1 Monat GRATIS testen, danach für nur 9,90€/Monat!
Startseite » Aktuelles » Markt & Branche »

»Kein Sprint, sondern ein Marathon«

Im BM-Interview: TSD-Präsident Thomas Radermacher
»Kein Sprint, sondern ein Marathon«

Der Einbruch beim Neubau rückt zunehmend die energetische Sanierung und Modernisierung in den Fokus. TSD-Präsident Thomas Radermacher sieht das Tischler- und Schreinerhandwerk dabei in einer Schlüsselrolle. Von der Politik fordert er entschlossenes, schnelles und unbürokratisches Handeln.

BM-Chefredakteur Christian Närdemann

BM: Der Neubau bricht aktuell deutlich ein. Was passiert da gerade?

Thomas Radermacher: Das ist ein klassischer Fall von angstbedingter Konjunkturkrise, befördert durch Zins- und Baukostensteigerungen, Inflation und einem allgemeinen wirtschaftlichen Missempfinden, was dazu führt, dass private Bauherren und Investoren vorsichtig werden und Investitionen mindestens zurückstellen. Die Zahl der Baugenehmigungsanträge ist bereits um 40 % zurückgegangen. Schon gekaufte Baugrundstücke werden zurückgegeben und zu allem Überfluss werden die Verbraucher durch die unklare Gesetzeslage und die ungewissen Fördermaßnahmen auch noch total verunsichert. Wir brauchen dringend neue Wohnungen, aber der Wohnungsbaumarkt bricht aktuell ein. Hinzu kommt, dass die Bürokratie und die Langsamkeit der Genehmigungsprozesse wie Mehltau auf der Baukonjunktur liegen.

BM: Das beflügelt die energetische Sanierung und Modernisierung. Welche Rolle spielt das Tischler- und Schreinerhandwerk dabei?

Thomas Radermacher: Eine sehr bedeutende, denn der Fokus des Tischler- und Schreinerhandwerks schwenkt im Bauproduktebereich zunehmend auf die energetische Gebäudesanierung und Modernisierungsmaßnahmen um. Die Flexibilität, die unsere Betriebe in den zurückliegenden Krisenjahren noch mehr verinnerlicht und bewiesen haben, hilft dabei. Außerdem haben wir den großen Vorteil, dass wir unsere Produkte stark individualisieren können. Soll heißen, der Kunde muss nichts „von der Stange“ nehmen – wir können jeden Sonderwunsch erfüllen, uns auf alle Anforderungen und Vorstellungen unserer sehr anspruchsvollen Kundschaft einstellen. Geht nicht – gibt’s nicht!

BM: Wie sollten sich Tischler- und Schreinerbetriebe vor diesem Hintergrund positionieren?

Thomas Radermacher: Insbesondere bei der Gestaltung und Umsetzung der Energiewende kommt die Kompetenz der Tischler- und Schreinerbetriebe in wesentlichem Maße zum Tragen. Das oftmals große, flexible und gemischte Fertigungsprogramm macht sie unabhängiger von marktspezifischen Schwankungen, wie jetzt aktuell im Baubereich. Betriebe, die sich in den zurückliegenden Jahren und Jahrzehnten auf Bautischlerarbeiten, also klassischen Fenster- und Türenbau, spezialisiert haben, können aufgrund des Nachfrageeinbruchs im Neubau auf den Sanierungsbereich umschwenken. Dort besteht enormer Bedarf und die Kompetenzen dafür sind ohne Wenn und Aber vorhanden.

In der öffentlichen Wahrnehmung wird leider immer nur von Heizungen, also Wärmepumpen und Photovoltaik, als Retterinnen vor der Energiekrise und der Klimakatastrophe geredet. Mir ist das zu kurz gesprungen. Zunächst einmal muss ein Gebäude hinsichtlich der Hülle und deren energetischer Wirksamkeit überprüft werden. Es ist vollkommen sinnlos, zuerst die Heizung und deren Strombedarf zu sanieren, wenn ich noch gar nicht weiß, wie hoch der Energiebedarf ist, wenn Fassade, Fenster und Türen, das Dach und so weiter ertüchtigt sind. Und dabei spielt das Tischler- und Schreinerhandwerk eine mitentscheidende Rolle. Alles wird am Ende davon abhängen, dass die Politik die richtigen Signale und Anreize setzt.

