Wände erzählen

„Eigentlich wollte ich nur einige schöne Bilder aufhängen“, so der Gastwirt nach der Erweiterung seiner Gaststätte in Stuttgart-Degerloch. Doch dann stellte er fest, daß der Nebenraum viel zu hallig – zu laut – war. Schallabsorbierende Maßnahmen mußten also getroffen werden, um die Nachhallzeiten zu senken und so die Sprachverständlichkeit im Raum zu verbessern. Die Decke mit integrierter Beleuchtung war fertig und den Parkettboden wollte man nicht unter einem Teppich verschwinden lassen – blieben somit nur die Wände, die schallschluckend aus- bzw. nachgerüstet werden mußten.

In Zusammenarbeit zwischen dem Gastwirt, einem Schreiner und dem freien Künstler Walter Schimpf entstand so eine Restaurantatmosphäre, die allen schalltechnischen und optischen Ansprüchen der Wirtsleute gerecht wird. Die Arbeiten und Bilder von Walter Schimpf, die in vielen Jahren von Leinfelden, Echterdingen und dem ganzen Filderraum entstanden sind, belegen die hohe Verpflichtung gegenüber seiner Heimat und bewahren eine Erinnerung an längst vergangene Zeiten. Diese heimatlichen Bilder zeugen erzählerisch von den eigenen Erinnerungen – es geht um Stimmungen, um Orte und Plätze, um Kindheit, um Vertrautheit mit einem Land und um die kleinen und großen Momente im Leben. So ist das eine Wandbild der „Alten Zahnradbahn – der Zacke“ gewidmet und zeigt einen Blick über Stuttgart mit einem Pferdegespann, das mit Filderkraut der Stadt zufährt. Der herbstlich farbige Weinstock daneben gibt den Hinweis auf die Weinlese an der „Neuen Weinsteige“. Das gegenüberliegende Bild zeigt den alten Ortskern von Degerloch und das bäuerliche Thema „Erntestimmung“ – so wie es eben damals noch in Degerloch war. Das Gestern erscheint in den Werken von Walter Schimpf erstaunlich fröhlich und farbig. Die vielzitierte künstlerische Freiheit mag das eine sein – wichtiger ist der persönlich-emotionale Zugang aus der Erinnerung des Künstlers und seiner Heimat.

Die ahornfurnierte Platten und aufgeleimten, massiven Stäbe und Klötze wurden mit lichtechter Wasserbeize bemalt und danach zweimal mit farblosem Mattlack lackiert. Die schallbrechende Wirkung der Stäbe und Klötze war so wirksam, daß auf eine Mineralwollmatte – rückwärtig auf die aufgehängte Wandtafel gebracht – verzichtet werden konnte. n

Künstlerische Ausführung: Walter Schimpf, Leinfelden

Technische Ausführung: Schreinerei Groß, Leinfelden

BM-Fotos: Frank Herrmann

Der Künstler Walter Schimpf ist 1928 in Stuttgart geboren und wuchs in Leinfelden auf. Nach dem Besuch der Freien Kunstschule in Stuttgart, studierte er an der Staatlichen Akademie der bildenden Künste. In den Jahren 1963 bis 1967 übernahm er einen Lehrauftrag an der Hochschule für angewandte Kunst in Istanbul. Ein Studienaufenthalt in Rapallo schloß sich an. Walter Schimpf lebt und arbeitet heute als freischaffender Künstler in Leinfelden.