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Déjà vu!

Meisterstück: Kopiert oder selbst kreiert?
Déjà vu!

Es gab Zeiten, da war das Kopieren eine normale Tätigkeit. Maler kopierten Bilder, Bildhauer Skulpturen und Schreiner eben Möbel. In einem Film über die französische Bildhauerin Camille Claudel signiert ihr Lehrmeister, der berühmte Bildhauer Rodin, eine ihrer Kopien mit seinem Namen. Eine Geste großer Anerkennung. In Zeiten industrieller Reproduktionstechniken hat die Kopie einen schlechten Ruf. Es droht Strafe, nicht Lob!

Angehende Schreinermeister stehen vor dem Problem, das eigene Stück entwerfen und planen zu müssen. Besucher von Vollzeitschulen erhalten dabei gute Unterstützung von den betreuenden Lehrern, denn das Thema Gestaltung nimmt einen recht großen Teil des Unterrichts ein.

Ganz anders sieht es bei Gesellen aus, die sich berufsbegleitend abends und am Wochenende auf ihre Meisterprüfung vorbereiten. Nach relativ wenig Unterrichtseinheiten sollen sie befähigt sein, ein Möbel zu gestalten. Im Vergleich zur neuen Meisterprüfungsverordnung, verlangte die alte Prüfungsordnung sogar noch einen eigenständigen Entwurf – etwas an dem sich gestandene Designer bisweilen die Zähne ausbeißen. So genannte, individuelle Hochpreisküchen beispielsweise, präsentieren sich heutzutage so, als stammten sie alle vom gleichen Planer!
Da liegt doch – Hand aufs Herz – die Versuchung nahe, mal eben etwas zu kopieren. Mittlerweile gibt es eine Anzahl an Büchern und Sonderausgaben, die beispielhafte Meisterstücke zum Thema haben. Warum sollte man sich dort nicht umschauen und einen schönen Möbelentwurf variieren oder einfach übernehmen?
Vordergründig soll der Prüfling beweisen, dass er handwerklich und kaufmännisch in der Lage ist, einen Betrieb meisterlich zu führen. Die Prüfungsordnung von 2008 ist nun näher an der Realität. Sie besagt, dass neben dem traditionellen Meisterstück, eine Einrichtung oder aber ein Kundenauftrag geplant und ausgeführt werden soll.
Wird als Meisterstück ein Möbel zur späteren persönlichen Verwendung kopiert, kann das Recht auf eine Privatkopie zur Anwendung kommen. Das Kopieren mag ethisch nicht korrekt sein, rechtlich ist es eher unproblematisch. Anders sieht es aus, wenn das Stück im Kundenauftrag gefertigt wird. Dabei entsteht ein wirtschaftlicher Mehrwert und hier schützt der Gesetzgeber den Urheber. Womöglich existieren aktive Schutzrechte wie Geschmacks- oder Gebrauchsmuster. Wird ein solcher Entwurf gar veröffentlicht, ist der Ärger vorprogrammiert.
Geht man über die einschlägigen Möbelmessen, wimmelt es dort von Gleichem. Bei einem Meisterstück jedoch handelt es sich nicht um ein Möbelhausstück, sondern im besten Fall um ein Unikat. Oft genug ist es so aufwändig gefertigt, dass der Preis die Fünfstelligkeit erreicht!
Auf das Thema Kopie angesprochen höre ich von Gestaltungskollegen oft den Spruch: „Man kann das Rad nicht neu erfinden!“ Stimmt! Trotzdem kann ein Gestalter einiges unternehmen, um sich vom Vorbild zu differenzieren.
Jörg Sigge – Dozent an der Meisterschule in Garmisch-Partenkirchen – weist auf den Prozess des Entwerfens hin. „Die Entwicklungsmappe dokumentiert den Entwurf, dabei ist uns eine Eigenständigkeit wichtig. Wir weisen die Schüler auf Kopien, soweit sie uns bekannt sind, hin. Trotzdem bleiben gelegentlich Ähnlichkeiten.“
Thomas Herres, von der Meisterschule Ebern, erinnert sich nur an einen Fall, bei dem ein angehender Meister eine Kopie als Meisterstücksentwurf vorstellte. Die Problematik wurde erkannt und der Schüler konzipierte einen eigenen Entwurf. Durch die Vielzahl von Entwürfen in den unterschiedlichsten Medien, ist es allerdings auch für die Lehrenden mitunter schwer die Kopie zu erkennen.
Nicht selten kreieren gerade die Schulen systembedingt selbst einen eigenen Stil und somit sind Ähnlichkeiten vorbestimmt. Themen werden von Schüler zu Schüler aufgegriffen und weiterentwickelt und die Korrekturen der Lehrenden tun ein Übriges dazu.
Auch heute noch gibt es z. B. in der Malerei den Begriff der Schule. In den letzten 10 Jahren entwickelte sich beispielsweise der Begriff der Neuen Leipziger Schule. Nicht zum Schaden der Maler, die diesem Stil verhaftet sind.
Von gestalterischen Urtypen kann sich keiner frei machen. Manche Entwürfe sind so überraschend eigenständig gelöst, dass sie sofort mit ihrem Gestalter bzw. dem Hersteller verbunden werden. Greift man allein das Thema auf, verbrennt man sich schon die Finger.
Als stellvertretende Beispiele seien hier genannt: Peter Maly, Jaime Treserra, Alape Holzwaschbecken, die Kollektion des Produktverlegers Nils Holger Moormann, Möbel der Designerbewegungen de Stijl, Memphis oder Droog ….
Welche Maßnahmen kann ein Gestalter treffen, um nicht in den Kopierverdacht zu geraten? Dazu einige Empfehlungen: Selbst ein unveränderbarer Würfel oder einfacher Quader lässt sich mit Farbe, Struktur, Ornament oder Material individualisieren. Wichtig sind natürlich auch Proportion, die einen Möbelentwurf beeinflussen oder auch verunstalten. Auch zeitgeistige Interpretation, also Moden und Stile (zz. Retroecke, dicke Querschnitte, Ornament) können Möbel in ein neues Licht rücken. Ebenso lassen sich mit neuen Technologien, wie CNC, Leichtbau, LED-Beleuchtung und Kunststoffe bekannte Möbel neu interpretieren. Themen jenseits des klassischen Korpusmöbels, wie beispielsweise Müeslicenter, Kutsche, Holzfahrrad, Badewanne, Möbel für Beamer oder Plasmabildschirme sowie das Thema Wellness befreien recht schnell vom Vorwurf Ideenklau.
Alle Jahre wieder wird das Kopieren thematisiert! Liegt aber das Problem nicht in den überzogenen Anforderungen, die heutzutage an die jungen Meister gestellt werden: Super Handwerker, Techniker, Manager, Marketingspezialist, Betriebswirtschaftler, Gestalter, Pädagoge, Personalchef, EDV-Spezialist usw. Ein Anforderungsprofil, das kaum einem Akademiker in dieser Breite zugemutet wird!
Als Produkt-Designer sollte ich hier eigentlich eine Lanze für die individuelle Gestaltung brechen. Ich möchte jedoch anregen, dass wir uns mit etwas begnügen, was in anderen Bereichen wie dem Musikinstrumentenbau oder bei der Literatur üblich ist: Dem kenntlich gemachten Zitat. ■
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