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Faule Kompromisse entstellen die Optik

Ligna+: Beobachtungen von Jürgen R. Schmid
Faule Kompromisse entstellen die Optik

Wo sich Maschinen in Funktionalität und Preis kaum mehr unterscheiden, kann Design den entscheidenden Kaufimpuls setzen. Doch wie steht es um die Gestaltung von Holzbearbeitungsmaschinen? Leonhard Fromm begleitete den renommierten Industriedesigner Jürgen R. Schmid Anfang Mai zur Ligna+. Sein Fazit: Kaum ein Hersteller schöpft sein Design-Potenzial voll aus. Viele haben diese Differenzierungschance noch gar nicht erkannt.

„Die Italiener ruhen sich seit 15 Jahren auf ihrem Designvorsprung aus – mittlerweile zu Unrecht“, fasst Jürgen R. Schmid, Träger von zahlreichen Design-Preisen und häufiges Jury-Mitglied, seinen zentralen Eindruck zusammen. Generell verschandelten Absauganlagen und Schutzgitter die Designbemühungen, die im Detail fast überall erkennbar sind.

Mit Begriffen wie „schwulstig“, „aufgeblasen“ oder „ästhetisch willkürlich“ kritisiert Schmid etliche Verkleidungen italienischer Hersteller geradezu, die ihn eher an „Ghetto-Bluster“ und „Backöfen“ (Bild 1), denn an Holzbearbeitungsmaschinen erinnern. Bezüglich ästhetischer Ordnung und einheitlicher Produktlinie hätten die deutschen Hersteller mittlerweile deutlich aufgeholt.
Dass es die Italiener dennoch können, belege u. a. die Firma Biesse, deren neue CNC-Bearbeitungszentren harmonisch geordnet seien (Bilder 2 und 3).
Auch an der doppelseitigen Kantenbearbeitungs-Durchlaufmaschine von Stefani aus der SCM-Gruppe würdigt der Industriedesigner die gute Verkleidung (Bild 7), deren Umfeld sei aber „konzeptionell zu wenig durchdacht“. Erwartet hätte Schmid, dass auch der Maschineneinlauf, die Verleimzone und die Absaugung gestalterisch einbezogen werden, damit die Anlage insgesamt harmonisch wirkt und Werte wie Präzision und technologische Kompetenz vermittelt.
Gerade an diesem Punkt scheitern nicht nur die italienischen Hersteller von Kantenbearbeitungsmaschinen. Die Einlaufzone ist nicht nur unter formalen Gesichtspunkten eine Problemzone. Auch die Ergonomie und die Sicherheit bleiben oft auf der Strecke.
Das Designer-Fazit zu den italienischen Großmaschinen: Fast allen fehlt die gestalterische Durchgängigkeit; es gibt gute Details, die aber nicht konsequent zu Ende geführt werden.
Das konsequente und positive Gegenbeispiel bezüglich durchgängiger Gestaltung verkörpert für Schmid der Schopflocher Weltmarktführer Homag, der seit Jahren klare Designmerkmale für seine Maschinen, und zwar über sämtliche Produktgruppen hinweg, definiert. Standardisierte Vorgaben bezüglich geometrischer Formen, Farbe, Beschriftung, Material oder Haptik ermöglichen einen einheitlichen Auftritt, der die Gruppenzugehörigkeit jeder Maschine erkennbar macht. Nur in Details werden einzelne Merkmale aktualisiert, so dass keine Brüche im Marktauftritt entstehen. Der Gesamteindruck visualisiert Harmonie, Präzision und Kompetenz.
Einen vergleichbar ganzheitlichen Ansatz, der zudem ebenso konsequent umgesetzt sei, attestiert Schmid der Firmengruppe Weinig (Bild 4), der jedoch andere Zielgruppen als Homag bedient.
In Linienführung und Einheitlichkeit konnte sich auch Holz-Her auszeichnen. Der Nürtinger Mittelständler präsentierte sich auf der Ligna erstmals in dieser Konsequenz, was das Interesse der Messebesucher hervorrief. Diese Resonanz wiederum belegt die übergreifende Bedeutung von Design – sich über die Optik ins Gespräch und damit in die engere Wahl zum Kauf bringen (Bilder 6 und 7).
Im Standardmaschinenbereich, so Schmids Urteil, wird das Thema Produktgestaltung mittlerweile von allen Anbietern beachtet. Im CNC-Bereich der Großmaschinen ist es auf Grund der erhöhten Komplexität jedoch noch ausbaubar. Holz-Her belegt für den Designer, dass die Klarheit der Formensprache auch erzielt werden kann, wenn man Winkel, Wölbungen und Radien wie an der neuen Plattensäge nicht vereinheitlicht (Bild 7). Ein Beispiel, das seiner Meinung nach auch in anderen Projekten des Maschinendesigns diskutiert werden sollte, um eventuell eine größere Leichtigkeit und Modernität zu erzielen.
Doch längst nicht alle deutschen Hersteller können bei dem Thema virtuos mitdiskutieren, wenngleich sie in anderen Bereichen schon Schrittmacher waren. „Einfallslos“ und „provisorisch“ muteten so manche Maschinen an, obgleich der erste Eindruck nichts über die technische Qualität aussagt. Oft sei auch die Zuordnung unterschiedlicher Maschinentypen zum selben Hersteller schwer, was Nachteile im Marketing und bei der Imagebildung in sich birgt.
