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Seifriz-Preis für Holzmanufaktur Rottweil

Der Vergangenheit eine Zukunft geben
Holzmanufaktur Rottweil erhält Seifriz-Preis für Innovation im Denkmalschutz

Die Holzmanufaktur Rottweil ist spezialisiert darauf, den Charakter von historischen Fenstern zu erhalten. Dafür entwickelte die Schreinerei, in Kooperation, ein besonderes Verfahren, um bestehende Verglasungen energetisch zu optimieren. Für dieses und weitere Projekte wurde die Manufaktur mit zahlreichen Preisen geehrt.

 

Rainer Hardtke

„Innovativer Denkmalschutz – ja, geht denn das?“ Der Autor hat sich nicht getraut, dem Geschäftsführer Vertrieb der Holzmanufaktur Rottweil, Hermann Klos, diese provokante Frage zu stellen. Wahrscheinlich hätte er nur mitfühlend gelächelt und auf den Seifriz-Preis verwiesen, den die Holzmanufaktur aus dem Neckartal als einer der drei aktuellen Hauptpreisträger erhalten hat für das Projekt „Beitrag zum Klimaschutz: Ertüchtigung historischer Fenster“. Ausgezeichnet werden mit dem Seifriz-Preis seit 30 Jahren innovative Kooperationen von Handwerk und Wissenschaft. „Das sind hauptsächlich Best-Practice-Beispiele für den gelungenen Transfer zwischen Handwerk und Wissenschaft, die zu besseren, kundengerechten Lösungen geführt haben. Gleichzeitig liefert der Preis eine ideale Plattform, um solche Beispiele einer breiten Öffentlichkeit bekannt zu machen“, sagt Hans Peter Wollseifer, Präsident des Zentralverbandes des Deutschen Handwerks.

Im Falle der Holzmanufaktur Rottweil handelte es sich da um die Erhaltung und gleichzeitige Verbesserung einer vorhandenen Fensterverglasung. Um die Verluste historischer Fenster zu verhindern, entwickelte die Holzmanufaktur zusammen mit dem Fraunhofer-Institut für Bauphysik (IBP) und dem Kompetenzzentrum für Denkmalwissenschaften und Denkmaltechnologien (KDWT) der Otto-Friedrich-Universität Bamberg ein Verfahren, bei dem bestehende Verglasungen weiterverwendet werden können. Die in dem Projekt gefertigten und bereitgestellten Musterfenster sorgen mit ihren dünnen Isoliergläsern für eine Verbesserung am Fenster selbst. „Bedeutet: Die größte energetische Schwachstelle am Fenster, die Verglasung, wird durch eine effizientere Isolierverglasung behoben. So lassen sich Ressourcen schonen und historische Konstruktionen erhalten“, sagt Hermann Klos.

Altes ertüchtigen statt durch Neues ersetzen

Nach diesem Grundprinzip der Holzmanufaktur haben die Projektpartner eine Methode gefunden, um bestehende Verglasungen energetisch so zu verbessern, dass der Ug-Wert, um ein Fünffaches gesteigert werden konnte und teilweise über dem eines neuen Fensters liegt. Die vorhandenen Fensterscheiben werden hierfür vorsichtig ausgebaut, gereinigt und als äußere Ebene im jungfräulichen Isolierglas verbaut. Somit ändert sich an der Optik des Fensters nur sehr wenig. Der Jury gefiel am Projekt vor allem der Ansatz, Altes zu bewahren und es durch Innovation besser zu machen, es zu „ertüchtigen“ – ein Thema, das vor dem Hintergrund knapper Ressourcen und steigender Rohstoffpreise immer wichtiger werde. „Ertüchtigung ist ein alter Begriff, der erst einmal nicht mit Innovation verbunden wird“, so der Jury-Vorsitzende Prof. Dr. Michael Auer von der Steinbeis-Stiftung bei der Preisverleihung. Man denke in der Kreislaufwirtschaft eher an die Wiederverwertung von Einzelkomponenten. Das Bestehende als Ganzes in Aussehen und Funktion zu erhalten und zu optimieren, sei ein starker Trend, das Projekt daher besonders hervorzuheben.

