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Schall, der über die Flanken kommt

Schallschutz
Schall, der über die Flanken kommt

Ende der neunziger Jahre war der Schallschutz von Gipskarton-Montagewänden verstärkt in die Diskus-sion geraten, weil ausgeführte Konstruktionen bei verschiedenen nachträglichen Messungen nicht die zu erwartenden Werte erreichten. Eingehendere Unter-suchungen haben dann gezeigt, dass die schon mehrere Jahrzehnte alten Rechenwerte der Schalldämm-Maße aus Tabelle 23 des Beiblatts 1 zu DIN 4109 nicht mehr mit der Realität übereinstimmen. Unser Autor, Markus Hoeft, erläutert in folgendem Beitrag die verschiedenen Indices und die Unterschiede mit und ohne Apostroph.

Die Art und Weise des Bauens hat sich in mehrfacher Hinsicht stark verändert. Die (nunmehr veralteten) Werte der Norm waren einmal in einem Betontunnel mit relativ schweren, flankierenden Wänden ermittelt worden. Diese Prüfanordnung entsprach damals auch ungefähr den tatsächlichen Bedingungen auf der Baustelle. Inzwischen haben aber eine Reihe von Leichtbauweisen Einzug gehalten, so dass heute in der Realität schwere angrenzende Bauteile eher die Ausnahme denn die Regel sind: Die flankierenden Wände sind oft selbst Montagewände oder bestehen aus Porenbeton bzw. porosierten Ziegeln, die Decken haben abgehängte Unterdecken und am Boden setzten sich schwimmender Estrich sowie Doppel- oder Hohlraumböden durch.

Veränderungen gab es auch bei den Gipskarton-Montagewänden selbst. Die Platten für die Beplankung wurden leichter und die Metallständer steifer. Beides hat in Planung und Verarbeitung seine Vorteile, beeinflusst aber gleichzeitig die schalltechnischen Eigenschaften einer Montagewand negativ. Anfang des Jahres 2000 reagierten die Hersteller der Gipskarton-Beplankungen und veröffentlichten neue Werte für das Schalldämm-Maß von Montagewänden. Die Tabelle 23 aus Beiblatt 1 zu DIN 4109 (die ebenfalls solche Werte enthält) wurde bisher formal nicht zurückgezogen, doch entsprechen die dort beschriebenen Schalldämm-Maße nicht mehr der Realität und können deshalb – im Sinne der allgemein anerkannten Regeln der Technik – nicht mehr verwendet werden.
Durch die insgesamt immer leichteren Bauweisen bekommen die Schallnebenwege eine höhere Bedeutung. Deren rechnerische Berücksichtigung ist eigentlich ein “alter Hut”. Die DIN 4109 (samt ihrer Beiblätter) gilt seit rund zwölf Jahren in dieser Form und geht ausführlich auf die flankierenden Bauteile ein. Doch in Zeiten mit überwiegend massiver Bauweise konnte sich der Planer bei der Schallschutzberechnung einige “Großzügigkeiten” erlauben, ohne deshalb völlig an der Realität vorbei zu planen. Bei Skelettbauten muss heute jedoch unbedingt der Abschnitt 5 aus Beiblatt 1 der DIN 4109 beachtet werden, wenn die geforderten Schalldämm-Maße auch tatsächlich erreicht werden sollen.
Herstellerangaben nur für die trennende Wand
Im Mittelpunkt der Ausführungen zur Luftschalldämmung steht in der ganzen DIN 4109 das Schalldämm-Maß R, das aber in der Norm in vielen Variationen enthalten ist, die untereinander mit Indices und dem Vorhandensein oder Nichtvorhandensein eines kleinen Strichs (Apostroph) unterschieden werden.
Die Hersteller der Beplankungen geben in ihren Unterlagen die Werte Rw,R für die trennende Montagewand an. Das “w” steht für bewertet: Das eigentlich frequenzabhängige Schalldämm-Vermögen eines Bauteils/einer Konstruktion ist zu einer handlichen und Frequenz unabhängigen Einzahl-Angabe zusammengefasst. Der Index “R” steht für Rechenwert und beschreibt den Unterschied zu Werten vom Prüfstand (Index P). Das in der DIN 4109 erwähnte Vorhaltemaß von 2 dB, das den Unterschied von lehrbuchartigen Labor- und realen Baustellenbedingungen kompensiert, ist also bei einem mit “R” indizierten Wert schon berücksichtigt. Rw,R ist sozusagen rechenfertig.
Die Bezeichnung hat kein Apostroph, d. h. sie gilt nur für die trennende Montagewand selbst, nicht aber für Nebenwege. Wären die Nebenwege berücksichtigt, würde es R’w,R heißen. Eine solche Angabe kann aber natürlich kein Hersteller liefern, weil er nicht die Bauweise der flankierenden Bauteile kennt und außerdem verbindliche Erklärungen in der Regel nur zu seinem eigenen Produkt abgibt.