Bei den Standardmaschinen überzeugt den Kritiker in puncto Ergonomie und Design vor allem der deutsche Hersteller Altendorf, der ein hohes Niveau erreicht hat. An dessen Tischkreissäge (Bilder 9 und 11) gefallen ihm vor allem der Sägeblattschutz mit integrierter Absaugung sowie der Arretierknopf für den Sägeblattwechsel, dessen Rot sich sehr benutzerfreundlich vom dezenten Schwarz der Abdeckung abhebt. In dieses Konzept fällt auch die abgeschrägte und somit dem Anwender zugeneigte Bedieneinheit, die dadurch einen Pultcharakter erhält.
Vergleiche er diese Tischkreissäge mit vielen anderen Fabrikaten, so seien diese allenfalls Mittelmaß, weil sie oft auf die rein technische Funktionalität beschränkt sind. Ergonomische Aspekte werden häufig komplett außer Acht gelassen.
Durchdachte Funktionalität im Detail findet der Ligna-Besucher bei den Standardmaschinen, von denen viel zu viele noch in trostlosen Grautönen daherkommen, nur vereinzelt und immer wieder bei denselben. So bei Altendorf, der Zubehör wie Schläuche in Aussparungen und Halterungen an der Maschine integriert.
Dessen Präzision, auch Details wie die Anschlagverstellung zu gestalten, würdigt Schmid zwar, eine echte Innovation sei aber, das Holzbrett zum Sägen festzusaugen, was bisher noch kein Hersteller von Formatkreissägen biete. Die allgegenwärtigen Anschläge seien jahrhundertealt und kosteten letztlich ebenso viel wie eine Vakuumlösung.
Ähnlich revolutionär denkt der Ammerbucher über Elektrowerkzeuge, deren Segment sich in den vergangenen 30 Jahren außer der Innovation der Akkus nicht weiterentwickelt habe.
„Nicht mehr der Handwerker sollte die Schlitze klopfen, sondern eine Maschine, deren Arbeit die Fachkraft überwacht“, gibt Schmid Einblicke in sein Denken. Sein Selbstverständnis: Gute Designer stoßen solche Denk- und Innovationsprozesse an und begleiten sie, weil sie nicht vom Produkt, sondern vom Anwendermarkt her kommen und in Lösungsstrategien denken. Vermutlich stehe den Kleinwerkzeugen eine ähnliche Revolution bevor wie der Fotografie, deren Anbietermarkt durch die Digitalisierung völlig umgekrempelt worden sei.
Zaghafte Impulse, die das Design aufnimmt, hat Schmid in diesem Segment immerhin entdeckt: Das Handwerk wird leiser, sauberer und vor allem PC-gestützter. Dadurch werden die Anforderungen komplexer, weil Auffang- systeme und Displays integriert und Motoren gedämmt werden müssen. In puncto Farbdifferenzierung sei der Elektromarkt übrigens vorbildlich, so der Visionär: Grün-grau steht für Festool, gelb-schwarz für Dewalt, orange für Fein, blau für Bosch und grün für Metabo. Ansonsten werde in diesem Segment der Kampf fast ausschließlich über den günstigsten Preis ausgetragen, was Innovationen erschwert.
Diesem Stillstand stehen die Großmaschinen gegenüber, bei denen innovative Anbieter bereits dazu übergegangen sind, auch das „Interieur“ zu gestalten – eine Tendenz, die im Automobilbereich schon gut zehn Jahre weiter ist. Dort sind selbst Kraftstofffilter und Kühlsysteme designt, um Motorräume optimal zu nutzen und die Montage zu erleichtern. Homag hat den Trend aufgegriffen und gestaltet mittlerweile auch Bohr- und Fräsaggregate (Bild 10).
Mehr noch: Der Trend geht zu geschlossenen, plexiverglasten Systemen, die mit bündiger Linienführung und Rasteroptik Maschinenelemente harmonisch verbinden und selbst auf Klappen und Griffe verzichten.
Dagegen wirken andere Konzepte wie überdimensionierte Basteleien, die technische Einzelschritte addieren (Bild 8).
Solche unübersichtlichen und deshalb letztlich gefährlichen Maschinen verschwinden auch auf der Ligna häufig wahlweise hinter Gittern, die designerisches Engagement bereits im Keim ersticken (Bild 12).
Auch diese unansehnlichen Hilfsmittel kosten viel Geld, das aus Schmids Sicht besser in Designkonzepte investiert wäre. Sein Credo: „Die Lösung liegt nicht in der Gestaltung von Absperrungen und Absaugungen, sondern in den Maschinen selbst“. Leiten lässt sich der Designer dabei vom Vorbild des Druckers, der in vielen Büros längst als futuristische Möblierung wahr genommen wird, die nicht länger in Abstellkammern abgeschoben sein muss.
Auch des Problems der optisch nicht gerade reizvollen Absaugungen, die oft wie überdimensionierte Spaghetti über den Geräten hängen, sollten sich die Designer endlich annehmen. Schmids Lösungsvorschlag: Raumluftexperten und andere Sachverständige sollten die Schnittstellen definieren, an die die Maschinen andocken. Diese Daten könnten dann ins Designkonzept integriert und ästhetische Lösungen gefunden werden.
Das Fazit des Designers: Im scharfen Wettbewerb um Marktanteile haben einige wenige Anbieter ihre Chance genutzt, sich durch gutes Design von den Wettbewerbern zu unterscheiden. Die Entwicklung ist aber längst nicht abgeschlossen, zumal neue Materialen und Verarbeitungstechniken stets neue Wege eröffnen.
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