf. Ziel-setzung von QM ist, die Qualität der Produkte und Dienstleistungen durch die Einhaltung bestimmter Abläufe und Kontrollmechanismen zu erhöhen und konstant zu halten. Der Fachverband des Tischlerhandwerks NRW gab 1995 mit einem Pilotprojekt den Anstoß zur Einführung von Qualitätsmanagement im Tischlerhandwerk. Elf Betriebe machten mit. Die Anton Müther GmbH in Haltern hält sich bis heute an die QM-Regeln und hat sogar eine QM-Beauftragte.

Heike Bunde hat alles unter Kontrolle. Einmal in der Woche ist die freiberuflich tätige Qualitätsmanagement-Beauftragte vor Ort in Haltern bei der Firma Anton Müther. Seit 1996 unterstützt die 32-Jährige den Wintergarten- und Saunahersteller bei der Einhaltung der QM-Normen. „Wir haben uns von der Zettelwirtschaft zum Formularwesen entwickelt“, sagt Projektleiter Peter Fridag halb scherzend, halb ernst. Heike Bunde weiß, dass „der Papierkram“ bei den Tischlern – wie bei vielen Handwerkern – nicht beliebt ist.

Alle Prozesse, die im Betrieb ablaufen, werden schriftlich fixiert. Herzstück des Qualitätsmanagements sind die „Qualitätsregelkarten“, die zu jedem Auftrag gehören. Darauf werden sämtliche Daten registriert, die den Auftrag betreffen: Wer ist Auftraggeber? Welcher Mitarbeiter hat welche Arbeiten durchgeführt? Welche Vereinbarungen gibt es? Und so weiter. Jeder Mitarbeiter kann somit den Auftragsstand nachvollziehen und für den Kollegen einspringen.
Auch die Mängel werden auf den Regelkarten notiert – und seit 1999 statistisch ausgewertet. Die Zahlen sprechen für sich: 1999 lag die Fehlerquote bei 1,6 Prozent, im Jahr 2002 waren es nur noch 0,13 Prozent. Auch die Reklamationsstunden sind entsprechend gesunken. 1999 wurden 1360 Arbeitsstunden fürReklamationsarbeiten benötigt, im letzten Jahr waren es 712 Stunden. „Durch das Qualitäts-management sparen wir Zeit und Geld, die Arbeit läuft reibungsloser, außerdem erhöht sich die Kundenzufriedenheit“, sagt Ulrich Müther.
Der Anfang sei allerdings hart gewesen. Im Lehrgang sei man mit Informationen überschüttet worden. Die einjährige Einfüh-rungsphase sei Formalismus pur gewesen, deswegen habe die Erstellung der Dokumentationen anfangs viel Zeit gekostet. Inzwischen sind alle Betriebsprozesse geregelt und schriftlich fixiert. Zum Beispiel klären Funktionsdiagramme und Stellenbeschreibungen die Zuständigkeiten ab und Checklisten sorgen in allen Arbeitsbereichen für den Überblick.
Null Fehler sind Ziel
Jeden Mittwoch überprüft Heike Bunde, ob alles korrekt läuft. Ob die Tischler die Montagevorbereitungs-Checkliste oder die Werkstattabnahme-Liste vollständig ausgefüllt haben. Ob an die Lieferantenbewertung gedacht wurde und, ob alle Mitarbeiter das oberste Firmenziel „Null Fehler“ verfolgen. „Qualitätsmanagement funktioniert nämlich nur, wenn alle mitmachen“, stellt Heike Bunde klar.
Jeder Mittwoch beginnt mit dem „Meeting“. Am runden Tisch kommen dann Geschäftsführer Ulrich Müther, Heike Bunde, die beiden Projektleiter Peter Fridag und Gisbert Hoh sowie Burkhard Laschinger aus der Verwaltung zusammen, um über die Betriebsereignisse der vergangenen Woche zu reden. Schließlich beinhaltet Qualitätsmanagement Erfolgskontrolle und Fehler-analyse.
Das Meeting beginnt gleich mit dem Unerfreulichsten, dem Finanzstatus. Die Runde klärt ab, warum welcher Kunde nicht zahlt, ob Mahnungen nötig sind oder schon zum Erfolg geführt haben. „Die Zahlungsmoral lässt oftmals zu wünschen übrig“, klagt Ulrich Müther, aber gerade deswegen müsse man am Ball bleiben und die Kunden so gut wie möglich zufrieden stellen. Folgerichtig steht als nächster der Punkt „Mängelbeseitigung“ auf der Tagesordnung.
Die Kundenbeschwerden werden ernst genommen und die Mängel schnell beseitigt. Doch damit ist es nicht getan. Das Team erforscht auch die Fehlerursache und sucht nach Vermeidungsstrategien.
Manchmal lassen sich die Fehler mit ganz banalen Methoden aus der Welt schaffen. „Wir hatten anfangs bei den langen Wintergartenscheiben häufiger Glasbruch“, erzählt Heike Bunde, „bis wir darauf gekommen sind, dass die Scheiben auf zu kurzen Böcken gelagert wurden.“ Vermieden werden viele Fehler durch regelmäßige Kontrolle der Arbeitsgeräte und durch die Maschinenwartung. „Im ersten Jahr waren 30 Prozent der Messinstrumente, egal, ob Winkelmesser, Wasserwaage, Laser, schrottreif“, gibt Ulrich Müther zu. Dass dadurch Fehler produziert wurden, sei klar. Doch auch mit korrekten Geräten sind Messfehler nicht ausgeschlossen, deswegen gilt bei dem Wintergartenhersteller das Vier-Augen-Prinzip: Ein Mitarbeiter macht das Aufmaß fürs Angebot, ein weiterer misst gründlich nach, wann der Auftrag durchgeführt wird.
