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Erst Meister, dann Student

Die neue Hochschulzugangsberechtigung für Meister/innen in der Praxis
Erst Meister, dann Student

Das Bildungssystem soll durchlässiger werden. Auch sollen berufliche und akademische Ausbildung stärker miteinander verzahnt werden. Seit kurzem wird deshalb Meistern und Meisterinnen ein allgemeiner Hochschulzugang eröffnet. Sie können an Universitäten studieren. Hieraus ergeben sich neue Anforderungen an eine qualitativ gute Meisterausbildung. Die Meisterschule für das Schreinerhandwerk in Ebern geht deshalb neue Wege.

Arbeitsvorbereitung, Unternehmensführung und Verkauf sind klassische Bereiche, in denen Jungmeister/innen nach Abschluss der Meisterprüfung tätig sind. Schreinermeister Martin Nopens hat einen anderen Weg eingeschlagen: Seit dem Herbst 2010 studiert er Holzwirtschaft an der Universität Hamburg (siehe Kasten).

Bekanntermaßen ist Bildung „Ländersache“. Für den Hochschulzugang gelten deshalb trotz intensiver Bemühungen um die Angleichung der gesetzlichen Bestimmungen, länderspezifische Regelungen. In Bayern wird „seit dem Wintersemester 2009/2010 Absolventen der Meisterprüfung und der Meisterprüfung gleichgestellter beruflicher Fortbildungsprüfungen sowie von Fachschulen und Fachakademien der allgemeine Hochschulzugang eröffnet, wenn ein Beratungsgespräch an der Hochschule absolviert wurde.“ Soweit der Gesetzestext.
Unis prüfen immer noch einmal den Einzelfall
Zwar gab es auch bisher schon Hochschulen, die Studiengänge für beruflich qualifizierte Bewerber/innen zugänglich gemacht haben, doch nun haben sich durch diese Formulierung in Bayern vor allem zwei Dinge geändert: Das Gesetz ist allgemein gültig und es formuliert einen „allgemeinen Hochschulzugang“, also einen Hochschulzugang ohne Beschränkung der Fachrichtung und Hochschulart. Nicht alle Bundesländer haben im Rahmen ihrer Ländergesetze so weit auslegend formuliert, weshalb beruflich qualifizierte Studienbewerber bei der Wahl der Studienfachrichtung auch immer das Bundesland des Studienortes berücksichtigen müssen.
Die neuen gesetzlichen Möglichkeiten erscheinen auf den ersten Blick verlockend. Doch bereits beim ersten Kontakt zu einer Hochschule, mit dem Ziel sich um einen Studienplatz zu bewerben, wird schnell klar, dass sich aus dem Meisterbrief allein kein Anspruch auf einen Studienplatz ableiten lässt. Dies hat auch Martin Nopens erfahren. So führt die Universität Hamburg neben dem verpflichtenden Beratungsgespräch bei jeder „Meister“-Bewerbung eine Einzelfallprüfung durch, in der die schulischen und beruflichen Vorkenntnisse, aber auch Allgemein- und Sozialkompetenzen bewertet werden. Aus diese Faktoren ergibt sich die Zu- oder Absage.
Auch andere Hochschulen haben individuelle Verfahren zur Regelung des Hochschulzugangs für Meister/innen entwickelt, die beispielsweise folgende Komponenten enthalten können: Aufnahmeprüfung, ein- bis zweisemestriges Einführungsstudium, Studium auf Probe, Quotenregelung für Studienbewerber/innen aus der dualen Ausbildung u. a.
Rechtlicher Hintergrund für diese Regelungen ist der Umstand, dass über die Meisterausbildung zwar eine Hochschulzugangsberechtigung erworben wird, aber nicht eine allgemeine Hochschulreife bescheinigt wird. Diese kann auch nicht bescheinigt werden, denn eine beruflich erworbene Hochschulzugangsberechtigung ist nicht in jedem Fall mit einer persönlichen Studierfähigkeit gleichzusetzen. Bereitet doch die Meisterausbildung primär auf eine leitende Tätigkeiten im Handwerk bzw. auf die Führung eines Handwerksbetriebes vor. Die hierfür notwendigen Fachkenntnisse weichen in vielen Teilen von den für eine akademische Weiterbildung notwendigen Kenntnissen ab.
Angehende Studenten brauchen Unterstützung
Dies wurde auch sehr rasch von den Hochschulen erkannt, weshalb einige Hochschulen zudem spezielle Förder- und Tutorenprogramme für Studentinnen und Studenten mit beruflich erworbenem Hochschulzugang eingeführt haben. Diese Förder- und Tutorenprogramme der Hochschulen sind sehr hilfreich, um den Einstieg ins Studium für geeignete Bewerber zu erleichtern.
Doch die neue Regelung zum Hochschulzugang für Meister wirkt auch unmittelbar in die Meisterausbildung hinein und stellt auch an diese erweiterte Anforderungen. Denn die wesentliche Entscheidung über Erfolg oder Misserfolg beruflich qualifizierter Studenten fällt meist im Vorfeld, nämlich bei der selbstkritischen Beurteilung der eigenen Fähigkeiten sowie der beruflichen und privaten Lebensplanung, insbesondere während der Zeit der Meisterausbildung.
Die Aufgabe einer Fachschule für die Meisterausbildung erweitert sich folglich nun auch dahingehend, Fachschüler individuell im Hinblick auf ein mögliches Hochschulstudium zu beraten und entsprechende Informationen bereitzustellen.
Die Meisterschule Ebern für das Schreinerhandwerk lädt deshalb ab 2011 regelmäßig ehemalige Meisterschüler, die ein Hochschulstudium aufgenommen haben, Studienberater und Dozenten von Hochschulen sowie Firmenvertreter zum gemeinsamen Informations- und Gedankenaustausch „rund um das Meisterstudium“ ein. Auch pflegt sie den engen Kontakt mit den Fachhochschulen Coburg und Eberswalde sowie der TU Dresden und der Universität Hamburg, deren Studiengänge Schreinern besonders nahe liegen. Um den Meisterschülerinnen/-schülern einen unmittelbaren Einblick und Kontakt zu den Hochschulen und deren Arbeit zu ermöglichen, werden aktuell verstärkt gemeinsame Projektarbeiten und Workshops mit Hochschulen geplant.
Nicht vertraut mit Statistik oder Datenbanken
Bereits aus den ersten gemeinsam mit Meisterschülern und Hochschulen durchgeführten Aktivitäten wurde deutlich, dass Studienbewerber aus der beruflichen Bildung häufig Nachholbedarf im selbstständigen, eigenkreativen Arbeiten aufweisen. Sie sind mit den für die akademische Weiterqualifizierung notwendigen Arbeitstechniken zum Teil nur wenig vertraut. Um Meisterschüler auf dem Weg zur Hochschule zu unterstützen, bietet die Meisterschule Ebern interessierten Fachschülern spezielle Wahlfächer an. Schwerpunkt ist hierbei die Einführung in wissenschaftliche Arbeitstechniken, wie die Literaturrecherche in entsprechenden Datenbanken, Arbeiten mit statistischen Methoden und das Verfassen wissenschaftlicher Texte. Da die „Hochschulwelt“ stark englischsprachig geprägt ist, werden diese Bemühungen durch das seit vier Jahren an der Meisterschule unterrichtete Wahlfach „Fachenglisch“ unterstützt.
In der Praxis werden seit langem Führungskräfte, die ein Hochschulstudium absolviert aber auch Praxiserfahrung in einer beruflichen Ausbildung erworben haben, besonders geschätzt. Durch die neue gesetzliche Regelung eröffnen sich damit Schreinerinnen und Schreinern im Einzelfall deutlich bessere berufliche Aufstiegschancen, denn bisher war in vielen Fällen mit dem Abschluss der Meisterausbildung die höchste berufliche Qualifizierungsstufe erreicht. Hierdurch sind einem Schreinermeister – egal wie gut er ist – gerade bei öffentlichen Arbeitgebern erhebliche Aufstiegsgrenzen gesetzt.
So sehr auch die Meisterausbildung in Kooperation mit Hochschulen die neuen gesetzlichen Möglichkeiten zur beruflichen Hochschulzugangsberechtigung unterstützen kann, sollte dabei nie aus den Augen verloren werden, dass die primäre Motivation für eine Meisterausbildung nicht der Seiteneinstieg zur Hochschulausbildung sein sollte, sondern im Rahmen der Meisterausbildung eine qualitativ gute Grundlage für die erfolgreiche Arbeit im Handwerk erworben wird.
Im Einzelfall kann ein Studium über die Meisterausbildung aber eine sinnvolle Fortentwicklung bieten, die zu ganz besonderen Karrieren führen kann. Der verantwortungsvolle Umgang mit dieser Option erweitert auch die Meisterausbildung und macht sie dadurch um eine Facette reicher. ■

