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In der Provence viel dazu gelernt

Europass Berufsbildung in Frankreich
In der Provence viel dazu gelernt

Berufliche Mobilität hat im Handwerk Tradition. Seit rund 500 Jahren schon gehen Wandergesellen „auf die Walz“ und Handwerksmeister wissen: Die haben was „auf dem Kasten“. Auf der Walz lernen sie häufig mehr für Leben und Job als in der Werkstatt daheim. Was im Handwerk gute Tradition ist, macht zunehmend auch in anderen Branchen Schule.

Wer heute in Europa einen Teil seiner Ausbildung oder ein Praktikum im Ausland absolvieren möchte, kann auf eine Reihe von Fördermöglichkeiten aus Töpfen der Europäischen Union zurückgreifen. Nationale Berufsbildungssysteme öffnen sich nach und nach. Um mehr Transparenz im Bildungsbereich zu schaffen, hat die Europäische Union vor gut zwei Jahren den Europass Berufsbildung eingeführt – ein Dokument, das europaweit einheitlich Dauer und Art von Auslandsaufenthalten sowie die erworbenen Fähigkeiten und Kenntnisse beschreibt.

Die Wirkung transnationaler Mobilität ist unbestritten. Sie äußert sich vor allem in der Vermittlung neuer sozialer und interkultureller Kompetenzen, in der Steigerung des Selbstvertrauens der Beteiligten, ihrer Eingliederung in den Arbeitsmarkt und dem Kennenlernen neuer Arbeitsweisen. Und so sind sich alle einig, von Bildungspolitikern über Vertreter von Gewerkschaften bis hin zu Arbeitgeberverbänden:
Auslandsaufenthalte werden in Zukunft ein ganz wichtiger Bestandteil der Aus- und Weiterbildung sein. Dass dies nicht nur auf Managementebene sinnvoll ist, sondern auch für Auszubildende im Gewerbe, zeigt das Beispiel von Mirja Aubel. Sie macht eine Ausbildung als Tischlerin beim Westdeutschen Rundfunk Köln und hat einen Teil ihrer Lehre im Ausland verbracht.
Austauschprogramm der Handwerkskammer
Als Mirja Aubel von einem über die Handwerkskammer organisierten Austauschprojekt mit dem französischen Handwerksverein „Compagnons du Devoir“ im Provence-Städtchen Draguignan erfuhr, zögerte die damals 20-Jährige nicht und nahm das Angebot an. „Eine andere Kultur und Sprache, neue Arbeitsweisen kennen lernen, das habe ich mir immer sehr spannend vorgestellt“, sagt sie rückblickend. Dass der Aufenthalt kein Urlaub werden würde, war ihr klar. Um die Französischkenntnisse aus der Schule aufzufrischen, büffelte Mirja Aubel in einem vierwöchigen Crashkurs gemeinsam mit anderen Lehrlingen Vokabeln.
Von ihrem Arbeitgeber und der Berufsschule wurde Mirja Aubel für den Frankreichaufenthalt freigestellt. Auch über die Kosten brauchte sich die angehende Tischlerin keine Gedanken zu machen. Untergebracht wurde sie in einer französischen Gastfamilie, die dafür von der Handwerkskammer zu Köln Essens- und Wohngeld erhielt. Ihr Ausbildungsentgelt bekam sie weiterhin, da der Austausch auf die Lehrzeit angerechnet wurde.
Vorteile durch den Europass Berufsbildung
Um für Mirja Aubels Ausbildungsleiter und zukünftigen Arbeitgeber nachvollziehbar zu machen, was sie in Frankreich gelernt hatte, wurden die Ausbildungsinhalte im Europass Berufs-bildung auf Deutsch und Französisch eingetragen. Über die formale Bestätigung hinaus bescheinigt das Dokument Mirja Aubel Eigeninitiative, Mobilität und Flexibilität, was ihre Chancen auf dem Arbeitsmarkt deutlich steigern wird.
Insgesamt sorgt der Europass für deutlich mehr Transparenz im europäischen Bildungssektor. Ein Aspekt, der vom Handwerk ausdrücklich begrüßt wird, wie Sonja Brunner von der Abteilung Europäische Berufsbildung des Zentralverbands des deutschen Handwerks betont. „Betriebe, die mit dem Europass gute Erfahrungen gemacht haben, entsenden immer wieder Auszubildende in andere Länder. Die jungen Leute kehren höchst motiviert vom Auslandsaufenthalt zurück. Das schlägt im Betrieb sehr positiv zu Buche.“