Für Hermann Klos, einen der Geschäftsführer der Holzmanufaktur, ist dieser Ansatz eine Selbstverständlichkeit. „Uns hat schon immer interessiert, wie wir Ressourcen schonen können. Das war von Anfang an unser Antrieb. Mich hat nachdenklich gemacht, dass Dinge auf den Müll geworfen werden, die handwerklich hochwertig hergestellt wurden. Das treibt uns bis heute um“, so Klos. Glücklicherweise finde langsam ein Umdenken statt. „Im Zuge der Energiekrise in den 70er-Jahren hat man schnell saniert, Altes einfach rausgerissen und Neues, scheinbar Effizienteres, eingebaut. Heute denkt man da anders“, fügte Klos an. „Es ist ein wichtiges Anliegen der Denkmalpflege, den Charakter von historischen Gebäuden zu erhalten – auch die Fenster“, erklärt Projektmitarbeiterin Alexandra Schmölder von der Uni Bamberg. „Alte Fenster sind gerade deshalb charmant, weil sie nicht ganz perfekt und dadurch viel lebendiger sind.“ Wellen, Einschlüsse, gebrochenes Licht: Solche Effekte machen historisches Fensterglas einzigartig und authentisch. Das Uni-Projekt „Klimaglas“ untermauert erstmals messtechnisch, dass es neben dem denkmalpflegerischen auch ein ökologisches Argument gibt, alte Fenster zu erhalten. Außerdem können historische Glasscheiben Schwermetalle enthalten, sodass kein Recycling möglich ist. Sie enden bislang oft als Abfallglas.

Energieeffiziente Fenster

Kombiniert man nun beispielsweise ein historisches Kastenfenster mit einer modernen Scheibe, vermeidet man Wärmeverlust und senkt den CO2-Abdruck. Es ist nicht nötig, das alte durch ein neues, dreifachverglastes Fenster zu ersetzen. Das Projektteam der Universität Bamberg hat für das Projekt unter anderem recherchiert, wie Glasscheiben damals hergestellt und welche Ressourcen dabei verbraucht wurden. Es kooperiert mit dem Fraunhofer-Institut für Bauphysik in Holzkirchen und Stuttgart, das mehrere modellhafte Konstruktionen messtechnisch überwacht und die Energieeffizienz errechnet hat. Die Messungen in der Alten Schäfflerei des Klosters Benediktbeuern bestätigen etwa, dass ein Kastenfenster in Kombination mit modernem Glas energieeffizient ist und sich kein Schimmel im Zwischenraum bildet.

„Klimaglas“ war die Kurzbezeichnung für das Projekt „Innovative Lösungen für die energetische Ertüchtigung historischer Gläser und Glasfenster – Praxisversuche in der Alten Schäfflerei, Kloster Benediktbeuern“. Es lief von Oktober 2018 bis August 2021 und ist die Basis für das Seifriz-ausgezeichnete Projekt.

„Ähnliche Kooperationen haben wir in der Vergangenheit gepflegt und werden dies auch weiter tun“, bekennt Herman Klos. Auch wirtschaftlich hat das dreiköpfige Geschäftsführerteam – neben Klos der technische Leiter Günther Seitz und die Geschäftsführerin für Administration, Adelina Dodolli – die Zukunft fest im Blick: So läuft derzeit ein EU-Förderantrag über 2,2 Mio. Euro, um das Pilotprojekt der Fenster-Ertüchtigung, für das die Holzmanufaktur den Seifriz-Preis erhielt, in die Breite zu tragen. Zusätzlich plant das Unternehmen eine firmeneigene Akademie, in der sich Architekten und Bauherren informieren und weiterbilden können.

Zündende Ideen in der alten Pulverfabrik

Angesiedelt ist die vor 35 Jahren gegründete kleine Dorfschreinerei mit fünf Mitarbeitern mittlerweile in den Industriegebäuden einer ehemaligen und heute denkmalgeschützten Pulverfabrik im Norden Rottweils. Aufgegeben im Zuge der Wende und des Aufbaus Ost in den 90er-Jahren, begann die Holzmanufaktur 1993 mit der Revitalisierung und Konversion der alten, teils verfallenen Industriegebäude. „Passanten zeigten uns damals den Vogel und hielten es für absurd, auch nur eine einzige D-Mark in den Standort zu investieren“, lächelt Hermann Klos heute. Mittlerweile arbeiten für die Holzmanufaktur in den alten Hallen etwa 110 Mitarbeiter nach streng handwerklichen Grundsätzen, CNC-Fräsen, künstliche Intelligenz und Roboter sucht man vergebens, dafür finden sich umso mehr Gestellsägen, Klüpfel, Schlichthobel und weiteres traditionelles Schreinerwerkzeug. Bedient wird alles von bodenständigen Handwerkern: Schreinern, Malern, Schlossern, Glashandwerkern, Restauratoren und Kaufleuten und weiteren Berufen in der Administration – nahezu alle Berufe werden zudem auch vor Ort ausgebildet. Der Ruf muss laut sein, kommen doch viele Mitarbeiter nicht aus der Nähe, sondern aus dem gesamten Bundesgebiet.