„Da kann man reinwachsen“

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Martin Nopens studiert Holzwirtschaft an der Uni in Hamburg

Martin Nopens studiert Holzwirtschaft an der Universität in Hamburg. Der gelernte Schreiner hat nach der Meisterprüfung noch 2,5 Jahre als Meister gearbeitet, eine Zeit lang auch in Neuseeland. Doch so ganz zufrieden war der heute 27-Jährige nicht: „Die Bezahlung war nicht gerade üppig. Und mit ganzem Herzen war ich auch nicht dabei. Folglich kam es mir sehr entgegen, dass es neu die Möglichkeit gab, mit Meisterbrief in Hamburg zu studieren. Dass es kein Zuckerschlecken werden würde, war mir von Anfang an klar. Und das hat sich auch bestätigt. In den ersten zwei Semestern werden Grundlagen vermittelt: Mathematik, Physik, Chemie, Biologie. Ich lerne oft sieben Tage in der Woche. Dagegen war die Meisterschule ein Spaziergang. Die Vorlesungsdichte in den ersten sechs Semestern bis zum Bachelor ist extrem hoch. Da wurde fast alles hinein gepackt, was vorher im Diplomstudiengang in neun Semestern vermittelt wurde.“ Doch schon während des Anmeldeverfahrens gab es viele Klippen zu umschiffen: Zeugnisse, Berichte, Formulare, Gebühren … „Heute kann man sich online anmelden, das ist viel einfacher.“ Dennoch sollten Interessenten den Aufwand nicht unterschätzen, rät Nopens. „Man muss sich kümmern. Von selber läuft da nichts.“ Martin Nopens ist einer von zwei Meistern in einem Semester mit insgesamt rund 50 Studenten. Auch im Jahrgang davor sind es lediglich zwei Quereinsteiger. „Wir haben einige Tipps von unseren Studienkollegen bekommen. Außerdem genieße ich es, Lernpartner zu haben, die mit mir auf einer Wellenlänge sind. Wenn man Berufs- und Lebenserfahrung hat, lernt man wahrscheinlich doch zielgerichteter. Auch mit Sozialkompetenz kann man viel wett machen.“ Martin Nopens will den Weg bis zum Masterabschluss zu Ende gehen. Und nachdem die ersten Hürden genommen sind, ist er sich jetzt schon viel sicherer. „Am Anfang ist es schwer einzuschätzen, wo man steht. Aber jetzt weiß ich: Da kann man reinwachsen!“
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