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Möbelbau: ressourcenarm und kostenoptimiert

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Möbelbau: ressourcenarm und kostenoptimiert

Im Rahmen einer Technikerabschlußarbeit an der Fachschule für Holztechnik, Detmold, wurde in Kooperation mit dem durch verschiedene Umweltpreise ausgezeichneten Küchenhersteller Kambium Möbelwerkstätten GmbH in Lindlar und unter wissenschaftlicher Begleitung des Wuppertal-Instituts für Klima, Umwelt, Energie GmbH in Wuppertal ein EDV gestütztes Umwelt-Informations-System (UIS) entwickelt. Das Informationssystem macht die mit der Herstellung eines Produktes verursachten Umweltbelastungen im Rahmen eines Umweltmanagementsystems für den Hersteller und den Kunden transparenter und planbar. Besonders wichtig war der Projektgruppe neben den „ökologischen Kosten“ die betriebswirtschaftlichen Kosten auszuweisen und zu zeigen, daß Ökologie und Ökonomie sich einander ergänzen können

Von Michael Eckert, Stefan Keser, Dr. Christa Liedtke und Holger Rohn* * Michael Eckert, Lehrer der Fachschule für Holztechnik;Stefan Keser, Schüler der Fachschule für Holztechnik:Dr. Christa Liedtke, Holger Rohn, Wuppertal Institut für Klima, Umwelt, Energie GmbH

Vor Kambium gab es die Schreinerei Gehrt, in der mit vier bis acht Mitarbeitern Möbel- und Innenausbauten angeboten wurde. Nach Auffassung der Inhaber werden im „Handwerklichen Gemischtwarenladen“ durch die Vielfalt der Aufgaben immer Prototypen gebaut und damit „vieles gut, aber nichts sehr gut“ gemacht.
Der Wunsch nach Perfektion ließ sich nur durch Spezialisierung verwirklichen: Die Massivholzküche als Nischenprodukt. Weiterhin sollte das Produkt weder bei Gebrauch, bei der Herstellung noch bei der späteren Entsorgung die Umwelt so wenig wie möglich belasten.
Deshalb wurde auch die Produktionsstätte mit in die Überlegung einbezogen: ausgeklügelte Bauphysik spart Wärme und Strom, ein Blockheizkraftwerk nutzt die Primärenergie zu ca. 75 % und die Windkraftanlage versorgt die Produktion mit sanfter Energie.
Der Standpunkt, den Kambium hierbei entwickelt, läßt sich mit dem Begriff der „inneren Wahrheit“ gut beschreiben: E
Der Ökologieaspekt dient nicht als vordergründiges Verkaufsargument, sondern ist im Unternehmen fest verankert.
Das UIS (Umwelt-Informations-System) als Technikerabschlußarbeit [1]) der Fachschule für Holztechnik, Detmold, wurde am Schluß einer zweijährigen Zusammenarbeit von Kambium und dem Wuppertal-Institut erarbeitet [2]. Es macht den Umweltverbrauch des Produktes meßbar und kann auf Wunsch dem Kunden mitgeteilt werden. Weiterhin können Prozesse modellhaft vollzogen werden. Dadurch kann das UIS als Entscheidungshilfe bei Neuinvestitionen von Maschinen (z.B. Energieverbrauch) oder Änderung der Arbeitsabläufe genutzt werden.
Nach Aussagen von Christoph Gehrt, Geschäftsführer des Küchenherstellers, kann qualitativ hochwertige Buche bei steigenden Preisen nur noch aus überregionalen oder ausländischen Beständen beschafft werden. Buchenschnittholz aus der Region ist zwar qualitativ minderwertiger, aber ca. zum halben Preis zu haben und unter Umweltgesichtspunkten vor allem mit einem geringen Anteil an Transportenergie belastet.
Die Frage ist, wie sich die Verwendung von regionalen, mit geringer Transportenergie belasteten Rohstoffen oder Halbfertigprodukten auf die Kalkulation auswirkt und wie dem Kunden anschaulich gemacht werden kann, daß der Verzicht auf hohe Qualitätsansprüche hinsichtlich der Holzzeichnung wegen der Vermeidung von umweltbelastender Transportenergie sinnvoll ist und sich vielleicht sogar auch wirtschaftlich rechnet.