Bei der Wahl der Partner und Rohstoffe geht man allerdings regional vor. Als Lieferanten für alte Beschläge, aufwendige Schnitzarbeiten oder seltene handwerkliche Tätigkeiten – „dort, wo man die eigenen Grenzen erkennt“ – sucht sich die Holzmanufaktur Partnerunternehmen ausschließlich in der Nähe und in Süddeutschland und legt großen Wert auf deren handwerkliche Fähigkeiten. Andere Märkte wie Polen oder Italien meidet man schon allein wegen der Lieferkettenproblematik. Aus der Nähe stammt auch das verwendete Holz: Kiefer, Fichte, Tanne oder Eiche, was man auch früher verbaute, stammt aus zertifiziertem Anbau aus dem Schwarzwald, dem Spessart oder dem Elsass.

Klimaschutz, Ressourcenschonung, Sicherheitstechnik und Denkmalschutz müssen sich nicht ausschließen, wie die Holzmanufaktur beweist. Magnetkontakte werden so installiert, dass sie von außen möglichst „unsichtbar“ sind. Auch sommer- oder winterlicher Sonnenschutz sei kein Problem, sagt Klos. Elektronische Sicherheitstechnik sei ebenfalls kein Hindernis, schließlich arbeite man auch für viele Museen, „die darauf großen Wert legen und versicherungstechnischen Anforderungen genügen müssen“, betont Klos weiter. Dafür bräuchte man eben auch eine andere Expertise, als dies eine kleine Dorfschreinerei leisten könne. „Da fuchsen wir uns seit 35 Jahren rein“, so Klos.

Hauptabsatzgebiet Sanierung

Rund 90 % der Arbeiten gehen in die Sanierung, wobei der Denkmalschutz den größten Anteil einnimmt. „In Einzelfällen bauen wir auch neue Fenster. Die müssen dann aber ganz weit weg sein von serieller Fertigung“, sagt Hermann Klos. Und gerade im Denkmalschutz lassen sich – Neugier, Expertise und Weitblick vorausgesetzt – Innovationen generieren: „Das Mehrscheibenisolierglas ist die Weiterentwicklung der historischen Kasten-, Panzer- oder Verbundglasfenster. Die Erhaltung der bestehenden Fenstergläser und Kombination zu einer modernen Isolierglaseinheit spart nicht nur Treibhausgase durch fehlende Neuproduktion, sondern sieht auch spannender aus mit ihren individuellen Fertigungsmerkmalen, Schlieren oder Strukturen. Gerade weil wir unser Wissen vermehren wollen, arbeiten wir mit Hochschulen im In- und Ausland und Forschungsinstituten zusammen, um neue Wege zu beschreiten. Der Vergangenheit eine Zukunft geben und der Zukunft eine Vergangenheit. Darum halten wir an alten Dingen fest und entwickeln sie in diesen Sinne weiter“, erklärt Klos die Philosophie seines Unternehmens. Damit sei man vor 35 Jahren ziemlich allein gewesen; mittlerweile gäbe es „einige viele“, die in derselben Richtung unterwegs seien.

Man könne heute nahezu jedes alte Fenster wieder in einen funktionsfähigen Zustand versetzen und gleichzeitig dafür sorgen, dass es modernen Klimaanforderungen gerecht werde. Man dürfe dem restaurierten Fenster eben nicht ansehen, dass „es das verbesserte Original ist“. Früher wurden die Fenster individuell für das jeweilige Haus gebaut, mit persönlicher Handschrift und einer persönlichen Eigenständigkeit.

So erstreckten sich die Projektlaufzeiten oft über ein halbes Jahr oder länger, wie z. B. bei der Restaurierung des Stuttgarter Schlosses mit etwa drei Jahren und einer Größenordnung von über 800 Fenstern. Für ein Ein- oder Zweifamilienhaus müsse man hingegen nur zwei Monate kalkulieren.

Fast 70 % der Auftraggeber sind öffentliche Einrichtungen wie Städte, Kommunen, Landes- oder auch die Bundesregierung. Hauptsächlich würden Schulen und Krankenhäuser saniert; momentan sogar 40 % nur Schulen. Mit rund 40 % Anteil ist die Schweiz der größte ausländische Absatzmarkt und bis auf wenige einzelne Projekte, wie z. B. aktuell in Griechenland oder ein anderes Objekt südlich von Bordeaux in Frankreich, auch der einzige. Baden-Württemberg nähme 20 % des Absatzes ein, 30 % Bayern. Die restlichen 10 % verteilten sich auf das gesamte Bundesgebiet.

Neben Fenstern bringt die Holzmanufaktur auch alte Treppen, Haustüren oder historische Täfelungen wieder zum Erstrahlen, restauriert Holzdecken, Verglasungen oder Oberflächen – manchmal auch aus Metall. Eingehalten werden dabei alle geforderten Funktionswerte, wie sie aus dem Wohnungsbau bekannt sind.

Holzmanufaktur Rottweil GmbH

78628 Rottweil

www.holzmanufaktur-rottweil.de


Der Autor

Rainer Hardtke beschäftigt sich seit rund 30 Jahren mit den Werkstoffen Holz, Glas und Kunststoff.

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