Trübsinnig starre ich durch die regennasse Windschutzscheibe auf die endlose Autoschlange, die sich farblos an mir vorbei schiebt. Doch da! Plötzlich wird es hell: Ein knallgelber Lastwagen mit roten Akzenten überquert die Kreuzung. Den kenne ich: Michael Russ Holztechnik.
Michael Russ ist einer der Kleinen der Branche: Der Schreinermeister beschäftigt nur einen Gesellen. Die Werkstatt teilt er sich mit einem Fensterbau-Betrieb. Aber eines hat er und das ist ein Fuhrpark, der sich sehen lassen kann. Alles in Knallgelb lackiert. Das Gelb ist seine Geschäftsfarbe, plus rot-schwarzem Logo. Das sticht ins Auge. Neu sind die Fahrzeuge nicht. Aber immer perfekt in Schuss. Der Vater von Michael Russ, ein gelernter Kfz-Mechaniker, hilft bei der Instandsetzung. Zugegeben: Michael Russ ist stolz auf seinen Fuhrpark. Eine rollende Reklame.
Neben zwei Transportern und einem LKW gibt es einen Anhänger und vier Container-Aufsätze für den Laster. In einem der Aufsätze können komplette Küchen, die fertig zur Montage sind, sicher verstaut und zum Kunden transportiert werden. Der Anhänger ist als Ausstellungsraum mit verschiedenen Küchenmodulen ausgestattet: Das mobile Küchenstudio kommt auf Wunsch zum Kunden. Manchmal nutzen es Kollegen, normalerweise steht es jedoch neben der Werkstatt und weckt mit seiner roten Schrift und dem überdimensionalen Foto einer Küche die Aufmerksamkeit der vorbeifahrenden Autofahrer. Wenn dann einmal im Jahr ,Tag der offenen Tür‘ ist, reißt die Schlange der Interessenten nicht ab.
Michael Russ bietet Innenausbauarbeiten nach Kundenwunsch und verkauft Küchen der Firma Rempp. Verkaufen kann er. In früheren Jahren hat er längere Zeit im Verkauf gearbeitet. Verkaufen und Organisieren seien heute seine wichtigsten Aufgaben, sagt er.
Zwar geht es auch in der Werkstatt nicht ohne ihn, aber eigentlich … Michael Russ lächelt: „In der Werkstatt führt mein Geselle Regiment. Ernst ist viel schneller als ich“, daraus macht der Chef keinen Hehl. „Dem kann ich nichts mehr vormachen.“ Ein gutes Team sind sie. Um ihn zu halten, tut Russ einiges: Übertarifliche Bezahlung ist selbstverständlich; ein Mittagessen beim Dorfwirt muss regelmäßig drin sein; das Handy hat er seinem Gesellen genauso zur Verfügung gestellt wie das Firmenfahrzeug mit komplettem Montagewerkzeug. Ein angenehmer Nebeneffekt: So trägt auch der Geselle dazu bei, dass man das Gelb der Russ Holztechnik häufig sieht.
Das Gelb macht graue Tage hell. Und erinnert mich hinter der regennassen Windschutzscheibe daran, dass ich eigentlich gerne noch einen Einbauschrank im Flur hätte.
Regina Adamczak
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