Dass ein Bautagebuch nicht ausreicht, um die Arbeitszeit objektiv zu dokumentieren, hat jetzt ein Urteil des Arbeitsgerichts Emden gezeigt: Der Kläger war für einige Wochen als Bauhelfer tätig. Nach Ende der Beschäftigung differierten die von ihm privat aufgezeichneten Arbeitszeiten mit denen des Bautagebuches, auf dessen Grundlage die Entlohnung stattfand. Der Arbeitnehmer verklagte das Bauunternehmen auf eine Lohn-Nachzahlung und bekam Recht.
Gericht sieht Grundrecht missachtet
Hintergrund ist das EuGH-Urteil vom Mai 2019, demnach eine Arbeitszeiterfassung Pflicht ist. Seitdem wird auf eine Anpassung des deutschen Rechtes gewartet. Jedoch sei eine fehlende oder nicht ausreichende Zeiterfassung schon heute gesetzeswidrig, so Michael Stausberg, Geschäftsführer der virtic GmbH & Co. KG, einem Spezialisten für Zeiterfassung. Das zeige nun das Urteil vom Arbeitsgericht Emden. „Das EuGH-Urteil zur Arbeitszeiterfassung legt fest, dass Unternehmen ein objektives, verlässliches und zugängliches System zur Erfassung nutzen müssen.“ Doch lässt sich schon aus der Charta der Grundrechte der EU (GrCH) in Verbindung mit dem deutschen Arbeitszeitgesetz schließen, dass eine Zeiterfassung nötig ist. „Darauf beruft sich das Arbeitsgericht Emden bei einem aktuellen Urteil. Unternehmen, die Arbeitszeiten nicht erfassen, kommen ihren Pflichten nicht nach, und das unabhängig von einer Angleichung des deutschen Arbeitszeitgesetzes.“
Auch Fahrt- und Rüstzeiten müssen dokumentiert werden
Viele Unternehmen gingen bisher davon aus, dass das EuGH-Urteil erst nach einer Anpassung des deutsches Arbeitszeitgesetzes seine Wirkung auf die betriebliche Praxis entfaltet. Nun zeigt das Emdener Urteil, dass das EuGH-Urteil schon heute Entscheidungsgrundlage sein kann. Das vorgelegte Bautagebuch erfüllte nach Ansicht des Gerichts die Anforderungen an Objektivität und Zugänglichkeit nicht. Es wurde der Bauablauf dokumentiert, nicht aber die individuellen Arbeitszeiten inklusive Fahrt- und Rüstzeiten.
Deshalb warnt Michael Stausberg: „Das Arbeitsgericht Emden hat die Rechtslage so interpretiert, wie viele Experten es unmittelbar nach dem EuGH-Urteil erwartet haben: Auch ohne die Anpassung des deutschen Arbeitszeitgesetzes müssen Unternehmen schon heute ein geeignetes System zur Zeiterfassung einsetzen.“ (ra)