Ein weiteres von Christoph Gehrt genanntes Beispiel ist die Verwendung von Grauwacke aus der Region; im Vergleich zu Granit aus z.B. Brasilien für Arbeitsplatten, der mit ca. 10 000 Transportkilometern belastet ist.
Ressourcenmanagement bei Kambium
Mit Hilfe des vom Wuppertal Instituts entwickelten ökologischen Indikators MIPS [3] (Material-Input pro Serviceeinheit) wurde die Möglichkeit geschaffen, den gesamten Umweltverbrauch für die Herstellung, Nutzung, Recycling und Entsorgung von Produkten und Dienstleistungen darzustellen (z.B. einer Kambium-Küche).
Die Ressourcenverbräuche werden
• nicht nachwachsende Rohstoffe wie Erdöl, Erze, Abraum (abiotische Rohstoffe)
• nachwachsende Rohstoffe wie Holz, Baumwolle, Getreide (biotische Rohstoffe)
• Erdbewegung
• Wasser und
• Luft
getrennt angegeben. Neben der notwendigen Energie, die in der gesamten Produktlinie vom Rohstoff bis zur Entsorgung benötigt wird, werden auf diese Weise ebenso die Transporte berücksichtigt. Auch sie verursachen unter anderem durch Lkws, Straßen, Parkplätze einen hohen Umweltverbrauch. Je geringer die verschiedenen MIPS-Werte ausfallen, umso besser für die Umwelt. Umweltgerechtes Produzieren darf nicht am Werkstor aufhören. Kambium nimmt die ökologische Produktverantwortung systemweit wahr (Abb. 2).
Beispiel: Umweltgerechte Kundenberatung
Für Kambium bedeutet dies: In der Kundenberatung können mit dem von der Projektgruppe entwickelten EDV-gestützten Umwelt-Informationssystem für jede Materialvariante – ob Massivholzplatte aus der Region oder aus Frankreich, ob Granitplatte, Linoleum oder Glas – neben dem Preis in DM auch der Umweltpreis in MIPS genannt werden, vorausgesetzt die Varianten sind als Einzelaufträge abrufbar. Der Kunde kann dann selbst entscheiden, wieviel Geld und Umwelt er für seine Wünsche einsetzen will.
Das EDV-gestützte Umweltinformationssystem (UIS)
Grundsätzliche Zielsetzung des UIS ist die systematische Analyse betrieblicher Produktionsprozesse sowie die Erfassung und Berechnung der lebenszyklusweiten Ressourcenverbräuche von Produkten gekoppelt mit den jeweils an- fallenden betrieblichen Kosten.
Diese komplexe Aufgabe stellt sich für das beschriebene Beispiel des Buchenholzes ebenso wie für die etwa 2500 verschiedenen anderen Rohstoffe, Vorprodukte, Hilfs- und Betriebsstoffe, die für die Kambium-Küche verwendet werden.
Mit dem entwickelten System steht Kambium nun ein Baustein zur Verfügung, der zur internen Verwendung sowohl zur Optimierung der betrieblichen Produktionsprozesse, als auch zur Optimierung bestehender und geplanter Produkte genutzt werden kann. In der Außendarstellung können z.B. der Vertrieb bzw. die Küchenplaner das System nutzen, um die Zusammenhänge zwischen Umweltverbrauch und der Kostenseite auch für den interessierten Kunden planbarer und transparenter zu machen.
Das System besteht im wesentlichen aus zwei Teilen: Der Windows-Oberfläche für den Anwender und der Datenbank.
Im ersten Programmteil werden in einem übersichtlichen Eingangsfenster (Abb. 3) alle wichtigen Auswahl- und Einstellgrößen zur Berechnung eines Auftrags eingestellt, bevor der gewählte Auftrag berechnet wird. Dabei bereitet das Programm einfache Excel-Tabellen und -Diagramme vor, welche die Ressourcenverbräuche und Kosten des Auftrags vergleichend darstellen. Diese Tabellen schlagen eine Brücke zwischen der Branchensoftware OSD, welche die Auftragsdaten liefert und einer beliebigen Tabellenkalkulation, mit der die Daten weiter verarbeitet werden können.
