Hölzerner Kristall – weiß umhüllt

Auf den knapp 120 m² Fläche eines sanierten Altbaus im schicken Hamburger Stadtteil Winterhude realisierte das für seine expressiven Entwürfe bekannte Berliner Architekturbüro Graft für seine Kundin ein kleines Wohnjuwel. Die baulichen Vorgaben waren dabei alles andere als einfach: Bestehende Leitungsführungen und Unterzüge mussten berücksichtigt werden und in ein sinnvolles, gestalterisch ansprechendes und funktionsfähiges Konzept eingebunden werden. Neben einer Vielzahl auf die Wünsche der Bauherrin abgestimmter Möbel und Raumelemente sollte das Loft mit einer Fußbodenheizung ausgestattet werden. Eine zweimalig geknickte, abgehängte Decke nahm die technischen Installationen auf und verstärkt den gewünschten Raumeindruck.

Das Ergebnis ist ein kristallartiger Solitär in Nussbaum, der als freistehender Block die Funktionen Küche, Bad, WC und Ankleide aufnimmt. Mit seinen vielfach geknickten und gefalteten Außenflächen prägt er den Raum und dient gleichzeitig als Raumteiler zwischen zwischen Wohn- und Schlafbereich. Bei Bedarf kann die Wohnung durch in den Innenausbau integrierte, raumhohe Schiebtüren in einen privaten und einen öffentlichen Bereich unterteilt werden. Die Laufschienen sind dabei unsichtbar in die abgehängte Decke integriert, die mit ihrer Neigung die Raumteilung noch unterstützt.

Zum Wohnraum hin orientiert nimmt ein Teil des Solitärs die Küchenfunktionen auf. Über dem in die Edelstahlplatte integrierten Gaskochfeld sorgt ein großer Dunstabzug für saubere Luft. Der Kochbereich wird so eingefasst und lässt dennoch den Blick auf den Wohn- und Essraum frei.

Ebenfalls in dieser Einheit verläuft der Hauptversorgungsschacht der Wohnung mit seinen Anschlussstationen für Wasser, Heizung, Gas und Elektrik. Grifflose Revisionstüren ermöglichen hier den Zugang zu den verschiedenen Installationen. Auf der gegenüberliegenden Seite zum Bad hin nimmt eine Edelstahlplatte die Spülbecken auf und weitere Hochschränke sorgen für reichlich Stauraum. Eine 19 mm starke ESG-Scheibe bildet die Nischenrückwand und setzt sich über den Hängeschränken in der Gipskartondecke fort. Sie lässt so Tageslicht in das Bad und bietet von dort aus Sichtbezüge in den großzügigen Loftraum. Interessant dabei: Die Glasscheibe übernimmt keinerlei statische Funktion, vielmehr wurden die Hängeschränke auf beiden Seiten nach den Berrechnungen des Statikers vom Tischler selbstaussteifend und selbsttragend ausgeführt.

Im Zentrum der begehbaren Raumskulptur liegt das Bad mit einer großen Dusche. Der mit glattem Schiefer belegte Boden läuft in diesem Bereich flächig in den Duschbereich hinein. Die außerhalb des eigentlichen Bades liegende Wanne ist ebenfalls in einen schieferbelegten Block eingelassen. Über dem Waschbecken bietet sich hinter vier vollflächig verspiegelten Drehtüren Platz für die im Bad notwendigen Artikel. An schmalen Spiegelstreifen zwischen den Türen ist rückseitig partiell die Verspiegelung ausgespart, sodass das Licht der dahinterliegenden Leuchten durchstrahlen kann.

Im Kontrast zu den glatten Holz- und Glasflächen ist die gegenüberliegende Wand sowie die Badewannennische mit bruchrauen, schmalen Schieferriemchen belegt, die ein plastisches Licht- und Schattenspiel ergeben. Ein holzeingefasster Einschnitt verschafft Ablagefläche und bietet wiederum Durchblick und Sichtbezüge zum Schlafzimmer.

Ebenfalls in den Kern eingebunden ist das vom Eingangsbereich aus begehbare WC. Auch hier sind Wände und Boden mit glattem bzw. bruchrauem Schiefer belegt. Zum Schlafraum hin ist in die Außenhülle ein Bücherregal integriert.

Alle weiteren Schränke und Einbauten, von den Architekten als Servicewände bezeichnet, sind an den Wänden aufgereiht. Sie bilden neben vielen Stauräumen Nischen aus, die zum Verweilen, Arbeiten, Baden oder Schlafen dienen. Alle Sichtflächen sind in MDF deckend weiß lackiert ausgeführt, wobei sich die Fronten grifflos öffnen lassen. Die raumhohen Einbauten zeigen dabei in ihren Konturen ein reizvolles Linienspiel ähnlich den Knicken und Faltungen eines Blatt Papiers. Für die Sitznischen kam ein grauer Leder- bzw. Textilbezug zum Einsatz, Wandflächen wurden partiell mit Rindenfaser belegt.

Bis auf die Sanitärräume wurde im gesamten Loft eine weiße, zementgebundene Bodenbeschichtung aufgebracht. Diese sogenannte Pandomo-Beschichtung wurde geschliffen und anschließend poliert.

Die Umsetzung eines solch komplexen Entwurfes erfordert eine strukturierte Herangehensweise: Die von den Architekten angefertigten Detailzeichnungen wurden in CAD/CAM-Daten umgewandelt und in der Tischlerei Kathrein in Berlin-Mariendorf umgesetzt. Das Unternehmen mit zehn Mitarbeitern hat seinen Schwerpunkt in der Anfertigung von hochwertigen Einzelmöbeln, Serienprodukten sowie gehobenen Innenausbauten. Die Werkstattausstattung mit eigener Lackiererei und CNC-Bearbeitungszentrum bietet alle Möglichkeiten zur Durchführung solcher Aufträge. Dabei wurden schon einige Projekte mit den Architekten von Graft realisiert. Dennoch stellte das dargestellte Objekt mit einer gesamten Zeitdauer von etwa fünf Monaten eine besondere Herausforderung für Thomas Kathrein und sein Team dar: Die Komplexität und die räumliche Distanz zwischen dem Herstellungs- und dem Einbauort machten die Montage in mehreren Etappen notwendig. Das Ergebnis lässt sich sehen. Bei einem Gesamtvolumen von fast 150 000 Euro für den Innenausbau war der Hamburger Loftausbau allerdings auch für seinen Betrieb kein ganz kleiner Fisch. (hf) ■

Innenarchitektur:

Graft Gesellschaft von

Architekten mbH

10557 Berlin

Innenausbau:

Kathrein Tischlerei und

Innenausbau GmbH

12107 Berlin

Bodenbeschichtung:

Naturo Bodengestaltung

20355 Hamburg

Fotos: Tobias Hein, Berlin