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Erlaubte Abweichungen und Anwendungsgrenzen

Regelwerk „Handwerkliche Holztreppen“
Erlaubte Abweichungen und Anwendungsgrenzen

Das „Regelwerk Handwerkliche Holztreppen“ beschreibt verbindlich, welche Treppen mit welchen Abmessungen und Verbindungsmitteln dem Stand der Technik entsprechen und standsicher sind. Unter bestimmten Voraussetzungen sind Abweichungen (Dicke der Trittstufen, Wangenquerschnitt, Ersatz durchgehender Gewindestangen) möglich. Dies erfordert allerdings zwingend einen Gleichwertigkeitsnachweis. Prof. Dr.-Ing. Achim Irle erläutert, was dabei zu beachten ist.

Über viele Jahrzehnte hinweg bestand eine Rechtsunsicherheit, was unter einer handwerklich gefertigten Holztreppe zu verstehen ist. Für solche Treppen wurde in der Regel kein statischer Nachweis erbracht. Wie diese handwerkliche Lösung auszuführen war, konnte man dem einen oder anderen Fachbuch oder einschlägigen Veröffentlichungen entnehmen. Eine klare Richtlinie fehlte jedoch.

Dies änderte sich im Jahr 1998, als das „Regelwerk Handwerkliche Holztreppen“ [1] erschien. Jahrhunderte alte handwerkliche Erfahrungen flossen in dieses Regelwerk ein. Aufgrund umfangreicher Berechnungen und vieler Bauteilversuche wird darin festgelegt, welche Treppen mit welchen Abmessungen und Verbindungsmitteln dem Stand der Technik entsprechen und standsicher sind. Die erste Auflage des Regelwerkes beschränkte sich auf Laubhölzer. Weitere Untersuchungen und Berechnungen, darunter die Ergebnisse der Veröffentlichungen [2], [3] und [4] führten 1999 bereits zur zweiten Auflage des Regelwerks. In dieser Auflage sind Nadelhölzer mit aufgenommen. Die jahrelange Arbeit im Gemeinschaftsausschuss wurde kritisch durch das DIBt in Berlin begleitet.
Im Jahr 2002 wurde die ETA-Leitlinie [5] für vorgefertigte Treppenbausätze verabschiedet. Einzelheiten zur Einführung finden sich im Schrifttum [6]. Diese Leitlinie ist die Grundlage für die Erteilung von europäischen technischen Zulassungen (ETA´s) für vorgefertigte Treppenbausätze. Ausgeschlossen vom Geltungsbereich der ETAG 008 sind u. a. „traditionell vorgefertigte Treppen aus massivem Holz, die im Einzelfall auf individuelle Bestellung hergestellt werden“. Unter den so bezeichneten Treppen werden Treppen nach dem Regelwerk verstanden.
Handwerkliche Holztreppen, die gemäß den Anforderungen des Regelwerks Holztreppenbau hergestellt und montiert werden, bedürfen keines weiteren Nachweises der Standsicherheit und auch keiner ETA.
Zulässige Abweichungen vom Regelwerk
Die bisherige Regelung sieht vor, dass für handwerkliche Holztreppen bei einer Abweichung vom Regelwerk die Gleichwertigkeit mit dem Regelwerk durch den Hersteller in Eigenverantwortung nachzuweisen ist. Allerdings ist nicht klar abgegrenzt, ab wann eine Wangentreppe in ihrer Konstruktion prinzipiell nicht mehr dem Regelwerk entspricht. Ohne Abgrenzungskriterien besteht für den Hersteller Unklarheit, ob eine allgemeine bauaufsichtliche Zulassung erforderlich wird.
Die Schaffung allgemeiner Abgrenzungskriterien ist relativ schwer. Für häufig auftretende Anfragen hat der Sachverständigenausschuss „Treppen“ im Deutschen Institut für Bautechnik in Berlin am 8. Mai 2003 verschiedene Regelungen beraten und beschlossen.