Auch die Lieferanten stehen bei der Müther GmbH jetzt auf dem Prüfstand. Beispielsweise werden Qualitätsmängel bei Leimhölzern registriert und der Reparaturaufwand in Rechnung gestellt. Der für das Bestellwesen zuständige Mitarbeiter bewertet jeden Lieferanten nach einem Punktesystem. Häufen sich die Mängel, wird über günstigere Konditionen verhandelt oder der Lieferant gewechselt.
Fehler aufspüren und beseitigen macht Heike Bunde richtig Spaß. Oftmals sind mehrere Akteure an dem Prozess beteiligt. Kundenreklamationen geben meist den Anstoß. So wie neulich, als sich ein Kunde über sein verkratztes Wintergartendach beschwerte. Die Kratzer waren erst bei der Montage vor Ort entstanden, weil die Mitarbeiter auf dem Dach laufen mussten. Dieser Fehler war schon mal aufgetreten. Was tun? Überschuhe schienen die Lösung. „Viel zu rutschig“, meinten die Arbeitsschützer. „Wir haben uns dann vom Glashersteller schriftlich bestätigen lassen, dass die Monteure mit sauberen Schuhen das Dach betreten dürfen“, erklärt Heike Bunde. Zeigt her eure Schuhe, heißt es jetzt, bevor die Mitarbeiter den Kunden aufs Dach steigen. Heike Bunde wird nicht müde, den 20 Mitarbeitern einzuschärfen, dass alle Mann daran mitwirken müssen, die QM-Normen zu erfüllen. Dazu gehört an erster Stelle, dass sämtliche Formulare vollständig und gewissenhaft ausgefüllt werden. Und leserlich. „Der Schreibkram hält sich in Grenzen“, meint Geselle Uwe Bars, „und ist auch notwendig. Wir bekommen oft fünf bis sechs Kommissionen am Tag, da muss alles gut kontrolliert werden, damit nichts durcheinander kommt.“
Um die Qualität der Dienstleis-tungen zu erhöhen und auf hohem Niveau zu halten, nehmen die Mitarbeiter regelmäßig an Fortbildungen teil. Im „QM-Ausweis“, den jeder Mitarbeiter erhält, wird darüber Buch geführt. Die Fortbildungen beziehen sich nicht nur auf fachliches Know-how wie zum Beispiel Montageschulung oder Dübeltechnik, sondern beinhalten auch Kommunikationstraining. Wie treten wir beim Kunden auf? Wie empfangen wir die Kunden in unseren Ausstellungsräumen? Wie informieren wir den Kunden auf der Baustelle? Fragen dieser Art stehen im Vordergrund. Alle 20 Mitarbeiter mussten zudem an einem Seminar zum Thema „Vermeidung von Kommunikationsproble-men“ teilnehmen. Darin ging es um leserliche Aufträge, Auflistung von Zusatzarbeiten, die nicht im Angebot enthalten sind, bis hin zur Materialauflistung.
Der Betrieb Anton Müther GmbH ist ein zertifizierter QM-Betrieb. Einmal im Jahr kommen Prüfer von der Dekra ins Haus zum so genannten Audit. Diese Zertifizierer kontrollieren, ob alle Vorschriften und Arbeitsabläufe der Norm EN ISO 9002 entsprechen. Dieses Audit ist nicht billig, es kostet circa 3000 Euro. „Viele Handwerker fragen sich, ob der Aufwand im Verhältnis zum Ertrag steht“, sagt Helmut Haybach, Berater beim Technologie-Zentrum Holzwirtschaft (TZH) in Lemgo.
Das TZH hatte Mitte der 90er Jahre elf Tischlerbetriebe fürs Qualitätsmanagement geschult. „Heute sind nur noch drei Betriebe zertifiziert“, sagt Haybach, „aber die Grundzüge des QM haben viele beibehalten.“ So will es auch Ulrich Müther in Zukunft machen. Er will auf die teure Zertifizierung verzichten, aber die hohen Qualitätsmanagement-Standards einhalten. „Ich hatte QM anfangs als Marketinginstrument gesehen“, erklärt der 52-jährige Geschäftsführer. Doch die meisten Kunden könnten mit dem QM-Siegel nichts anfangen, nur ein Auftraggeber habe das Siegel gefordert.
Nicht schleifen lassen
„Insgesamt hat sich die Einführung des Qualitätsmanagements für unseren Betrieb gelohnt“, meint Ulrich Müther, „der Nutzen ist größer als der Aufwand.“ Auch seine Mitarbeiter sehen das so. „Wenn man die QM-Prozesse mal schleifen lässt, schleichen sich sofort mehr Fehler ein“, ist die Erfahrung von Projektleiter Gisbert Hoh. „Wenn wir dreimal hintereinander die Mittwochsbesprechung ausfallen lassen, häufen sich Fehler wie doppelt bezahlte Rechnungen, falsche Bestellungen, liegen gebliebene Aufträge und so weiter.“ Deswegen wird QM-Beauftragte Heike Bunde auch in Zukunft mit wachsamen Auge durch den Betrieb gehen und die Mitarbeiter an den Vorsatz „Null Fehler“ erinnern.
Claudia Schneider
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