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Lüften mit Fenstern: Anforderungen und Umsetzung

Zwischen Raumhygiene und Wärmeschutz
Lüften mit Fenstern: Anforderungen und Umsetzung

Das Thema „Raumlufthygiene und Feuchteschutz“ ist heute mehr denn je in der öffentlichen Diskussion. Studien des Instituts für Erhaltung und Modernisierung von Bauwerken (IEMB) zeigen, dass bis zu 22 % der deutschen Wohnungen Feuchteschäden aufweisen und unzureichend belüftete Wohnungen ein um 60 bis 70 % erhöhtes Risiko haben. Da die Mehrzahl der Wohneinheiten keine technischen Lüftungseinrichtungen besitzt und auf das Öffnen von Fenstern angewiesen ist, wird die traditionelle Fensterlüftung zunehmend in Frage gestellt.

Eine ausreichende Lüftung der Wohnräume ist aus gesundheitlichen und baulichen Gründen zwingend notwendig. Der hygienisch notwendige Frischluftbedarf zur Abführung der Schad- und Geruchsstoffe beträgt als Richtwert ca. 30 m3/h pro Person. Als Leitgröße hat sich die CO2-Konzentration mit einem Grenzwert von maximal 0,1 % (Pettenkoferzahl) der Raumluft etabliert, sofern es keine toxikologischen Ausdünstungen oder offene Verbrennungsprozesse (Kaminofen) im Raum gibt. Zusätzliche Belastungen durch Emissionen von Geräten wie Computern, Druckern, Hausgeräten müssen beachtet werden.

Die „baulich notwendige Lüftung“ muss die anfallende Luftfeuchte aus dem Innenraum transportieren, die durch Waschen, Kochen, Pflanzen etc. entsteht und zu Tauwasserausfall und Schimmelpilzbildung führen kann. Es besteht eine intensive Wechselwirkung zum Heizsystem, der Innenraumtemperatur und der baulichen Wärmedämmung (Oberflächentemperaturen), die hier nicht näher beschrieben wird (Bild 1).
Lüften mit Fenstern
Feststehende Lüftungsöffnungen in der Wand, beispielsweise aus arabischen Ländern oder aus Indien bekannt, werden schon seit Jahrtausenden zur Sicherstellung einer nutzerabhängigen Mindestlüftung eingesetzt. In Regionen mit wechselhaftem Klima übernehmen Fenster die Funktion der bedarfs- und klimagerechten Lüftung. Die Zusammenhänge der natürlichen Fensterlüftung und der möglichen Volumenströme wurden schon 1982 durch das ift Rosenheim intensiv im Forschungsprojekt des Bundesministeriums für Forschung und Technologie „Bestandsaufnahme von Einrichtungen zur freien Lüftung im Wohnungsbau“ untersucht. Die Größe des auftretenden Volumenstroms wurde für unterschiedliche Öffnungsarten und feststehende Lüftungseinrichtungen untersucht und ist im Wesentlichen abhängig von folgenden Faktoren:
  • Öffnungsfläche (Größe, Form, Lage verschiedener Öffnungsflächen zueinander),
  • treibenden physikalischen Kräften (wind- und thermisch bedingte Druckunterschiede),
  • raumbezogene Faktoren (Größe, Wärmequellen, Einrichtung usw.).
Für eine minimale Lüftung können die thermisch induzierten Volumenströme zu Grunde gelegt werden, da die windinduzierten Luftströme deutlich höher sind (Bild 2 und Bild 3).
Zukunft ohne Fensterlüftung?
Neue luftdichte Baukonstruktionen sind zur Erfüllung der Energieeinsparziele notwendig. In Verbindung mit einem geänderten Lüftungsverhalten führte dies in den letzten Jahren zu einer höheren Feuchtebelastung im Innenraum. Hinweise zum richtigen Lüften und die Diskussion über Anzahl und Dauer der Stoßlüftung haben sich in der Wohnpraxis als nicht ausreichend gezeigt.