Abweichung der Dicke bei Trittstufen: Das Regelwerk sieht für Treppen ohne Setzstufen eine Mindestdicke der Trittstufen von 50 mm vor. Es unterscheidet nicht zwischen Laub- und Nadelhölzern. Sollen Trittstufen dünner ausgeführt werden, so ist der Nachweis zu erbringen, dass die Durchbiegung der Stufen unter Eigengewicht gk und einer Einzellast Qk = 2,0 kN an ungünstigster Stelle kleiner als das Maß L/200 ist. Bei der Dimensionierung ist ein Vorhaltemaß von 2 mm zu berücksichtigen. Der E-Modul ist nach DIN 1052-1:1988-04 anzusetzen. Ferner ist der Spannungsnachweis nach DIN 1052-1:1988-04 zu führen.
Verminderung des Wangenquerschnittes: Die größte Durchbiegung des Treppenlaufes ist unter Eigengewicht und Verkehrsflächenlast qk = 3,5 kN/m² auf das Maß L/200 zu begrenzen. L ist dabei die Lauflänge in der Systemlinie. Der Spannungsnachweis ist nach DIN 1052-1:1988-04 zu führen. Bei der Dimensionierung sind die Abmessungen um ein Vorhaltemaß von 2 mm zu vergrößern. Der E-Modul ist nach DIN 1052-1:1988 -04 anzusetzen.
Zusätzlich ist auch der Nachweis auf Begrenzung der Seitenschwingung zu erbringen. Unter Eigengewicht und einer Einzelmasse von 100 kg an ungünstigster Stelle muss die erste Eigenfrequenz größer 5 Hz sein. Die Dicke der Wangenträger sollte 45 mm nicht unterschreiten.
Vorsorglicher Warnhinweis: Bei einer Summierung mehrerer abweichender Konstruktionsmerkmale – z. B. Stufendicke + Wangendicke + Tiefe der Einstemmung + Systemverbindung + … – kann sich das Tragverhalten einer Treppe derart verändern, dass eine solche Treppe nicht mehr als Treppe nach dem Regelwerk angesehen werden kann.
Wangentreppen, deren Trittstufen über Wangenverbinder an die Wangen angebunden werden, entsprechen aufgrund ihres Konstruktionsprinzips generell nicht dem Regelwerk. Das Tragverhalten dieser Treppen unterscheidet sich wesentlich von Treppen mit eingestemmten oder eingeschobenen Trittstufen. Diese Treppen benötigen als Verwendungsnachweis eine europäische technische Zulassung oder auch eine Zustimmung im Einzelfall.
Durchbiegungsnachweis bei Stufen – einige Beispiele
Gerade Trittstufe: Für eine gerade Trittstufe lässt sich der Durchbiegungsnachweis relativ einfach mit Formeln aus der Baustatik führen. Im folgenden Beispiel wird der Nachweis für eine Buchenholztrittstufe mit einer Dicke von 42 mm erbracht. Die Stufe ist 1,30 m lang und 30 cm breit. Nach DIN 1052 hat der Elastizitätsmodul die Größe E = 11000 N/mm².
Das Eigengewicht der Stufe beträgt bei einer Wichte von 6,50 kN/m³ (Dichte 650 kg/m³):
gk = 0,30 x 0,042 x 6,5 =
0,082 kN/m
Bei der Berechnung des Trägheitsmomentes ist das Vorhaltemaß von 2 mm abzuziehen. Es hat dann den Betrag:
I = b x h³/12 = 30 x 4,0³ /12 =
160 cm4
Mit Hilfe der Durchbiegungsgleichungen aus der Baustatik erhält man für die Durchbiegung f des hier gezeigten statischen Systems und dessen Belastung (Abb. 1):
f = 0,17 + 5,20 = 5,37 mm
zul f = 1300/200 = 6,50 mm
Damit ist der Nachweis erbracht.
Nachweis einer Eckstufe: Für die Systemlängen kann hier eine Idealisierung nach Abb. 2a und 2b angenommen werden. Abb. 3 zeigt den Grundriss und das statische System einer Stufe mit 1,40 m Länge. Die Stufe soll aus Nadelholz mit einer Dicke von 47 mm ausgeführt werden. Der erforderliche Nachweis kann mit einem Rechenprogramm erfolgen, welches Stäbe mit veränderlichem Querschnitt verarbeiten kann.