Schalllängsleitung der Nebenwege
Als Nebenwege kommen eventuell durch die betreffende Wand führende Installationskanäle und in jedem Fall die flankierenden Bauteile in Frage. Flankierend sind solche Bauteile, die an beiden Seiten der trennenden Wand in konstruktiv gleicher Ausführung – sozusagen durchlaufend – ausgeführt sind. Eine nur einseitig und stumpf anstoßende seitliche Wand ist nach DIN 4109 nicht als flankierende Wand zu berücksichtigen. Häufig wird man aber vier Flanken haben: die Decke, den Boden sowie die rechte und linke flankierende Wand.
Maßgeblich für die Schallübertragung durch die flankierenden Bauteile ist die Schalllängsleitung RL dieser Bauteile. Auch hier benötigt man wieder einen bewerteten Rechenwert (Indices “w” und “R”). Im Beiblatt 1 zu DIN 4109 sind für eine Reihe von Wand-, Estrich- und Deckenkonstruktionen die Werte für RL,w,R aufgeführt (Tabellen 25, 26, 29, 30, 31, 32 und 33). Bei hier fehlenden Konstruktionen kann man eventuell den Hersteller befragen, ob er Messungen für andere flankierende Aufbauten hat ausführen lassen.
Hat man die Rechenwerte RL,w,R für alle flankierenden Bauteile beieinander (und natürlich Rw,R für die eigentlich zu berechnende trennende Wand – R immer noch ohne Strich), dann kann auf drei Wegen das resultierende Schall-dämm-Maß des trennenden Bauteils mit Berücksichtigung der Nebenwege ermittelt werden:
• vereinfacht durch den Nachweis nach Abschnitt 5.3 Beiblatt 1
• rechnerisch durch die Formeln 7 und 8 aus Abschnitt 5.4 Beiblatt 1
• vereinfacht rechnerisch mittels eines Additionsschemas.
Sehr verkürzt dargestellt beruht der vereinfachte Nachweis darauf, dass man von jedem Ausgangswert RL,w,R und Rw,R pauschal 5 dB “Angst” abzieht und trotzdem jeder Wert noch über dem erforderlichen Schalldämm-Maß liegt. Wenn also beispielsweise der schlechteste (= kleinste) Ausgangswert 52 dB beträgt, darf der erreichbare Schallschutz mit 47 dB angesetzt werden. Das Verfahren ist in der Tat einfach, allerdings auch ungenau. Es kann zu kostensteigernden schalltechnischen Überdimensionierungen der Bauteile führen.
Der vollständige Rechengang über die Formeln 7 und 8 aus Beiblatt 1/DIN 4109 ergibt natürlich wesentlich genauere Ergebnisse, er ist jedoch aufwändig, selbst wenn ein Computerprogramm zur Verfügung steht.
Oft kann das mit einer konkreten Konstruktion erreichbare Schall-dämm-Maß auch über ein Additionsschema ermittelt werden, das sich sogar ohne Taschenrechner ausführen lässt. Bei diesem Schema sind als Ausgangswerte die RL,w,R-Angaben (ohne Apostroph) aus Beiblatt 1 und/oder den Herstellerangaben zu verwenden, sofern die Räume Höhen zwischen 2,5 und 3 m sowie Raumtiefen von etwa 4 bis 5 m aufweisen. Das dürfte in vielen Fällen der alltäglichen Arbeit zutreffen. Weicht aber die Geometrie der Räume stark von diesen Vorgaben ab, müssen zunächst für jedes flankierende Bauteil die Werte R’L,w,R (mit Apostroph) ermittelt werden (Formel 8 aus Beiblatt 1), um dann mit diesen Ergebnissen in das Additionsschema einzusteigen.
Potenzial bei den konstruktiven Details
Doch wie immer man auch rechnet, beim Ergebnis R’w,R (jetzt mit Apostroph, also mit Flanken) verblüfft häufig der große Einfluss, den die flankierenden Bauteile auf den Schallschutz einer trennenden Montagewand haben. Ist das festgestellte Schalldämm-Maß einer Konstruktion kleiner als das erforderliche, dann sollten konstruktive Verbesserungen sowohl für die trennende Wand als auch für die Flanken und die Ausbildung der Anschlüsse zu den Flanken ins Auge gefasst werden.
Bei der trennenden Wand selbst sind etwa folgende Verbesserungen möglich:
• Doppelte statt einfache Beplankung
• Dickere Dämmung
• Doppelständerwand statt Einfachständerwand
• Wechsel des Beplankungsmaterials.
Die Veränderungen der trennenden Wand basieren vor allem auf der Masse. Indem die Wand schwerer geplant wird, soll sie auch stärker schalldämmend wirken. Ab einem gewissen Punkt erreicht man hier mit viel Aufwand nur noch relativ wenig Nutzen. Wesentlich eleganter können hingegen intelligent geplante Flanken und Anschlussdetails den Schallschutz verbessern:
• Wenn die Montagewand auf dem Estrich steht, durchgehende Trennfuge anordnen
• Montagewand auf die Rohdecke (statt auf den Estrich) stellen und mit Randstreifen entkoppeln
• Obere Rohdecke abhängen, Montagewand aber bis zur Rohdecke führen
• Wenn die Montagewand nur bis zur Unterdecke reicht: Absorberschott in der Unterdecke vorsehen
• Massive flankierende Wand mit Vorsatzschale versehen
• Beplankung der flankierenden Montagewand im Anschlussbereich trennen (mit Schlitz planen)
• Flankierende Montagewand insgesamt verbessern (wie oben: Beplankung doppelt usw.).