BM: Apropos Politik, die steht zunehmend in der Kritik. Wird hier richtig priorisiert? Schafft die Politik die richtigen Rahmenbedingungen und Förderanreize? Oder werden da falsche Signale ausgesendet?

Thomas Radermacher: „14 Punkte gegen die Wohnbaukrise“ lautete die Überschrift der Ergebnisse nach dem Krisentreffen der Bau- und Immobilienbranche mit dem Bundeskanzler am 25. September. Ich muss zugeben, wie im Übrigen viele andere auch: Die Aufstellung eines solchen Konjunkturprogramms – was es ja am Ende ist – hätte ich der Bundesregierung gar nicht zugetraut. Unter anderem soll mit Förderprogrammen für Bauherren und entsprechenden Steuervorteilen der Krise entgegengesteuert werden. Schnellere Abschreibungen sollen die Refinanzierung sichern und ein höherer Klimabonus beim Heizungstausch auch für Wohnungsunternehmen gelten. Außerdem soll die Neubauförderung reformiert werden – ein seit Langem überfälliger Schritt – und bei den Energiestandards soll ein verträgliches Maß zwischen Klimaschutz und Kosten hergestellt werden, heißt:
EH 55 statt EH 40. Insgesamt sind das viele wichtige Aspekte und Impulse, die helfen können, so sie denn schnell und unbürokratisch umgesetzt werden. Und genau da stellt sich eine wichtige Frage: Können wir in diesem Land noch schnell und unbürokratisch? Ich hoffe es und hoffe auch, dass die Skeptiker und Kritiker zunächst mal konstruktiv daran mitarbeiten, dass die vielen ungelösten Fragen und noch auszuarbeitenden Durchführungsdetails präzisiert und beantwortet werden.

BM: Was fordert das Handwerk beziehungsweise Tischler Schreiner Deutschland noch von der Politik?

Thomas Radermacher: Wir brauchen eine verlässliche Gesetzgebung, entsprechende Rahmenbedingungen und Förderlandschaften. Zudem ist die Planungssicherheit bei den Bauherren von besonders großer Bedeutung. Die Energiewende und die energetische Gebäudesanierung sind kein Sprint, sondern ein Marathon.

Auch die Verkehrswende darf nicht so weit gehen, dass unsere Betriebe nicht mehr in die Innenstädte kommen. Dort brauchen wir Parkraum und schnelle Genehmigungsverfahren. Und schließlich muss der Passus, dass die Holzreste, die in unseren Betrieben als Kuppelprodukte in der Produktion entstehen, nicht mehr verfeuert werden dürfen, aus dem Gebäudeenergiegesetz raus. Das ist eine große Gefahr für drei Viertel unserer Tischler- und Schreinerbetriebe, die ihre wärmeenergetische Unabhängigkeit über derartige Verfahren sichern, zudem die Umwelt entlasten und teure Entsorgung vermeiden. Alles andere wäre absurd.

Die Fragen stellte BM-Chefredakteur
Christian Närdemann.

Herstellerinformation
BM-Gewinnspiel
Herstellerinformation
BM-Titelstars
Herstellerinformation
Im Fokus: Vernetzte Werkstatt

Herstellerinformation
Im Fokus: Vakuumtechnik
Herstellerinformation
BM auf Social Media
BM-Themenseite: Innentüren
Im Fokus: Raumakustik
_6006813.jpg
Schallmessung in der Praxis: Michael Fuchs (r.) und Simon Holzer bei raumakustischen Messungen in einem Objekt (Friseursalon Max in Wallersdorf). Foto: Barbara Kohl, Kleine Fotowerkstatt
Im Fokus: Gestaltung
Alles bio? Nachhaltigkeit im Tischler- und Schreinerhandwerk

BM Bestellservice
Vielen Dank für Ihre Bestellung!
Sie erhalten in Kürze eine Bestätigung per E-Mail.
Von Ihnen ausgesucht:
Weitere Informationen gewünscht?
Einfach neue Dokumente auswählen
und zuletzt Adresse eingeben.
Wie funktioniert der BM Bestellservice?
Zur Hilfeseite »
Ihre Adresse:














Die Konradin-Verlag Robert Kohlhammer GmbH erhebt, verarbeitet und nutzt die Daten, die der Nutzer bei der Registrierung zum BM Bestellservice freiwillig zur Verfügung stellt, zum Zwecke der Erfüllung dieses Nutzungsverhältnisses. Der Nutzer erhält damit Zugang zu den Dokumenten des BM Bestellservice.
AGB
datenschutz-online@konradin.de