Intensive Diskussionen über notwendige Luftwechsel sowie die Grenzen der Fensterlüftung führten schließlich zur Überarbeitung der DIN 1946-6:2006-12 „Raumlufttechnik – Teil 6: Lüftung von Wohnungen“. Es ist vorgesehen, dass ein gewisser Anteil des notwendigen Luftvolumenstroms ohne Nutzereinfluss möglich sein muss. Bei freier Lüftung soll somit die sog. „feuchteschutztechnische Lüftung“ sichergestellt werden. Die heutigen Fensterkonstruktionen benötigen aber in der Regel einen „Nutzer“ zum Öffnen und Schließen der Fenster. Dies kann dazu führen, dass Fenstersysteme in die Gebäudehülle integriert werden müssen, die über Lüftungssysteme verfügen, die in oder an das Fenster integriert sind. Ebenso wären gesteuerte motorische Öffnungs- und Schließfunktionen denkbar. Im Entwurf der DIN 1946-6 werden 4 Lüftungsstufen sowie die dazu nötigen Außenluftvolumenströme definiert:
  • Lüftung zum Feuchteschutz: Lüftung, die in Abhängigkeit des Wärmeschutzniveaus unter üblichen Feuchtelasten und Raumtemperaturen Schimmelpilz- und Feuchteschäden vermeiden soll.
  • Mindestlüftung: Lüftung, die unter üblichen Feuchte- und Schadstofflasten Mindestanforderungen an die Raumluftqualität erfüllt bzw. eine „reduzierte Nutzung“ berücksichtigt.
  • Grundlüftung: Lüftung zur Gewährleistung des Bautenschutzes sowie der hygienischen und gesundheitlichen Erfordernisse bei planmäßiger Nutzung einer Nutzungseinheit.
  • Intensivlüftung: Zeitweilig notwendige erhöhte Lüftung zum Abbau von Lastspitzen (Lastbetrieb).
Bei der freien, d. h. nicht motorischen Lüftung, ist nach momentanem Diskussionsstand mindestens die Lüftung zum Feuchteschutz nutzerunabhängig sicherzustellen. Das öffenbare Fenster dient demnach je nach geplantem Lüftungskonzept zur Mindestlüftung, zur Grundlüftung bzw. zur Intensivlüftung auch in Verbindung mit ventilatorgestützten Lüftungssystemen.
Ob ein Lüftungskonzept nötig ist, ergibt sich aus dem Vergleich des wirksamen Infiltrationsvolumenstroms (Undichtigkeiten der Gebäudehülle) qinf mit dem notwendigen Gesamt-Außenluftvolumenstrom zum Feuchteschutz qFL. Wenn qFL > qinf sind lüftungstechnische Maßnahmen festzulegen, d. h. der Infiltrationsluftwechsel allein reicht nicht aus.
Moderne Fensterlüftung
Um die Anforderungen der DIN 1946-6 zu erfüllen, sollten auch Fenster eine nutzerunabhängige Lüftung ermöglichen. Deshalb ist die Weiterentwicklung der „Fensterlüftung“ notwendig und kann nicht mehr allein über die klassischen Öffnungsfunktionen geleistet werden. Dezentrale, ins Fenster integrierte Lüftungssysteme, so genannte Fensterlüfter, können eine nutzerunabhängige Lüftung gewährleisten.
Diese Lüftungseinrichtungen werden auch als Außenluftdurchlässe (ALD) bezeichnet (Bild 4).
Eine weitere Möglichkeit sind Fenster mit sensorgesteuerter motorischer Öffnungsmechanik. Bei ALDs wird der notwendige Luftaustausch durch freie Lüftung (Querlüftung, Schacht- bzw. Auftriebslüftung) oder in Verbindung mit einer zentralen ventilatorgetriebenen Abluftanlage erreicht. Durch den richtigen Einsatz solcher Lüftungssysteme kann eine der häufigsten Ursachen der Schimmelbildung – ungenügende und falsche Lüftung – weitestgehend vermieden werden (Bild 5).
Zur Prüfung und Bewertung von Lüftungssystemen gibt es eine Vielzahl von Normen, Richtlinien und Merkblättern. Der Verbraucher, Architekt und Planer ist deshalb oft mit dieser Dokumentenvielfalt überfordert und kann die komplexe Thematik Lüftungsplanung und Lüftungsverhalten kaum ohne weitere Hilfestellungen bewältigen. Zusätzlich sind neben den reinen lüftungstechnischen Aspekten (primäre Funktion) auch noch andere wichtige sekundäre Funktionen wie z. B. Schallschutz, Wärmeschutz, Brandschutz, Gebrauchstauglich etc. bei der Planung und Nutzung von Lüftungseinrichtungen zu berücksichtigen.