Jeder dieser Schritte verursacht natürlich Aufwand und damit Kosten. Der Planer hat nun die Freiheit, aber auch die Verantwortung, mit dem geringsten Aufwand den notwendigen Verbesserungseffekt zu erreichen. Ein erstes Augenmerk sollte dabei stets den schwächsten Gliedern in der Kette gelten, also den Bauteilen mit den schlechtesten (= kleinsten) Rechenwerten RL,w,R und Rw,R.
Konsequenzen auch für Ausschreibung und Ausführung
Die Berücksichtigung der Schallnebenwege kann sich auf die Beziehungen vom Planer zum Bauherrn bzw. vom Planer zum Verarbeiter auswirken. Wenn der Bauherr etwa sehr konkrete Wünsche für die Ausführung der flankierenden Bauteile äußert, muss man ihm eventuell klarmachen, dass sich dann der Schallschutz der trennenden Montagewände nicht mehr oder nur noch mit großem Aufwand realisieren lässt. Sieht der Planer schalltechnische Verbesserungen vor, sollte auch deren tatsächliche Ausführung überprüft werden. Eine eventuelle Trennfuge im Estrich muss beispielsweise durchgehend sein und nicht nur eine Schattenfuge. Bei durchgehenden Fugen befürchten die Verarbeiter aber oft, dass sie Installationen unter dem Estrich zerstören. Wenn die Montagewand steht, lassen sich die Fugen nicht mehr überprüfen.
Berücksichtigt man die Forderungen der DIN 4109 zu den flankierenden Bauteilen, muss eventuell auch das Ausschreibungsverhalten verändert werden. Der Planer kann nicht einfach eine Montagewand für das erforderliche Schalldämm-Maß R’w,R (mit Apostroph) ausschreiben, weil der Verarbeiter dann die Art der flankierenden Bauteile kennen und zudem die oben beschriebene Berechnung ausführen müsste. Ausgeschrieben werden kann eigentlich nur die Montagewand mit einem bestimmten Wert Rw,R (ohne Apostroph).
Informationen der Hersteller
Es wurde schon angedeutet, dass der gesamte Komplex der Schall-übertragung durch flankierende Bauteile eigentlich seit November 1989 in der beschriebenen Form geregelt ist. Doch die Anfang 2000 mitgeteilten veränderten Schall-dämm-Maße von Montagewänden mit Gipskartonbeplankung haben zu einer verstärkten Beachtung auch der flankierenden Bauteile geführt. Die Hersteller der Beplankungen haben deshalb eine Informationsoffensive gestartet. In Sonderdrucken bzw. Broschüren teilen sie die neuen Schalldämm-Maße Rw,R für Montagewände aus ihren Platten mit und gehen detailliert auf die Berechnung von R’w,R ein.
Teilweise gab es im Gefolge dieser Entwicklungen auch neue Produkte. So hat beispielsweise Rigips für einen verbesserten Schallschutz “Die Blaue” auf den Markt gebracht, eine Gipskartonplatte, mit der um 2 bis 4 dB höhere Schalldämm-Maße bei Metallständerwänden zu erreichen sind. Der Karton der Platten ist blau eingefärbt, so dass es jetzt neben den grünen Feuchtraumplatten eine weitere farbliche Kennzeichnung für Sonderplatten gibt. Knauf entwickelte die Platte “Piano”, mit der eben-falls ein höherer Schallschutz erreichbar ist.
Für Montagewände aus Gipsfaserplatten traf die nun nicht mehr zu verwendende Tabelle 23 aus Beiblatt 1 zu DIN 4109 schon früher nicht zu, weil diese Platten nicht nach DIN 18 180 normiert sind. Dadurch gab es bei Gipsfaserplatten auch keine Veränderungen der Schalldämm-Maße. Der beschriebene Berechnungsalgorithmus der Norm gilt jedoch für Gipskarton- und Gipsfaserplatten gleichermaßen. o
Namhafte Hersteller von Gipskarton- und Gipsfaserplatten:
Danogips GmbH, 40549 Düsseldorf
Fels-Werke GmbH, 38604 Goslar
Gyproc GmbH, 40878 Ratingen
Gebr. Knauf, 97343 Iphofen
Lafarge Gips GmbH, 34121 Kassel
Rigips GmbH, 40509 Düsseldorf
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Schallmessung in der Praxis: Michael Fuchs (r.) und Simon Holzer bei raumakustischen Messungen in einem Objekt (Friseursalon Max in Wallersdorf). Foto: Barbara Kohl, Kleine Fotowerkstatt
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