Mittlerweile beteiligen sich viele der insgesamt 55 deutschen Handwerkskammern an europäischen Austauschprogrammen wie Leonardo da Vinci oder Sokrates und setzen dabei den Europass Berufsbildung ein. Und dies vor allem aus zwei Gründen, wie Sonja Brunner erklärt: „Zum einen lassen sich qualitativ hochwertige Auslandsaufenthalte mit dem Europass Berufsbildung sehr gut bescheinigen. Zum anderen ist er aber auch ein geeignetes Instrument, um Jugendliche und Betriebe zu motivieren, sich an Austauschmaßnahmen zu beteiligen.“
Alle Bedenken ausgeräumt
An Motivation fehlte es bei Mirja Aubel nicht. Leichte Bedenken kamen allerdings bei ihr auf, als kurz vor Beginn des Austauschs der Chef des französischen Betriebs skeptisch wurde, ob eine Frau die alltäglichen Arbeiten in seiner Werkstatt bewältigen könne. Ein Jahr zuvor hatte er bereits eine Tischlerin aus Deutschland im Betrieb und die sei häufig krank gewesen. „Ich bin dann auch mit einem mulmigen Gefühl da runtergefahren und habe nur gedacht, der traut mir ja nichts zu“, beschreibt Mirja Aubel ihre damaligen Gedanken.
Die Zweifel waren auf beiden Seiten unbegründet. Schnell zeigte Mirja Aubel ihrem französischen Chef, was sie kann und erwarb so sein Vertrauen. Wie die Männer im Betrieb schleppte sie dicke Bohlen und andere schwere Holzteile. Und nachdem sie in den ersten Tagen nur kleine Regale oder Türen anfertigte, durfte sie kurze Zeit später auch komplizierte Aufgaben selbstständig ausführen. Am Ende ihres Aufenthaltes hatte sie sogar eine ganze Küche aus Massivholz fertig gestellt.
Neben der Ausbildung im Betrieb besuchte Mirja Aubel gemeinsam mit drei anderen deutschen Lehrlingen eine französische Berufsschule. Dort fühlte sie sich wie eine „Exotin“: In Frankreich gibt es nur sehr wenige weibliche Schreiner, und so war Mirja Aubel die einzige Frau an der ganzen Schule. „Alle dachten, ich sei die Freundin von einem der Jungs“, erzählt sie amüsiert.
Noch viele Stempel für den Europass
Dass sie alle Vorbehalte widerlegen konnte, war für Mirja Aubel eine sehr wichtige Erfahrung. „Dadurch habe ich viel Selbstbewusstsein gewonnen“, betont sie. „Anfangs war ich etwas unsicher, ob ich überhaupt vollkommen selbstständig arbeiten kann. Als ich dann aber meine eigenen Aufträge bekam und die Verantwortung übernehmen musste, hat alles super geklappt.“
Auch mit der Sprache hatte sie keine Probleme. „Ich musste ja sofort nach meiner Ankunft französisch sprechen. Das ging schon nach wenigen Tagen recht gut. Die Kollegen in der Werkstatt und meine Gastfamilie haben mir dabei sehr geholfen.“
Auf die Frage, ob sie wieder ins Ausland gehen würde, antwortet Mirja Aubel mit einem klaren „Ja“. „Für mich persönlich war der Auslandsaufenthalt eine ganz tolle Erfahrung. Wenn man eine solche Möglichkeit bekommt, sollte man sie auch nutzen. Ich hoffe, dass ich in Zukunft noch ein paar Stempel für meinen Europass sammeln kann.“
Informationen:
Carl Duisberg Gesellschaft e.V.
Weyerstraße 79-83, 50676 Köln
Tel 02 21/20 98-3 20
Fax ~/20 98-1 14
Was ist der Europass
Berufsbildung?
• Ein europaweit einheitliches Dokument zum Nachweis von Aus- und Weiterbildungsmaßnahmen, die im europäischen Ausland ab-solviert wurden.
Welche Vorteile bietet der
Europass Berufsbildung?
• Er liefert einen klaren Überblick über die erworbenen Fähigkeiten und bescheinigt dem Nutzer Eigen-initiative, Mobilität und Fremd-sprachenkompetenz.
Wer bekommt den Europass
Berufsbildung?
• Grundsätzlich alle Personen, die einen Teil der Ausbildung oder ein Praktikum im Ausland absolviert haben.
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