Das ift Rosenheim hat gemeinsam mit Unternehmen der Branche die ift-Richtlinie LU-01/1 „Fensterlüfter; Teil 1: Leistungseigenschaften“ erarbeitet, die eine ganzheitliche Bewertung von Lüftungseinrichtungen ermöglicht. Diese Richtlinie gilt für dezentrale Lüftungselemente, die in das Fenster integriert sind oder in direktem Zusammenhang mit dem Fenster (Fensterlüfter) stehen und die manuell, automatisch oder sensorisch geregelt sein können. Hierzu zählen
  • Luftdurchlässe bzw. Überströmöffnungen,
  • Fensterbanklüfter,
  • Aufsatzelemente,
  • Fensterfalzlüfter,
  • beschlagsgeregelte Lüfter,
  • ventilatorbetriebene Lüftungsgeräte, mit oder ohne Wärmerückgewinnung (Bild 6).
Hersteller von Lüftern für Fenster können mit dieser Richtlinie die verschiedenen Leistungseigenschaften ermitteln und übersichtlich darstellen. Das Ergebnis der Bewertung ist eine Darstellung des Leistungsprofils in einer Klassifizierungstabelle, wobei zwischen Lüftungselementen und Lüftungsgeräten mit ventilatorgestütztem Antrieb unterschieden wird. Die Übersicht der Leistungseigenschaften anhand von Klassifizierungstabellen hilft bei der Auswahl des geeigneten und notwendigen Produktes in Bezug auf die Lüftungsanforderungen und beim Vergleich weiterer Eigenschaften, beispielsweise Schalldämmung, Schlagregendichtigkeit, Gebrauchstauglichkeit etc. Verbraucher, Architekten und Fachplaner erleichtert die Richtlinie deshalb die einfache Ausschreibung und Vergleichbarkeit der Produkteigenschaften.
Der noch in Arbeit befindliche Teil 2 der Richtlinie soll Einsatzempfehlungen für Fensterlüfter und Lüftungskonzepte enthalten, die für verschiedenste Randbedingungen Aussagen treffen (siehe Tabelle 1 und Tabelle 2).
Fazit
Die Reduzierung des baulichen Energieverbrauchs fordert auch effizientere Lüftungsmöglichkeiten. Fenster und Fassaden werden sich deshalb zu intelligenten Bauteilen weiterentwickeln und eine automatische Anpassung an die äußeren Klimaeinflüsse und die Anforderungen der Nutzer sowie der Haustechnik zulassen. Wie die Haut und Kleidung beim Menschen, wird die Gebäudehülle von morgen das Wohlbefinden der Bewohner mit einem Minimum an Energie ermöglichen.
Das ift Rosenheim unterstützt die Branche und die Planer dabei mit praxisgerechten Richtlinien, die einen objektiven und einfachen Vergleich unterschiedlicher Produkte ermöglichen und so die Weiterentwicklung von Bauelementen fördern. ■
Literatur:
[1] E DIN 1946–6, Raumlufttechnik – Teil 6: Lüftung von Wohnungen; Allgemeine Anforderungen, Anforderungen zur Bemessung, Ausführung und Kennzeichnung, Übergabe/Übernahme (Abnahme) und Instandhaltung, Beuth Verlag GmbH
[2] Verordnung zur Änderung der Verordnung über energiesparenden Wärmeschutz und energiesparende Anlagentechnik bei Gebäuden (Energieeinsparverordnung, EnEV)
[3] ift-Richtlinie LU-01/1 Fensterlüfter; Teil 1: Leistungseigenschaften
[4] ifz info LU-03/1 Fensterlüftung – Zielkonflikt von Energiesparen und Frischluft
[5] VFF Merkblatt ES.05, Lüftung von Wohngebäuden
[6] Ehrenfried Heinz: Feuchtigkeitsschäden einschließlich Schimmelpilz-Wachstum in deutschen Wohnungen. AIRTec
[7] Gesünder Wohnen – aber wie?
Praktische Tipps für den Alltag. Broschüre, herausgegegeben vom Umweltbundesamt
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