Der Abstand a wird iterativ bestimmt und ergibt sich hier zu 61 cm. Nach Abzug des Vorhaltemaßes von 2 mm wird der Nachweis einer 45 mm dicken Nadelholzstufe mit einem E-Modul von E = 10 000 N/mm² geführt.
Die elektronische Berechnung liefert hier eine Durchbiegung von 7,04 mm. Die zulässige Durchbiegung L/200 = 7,0 mm ist damit also geringfügig überschritten. Das Biegemoment unter der Einzellast hat einen Wert von 0,71 kNm und das zugehörige Widerstandsmoment den Wert W = 21,3 x 4,5²/6 = 71,9 cm³.
Die Biegespannung liegt damit unter 10 N/mm² und ist nicht maßgebend. Damit nun die zulässige Durchbiegung nicht überschritten wird, muss die Stufendicke auf 47,5 mm vergrößert werden.
Vorsorglicher Hinweis: Nach den beschriebenen Regeln lässt sich die Mindestdicke von Trittstufen in Bezug auf deren Standsicherheit und Durchbiegung ermitteln. Erfahrungsgemäß neigen jedoch dünnere Trittstufen zum Knarren von Treppen. Dieser Umstand ist stets mit zu bedenken und bei der Festlegung der Stufendicke zu beachten.
Welche Faktoren die Stufendicke beeinflussen
Biegebeanspruchung: Eine dünnere Stufe hat eine geringere Bruchlast. Der Widerstand gegen statischen Bruch vergrößert sich mit dem Quadrat der Querschnittsdicke. Das bedeutet:
  • Doppelte Dicke: Vierfache Bruchlast oder 25 % der Biegespannung.
  • Halbe Dicke: 25 % der Bruchlast oder 4-fache Spannung.
  • Bei einer Verminderung der Stufendicke von 50 auf 40 mm vermindert sich der Bruchwiderstand um den Faktor: f = (40/50)² = 0,8 x 0,8 = 0,64, also auf 64 % (Abb. 4).
Eine längere Stufe hat eine geringere Bruchlast. Die Bruchlast vermindert sich, wenn man den geringen Einfluss des Eigengewichts vernachlässigt, mit dem Kehrwert des Längenverhältnisses. Das bedeutet:
  • doppelte Stufenlänge = halbe Bruchlast.
  • halbe Stufenlänge = doppelte Bruchlast.
Vergleicht man nun eine Stufe von 1,40 m Länge mit einer Stufe von 1,00 m, dann vermindert sich die Bruchlast auf 71,4 %, also um den Faktor 1,00 / 1,40 = 0,714. Abb. 5 zeigt die prozentualen Abweichungen.
Fasst man die beschriebenen Effekte zusammen und vergleicht eine Stufe mit d = 50 mm und L = 1,00 m mit einer Stufe d = 40 mm und L = 1,40 m, so vermindert sich die Bruchsicherheit um den Faktor:
f = (40/50)² x (1,00/1,40) = 0,8 x 0,8 x 0,714 = 0,457 ( 45,7 %)
Durchbiegung: Auch hier wird näherungsweise der Eigengewichtsanteil vernachlässigt. Rechnerisch nimmt die Durchbiegung mit der dritten Potenz der Verminderung der Stufendicke zu. Bei einer Änderung von 50 auf 40 mm beträgt der Vergrößerungsfaktor: f = (50/40)³ = 1,25 x 1,25 x 1,25 = 1,95 (195 %). Abb. 6 zeigt den prozentualen Anstieg der Durchbiegung. Ähnlich sind die Verhältnisse bei einer Vergrößerung der Stufenlänge. Bei doppelter Länge ergibt sich die 8-fache Durchbiegung. Die Zunahme erfolgt mit der 3. Potenz des Längenverhältnisses. Bei einer Vergrößerung von 1,00 m auf 1,40 m vergrößert sich die Durchbiegung um den Faktor: f = (1,40/1,00)³ = 1,40 x 1,40 x 1,40 = 2,74 (274 %). Abb. 7 zeigt den prozentualen Anstieg der Durchbiegung.