Im Datenbankteil stehen alle für die Berechnungen notwendigen Informationen zur Verfügung. Die wichtigsten sind:
• Auftrags-, Artikel- und Stücklisten der Küchenaufträge
• die Artikeldatenbank aller bei Kambium verwendeten Materialien
• die Prozeßdatenbank, in der alle betrieblichen Basisprozesse (z.B. Hobeln) abgelegt sind
• die Prozeßmixdatenbank, in der alle Fertigungsstufen für alle Artikel hinterlegt sind (z.B. Buche: Trocknen, Sägen, Abrichten) und
• die Datenbanken zu Ressourcenverbräuchen von Rohstoffen, berechnet vom Wuppertal-Institut.
Die Diagrammdarstellung (Abb. 4) gibt dem Hersteller sowie dem Kunden die Möglichkeit, sich auftragsbezogen einen schnellen Überblick über die Gesamtressourcenverbräuche zu verschaffen.
Ausblick
Mit dem Umwelt-Informations-System wird es möglich, Aufträge mit umweltrelevanten Daten zu hinterlegen, so daß Aussagen über die Umweltverträglichkeit auch einzelner Artikel gemacht werden können. Die „ökologischen Kosten“ eines Auftrages können somit den betrieblichen Kosten gegenübergestellt werden. Voraussetzung ist, daß alle artikelbezogenen Fertigungsdaten betriebsspezifisch erfaßt sind.
Die Koppelung der prozeß- und produktlinienweiten Stoffströme mit den lebenszyklusweiten Ressourcenverbräuchen stellt heute noch weitestgehend Neuland dar. Die vielen positiven Ergebnisse der bisherigen Umsetzung bestätigen die Überzeugung, sowohl in der wissenschaftlichen Forschung als auch bei Kambium, den richtigen Weg eingeschlagen zu haben. Zur großen Freude aller Beteiligten wird ein Absolvent der Fachschule die Arbeit bei der Firma Kambium im Rahmen seiner Tätigkeit als Holztechniker fortsetzen.
Darüber hinaus wird gemeinsam intensiv darüber nachgedacht, wie umweltbezogene Themen verstärkt in die Ausbildung an der Fachschule für Holztechnik integriert werden können. Mit der erfolgreichen Zusammenarbeit in der geschilderten Projektarbeit zwischen Schule, Betrieb und Wissenschaft wurde ein erster zukunftsweisender Schritt getan. n
Literaturhinweis:
[1] Keser, S.; Lang, W.; Schattke, M. (1997): Konzeption und Erstellung eines rechnergestützten Umwelt-Informations-Systems. Technikerabschlußarbeit, Fachschule für Technik Detmold, in Kooperation mit der Kambium Möbelwerkstätte GmbH in Lindlar und dem Wuppertal Institut für Klima, Umwelt, Energie GmbH.
[2] Liedtke C., Nickel R., Rohn H., Tischner U. (1995): Öko-Audit und Ressourcenmanagement bei dem Unternehmen Kambium Möbelwerkstätte GmbH, Endbericht, Wuppertal Institut für Klima, Umwelt und Energie, Wuppertal.
[3] Schmidt-Bleek F. (1994): Wieviel Umwelt braucht der Mensch? MIPS – Das Maß für ökologisches Wirtschaften, Birkhäuser Verlag, Basel, Boston, Berlin
Michael Eckert
Fachschule für Holztechnik an der Felix-Fechenbach-Schule, Klingenbergstraße 2, 32758 Detmold
Christoph Gehrt
Kambium Möbelwerkstätte GmbH, Schreinerweg 10, 51789 Lindlar
Dr. Christa Liedtke, Holger Rohn
Wuppertal Institut für Klima, Umwelt, Energie GmbH, Döppersberg 19, 42103 Wuppertal
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