In einem kleinen Familienunternehmen in Venedig werden noch heute die wunderschönen forcole, Ruderblöcke für die venezianischen Gondeln, von Tischlern in Handarbeit gefertigt. Die Teilnehmer der Handwerkerreise des Deutschen Zentrums für Handwerk und Denkmalpflege (ZHD) erhielten im März dieses Jahres Einblicke in diese hundertjährige Tradition.
Es riecht nach frisch bearbeitetem Holz und Leim, wenn man die Werkstatt von Paolo Brandolisio betritt. Unter dem Dach hängen Schablonen, mit denen der Umriß einer forcola auf den noch rohen Holzklotz aufgezeichnet wird, an den Wänden lehnen ganze Bündel von Ruderstangen, in Regalen finden sich hunderte, seltsam geformter forcole. Eng geht es hier zu: Werkbänke, hölzerne Zwingen, fertige und erst halb bearbeitete Ruder und Holzdollen lassen gerade soviel Raum, wie ein Mann zum Arbeiten braucht. Der Familienbetrieb ist einer der letzten, der die hölzernen Ruderblöcke für die venezianischen Gondeln noch in reiner Handarbeit fertig. Nur etwa 15 neue forcole werden hier noch pro Jahr hergestellt, der Rest der Aufträge sind Reparaturen.
Rund drei Tage braucht der Tischler, um aus dem rohen Klotz aus Nußbaumholz einen neuen Ruderblock zu schnitzen. Jede forcola ist ein Einzelstück, genau zugeschnitten auf einen einzelnen Gondoliere. Die Körpergröße des Ruderers muß bei der Herstellung genauso berücksichtigt werden wie die Technik, mit der er das Ruder bewegt. Selbst das Gewässer, in dem die Gondel vorwiegend verkehrt, muß der Tischler in seine Überlegungen mit einbeziehen: Vor San Marco ist das Wasser durch den vielen Verkehr sehr unruhig, der Mann am Ruder steht breitbeinig und tief, damit hält er den Schwerpunkt des Bootes niedrig. In den schmalen Kanälen der Innenstadt dagegen muß das Ruder eher steil geführt werden, um entgegenkommende Gondeln nicht zu berühren. Die Formen der heutigen forcole sind aus den Erfahrungen von vielen Generationen von Tischlern und Gondolieri entstanden. Nur diese raffiniert gestalteten Dollen, mit acht verschiedenen Anlenkpunkten für das etwa vier Meter lange Ruder, erlauben dem Gondoliere alle erforderlichen Bewegungen des Bootes zu steuern. Stets mit dem Gesicht zur Fahrtrichtung kann er Vorwärts- und Rückwärtsrudern, Bremsen oder enge Wendungen fahren, für jedes Manöver gibt es einen eigenen Ruderstützpunkt an der forcola.
Im Gegensatz zu anderen Touristen war es den Beteiligten der Handwerkerreise des ZHD möglich, tiefere Einblicke in den alten Beruf des venezianischen Dollenschnitzers zu erhalten. Bereitwillig ließ Paolo Brandolisio die Besucher, darunter auch gestandene Tischlermeister, einmal selbst die Ziehklinge führen, verriet einige Kniffe und fachsimpelte mit seinen Gästen. Damit war das Ziel erreicht, den Teilnehmern dieser Venedigfahrt Eindrücke und Erlebnisse zu vermitteln, die über das übliche Maß touristischer Veranstaltungen hinausgehen.
Die beliebte Handwerkerreise nach Venedig wird auch im Frühjahr 1999 wieder angeboten.
Genaue Termine stehen noch nicht fest. Interessenten können sich jedoch schon jetzt vormerken lassen beim Deutschen Zentrum für Handwerk und Denkmalpflege, Propstei Johannesberg, 36041 Fulda, Ansprechpartner Ursula Lucas, Tel. 06 61/4 95 31 44, Fax ~/4 95 31 05.
Wolfgang Rogatty
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