Verändert sich eine Stufe mit d = 50 mm und L = 1,0 m auf d = 40 mm und L = 1,40 m, dann vergrößert sich die Durchbiegung um folgenden Faktor: f = (50/40)³ x (1,40/1,00)³ = 5,36.
Verminderung des Wangenquerschnitts
Für geradeläufige Treppen ist der Durchbiegungsnachweis in der Regel nach den bekannten Gleichungen der Baustatik zu führen. Der Durchbiegungsnachweis von Treppen mit gewendeltem oder gekrümmtem Grundriss erfordert hingegen eine dreidimensionale Systemanalyse mit einem Computerprogramm. Für die modellierten Systeme lässt sich mit den meisten Rechenprogrammen auch die so genannte erste Eigenfrequenz ermitteln (diese erste Eigenfrequenz muss unter Eigengewicht und einer Einzelmasse von 100 kg an ungünstigster Stelle größer 5 Hz sein). Die Berechnung der Eigenfrequenz setzt bereits an elementaren Beispielen Grundkenntnisse in der Baudynamik voraus.
Aus diesem Grund verzichten wir an dieser Stelle auf eine beispielhafte rechnerische Betrachtung, wie die erste Eigenfrequenz ermittelt wird.
Ersatz von durchgehenden Gewindestangen: Das Regelwerk Holztreppen sieht eine gewisse Anzahl an Querverspannungen in Form von durchgehenden Gewindestangen vor. Die mögliche Ankerkraft einer Gewindestange lässt sich experimentell mittels eines Durchziehversuchs durch die Wange bestimmen. Soll die Gewindestange beispielsweise durch Quergewindebolzen nach Abb. 8a ersetzt werden, so ist anhand von Bauteilversuchen die Anzahl der gleichwertigen Quergewindebolzen nachzuweisen. Dieser Nachweis kann vom Hersteller eigenverantwortlich durchgeführt werden.
Abweichungen erfordern Gleichwertigkeitsnachweis
Das Regelwerk „Handwerkliche Holztreppen“ hat sich bisher hervorragend in der Praxis bewährt. Insbesondere ist dem Sachverständigen mit diesem Werk ein eindeutiges Hilfsmittel an die Hand gegeben. In gewissen Fällen kann vom Regelwerk abgewichen werden. Dazu muss jedoch ein „Gleichwertigkeitsnachweis“ erbracht werden.
Für die Berechnung der Mindestdicke von Trittstufen wird ein einfacher Weg anhand von Beispielen aufgezeigt. Bei dünnen Trittstufen ist jedoch zu beachten, dass eine ausgeprägte Neigung zum Knarren vorliegt. Soll die Mindestwangendicke berechnet werden, so ist dies oft nur mit einem Computer möglich. Sonstige Abweichungen vom Regelwerk erfordern meistens Bauteilversuche. ■

Literatur

[1] Handwerkliche Holztreppen, Regelwerk Holztreppen
Herausgeber: Bundesverband Holz und Kunststoff, Bundesinnungsverband für das Tischler-/Schreinerhandwerk und Bund Deutscher Zimmermeister (BDZ) im Zentralverband des Deutschen Baugewerbes e. V.
[2] Irle, A.: Belastungsprüfung an Holztreppen, Bauen mit Holz 5/99, Seiten 34 – 39, Bruderverlag Karlsruhe
[3] Irle, A.: Wangenknick mit Kropfschrauben, Bauen mit Holz 5/99, Seiten 40 – 41
[4] Irle, A.: …bis die Treppe bricht, dds 4/2000, S. 38 ff
[5] ETAG 008: Leitlinie für europäische technische Zulassungen für vorgefertigte Treppenbausätze, Fassung Januar 2001, EOTO, Kunstlaan 40, Avenue des Arts, B-1040, Brussels
[6] Laternser, K.: ETA-Leitlinie für vorgefertigte Treppenbausätze verabschiedet, DIBt-Mitteilungen 3/2002, Seiten 67 – 71
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