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Wie die Schreinerei Marco Schmid das Thema Ausbildung wuppt

Ausbilden ist eine Aufgabe
Wie die Schreinerei Marco Schmid das Thema Ausbildung wuppt

Schreinermeister Marco Schmid hat das Thema Ausbildung schon seit mehr als 20 Jahren auf dem Zettel. Er hat gelernt: Ausbilden geht nicht nebenher.

Bm-Redakteurin Regina Adamczak

Die Schlange ist lang in der kleinen Bäckerei in Wäschenbeuren. Der Zwetschgenkuchen schmeckt mir ausgezeichnet. Und immer wieder eilt die Bäckereifachverkäuferin in die Backstube nebenan, um mit neuen „Weckle“ – wie es im Schwäbischen heißt – zurückzukehren. „Oh, Sie backen noch selber?“, frage ich neugierig. „Ja“, sagt sie stolz. „Wir haben drei Bäcker.“ „Dann bilden Sie auch aus?“, frage ich weiter. „Nein“, antwortet sie lakonisch und ich denke: „Schade, dann wird es den leckeren Zwetschgenkuchen irgendwann nicht mehr geben.“ Zum Glück bin ich auf dem Weg zu Schreinermeister Marco Schmid, der das Thema Ausbildung schon seit mehr als 20 Jahren auf dem Zettel hat, der schon auf Bildungsmessen gegangen ist, „als es das eigentlich noch gar nicht wirklich gab.“

Mit 27 Jahren hat er die Schreinerei in dem kleinen Ort rund 50 km östlich von Stuttgart übernommen. Der ehemalige Besitzer war auf ihn aufmerksam geworden, weil er dringend einen Nachfolger suchte und Schmid sich schon während seiner Ausbildung und der Meisterschule für CNC-Technik interessiert hatte. Damit war er damals noch eine Ausnahme. Marco Schmid wollte sich den Betrieb anschauen und fuhr los. „Es wurde grün und grüner“, erinnert er sich. Der Ort liegt auf einer Hochebene. Schmid durfte sofort loslegen. Der ehemalige Besitzer hatte vollstes Vertrauen. „Das war meine Chance“, sagt Marco Schmid heute.

Am Thema Nachwuchs dranbleiben

Dass ihm in einem Ort wie Wäschenbeuren die Fachkräfte nicht die Tür einrennen würden, war ihm früh klar. Alle vier Gesellen der Schreinerei stammen aus eigener Ausbildung. Schon Ende des zweiten Lehrjahres wird besprochen, wie es weitergehen kann, um die Azubis nicht in der Ungewissheit zu lassen. Wenn einer das Potenzial hat und ins Team passt, wird er übernommen, wenn es eine Stelle zu besetzen gibt. Doch Schmid ist realistisch: „Wir werden einen Mitarbeiter selten ein Leben lang halten können.“ Deshalb bleibt er am Thema Nachwuchs dran. Mit der Akquise wird schon ganz früh angefangen: Wenn mit Kindergartenkindern etwas gebastelt wird und im Schülerferienprogramm kleine Stücke entstehen, sind alle Mitarbeiter dabei. Und viele Kinder kommen jedes Jahr wieder. Und vielleicht bewerben sie sich einmal um einen Ausbildungsplatz.

Es braucht Struktur und einen Plan

Zurzeit gibt es zwei Azubis im zweiten Lehrjahr und einen im dritten. Den Azubis gefällt die Vielfalt des Unternehmens, dass sie Möbel von A bis Z bauen dürfen und ihnen etwas zugetraut wird, zum Beispiel die Arbeit an der CNC. Marco Schmid sagt: „Azubis sind für uns vollwertige Mitarbeiter. Wir verheizen sie nicht.“ Doch die Schmids wählen ihre Azubis auch wohlbedacht aus. Sie haben gelernt: „Wir müssen nicht jeden nehmen.“ Bei der Auswahl wird auf die Noten in Mathe und Deutsch geschaut. Und in den Nebenfächern sollte kein Fünfer stehen. „Das deutet auf Faulheit“, ist Petra Schmid überzeugt. Und jeder Azubi absolviert vorab ein Praktikum.

Wenn es Probleme gibt, die größer erscheinen, hat Petra Schmid in Zusammenarbeit mit der Handwerkskammer gute Erfahrungen gemacht: „Wir waren da anfangs etwas zurückhaltend, weil immer nur von den Rechten der Auszubildenden die Rede ist,“ erzählt sie. „Aber es gibt natürlich auch Pflichten.“ Und das ein oder andere Mal wurden mit der persönlichen Unterstützung des Ausbildungsberaters der Handwerkskammer schon Lösungen erarbeitet.

Doch im Allgemeinen haben die Schmids die Sache im Griff: „Wir nehmen uns des Menschen an. Wir hinterfragen. Wir sehen, wenn die Stimmung kippt. Wir lösen Probleme, teilen unsere Erfahrung mit den Azubis.“ Petra Schmid ist erste Ansprechpartnerin und hat inzwischen Dokumente für alle Eventualitäten entwickelt. Denn: „Betriebe, die ausbilden, müssen einen Plan haben, es braucht Struktur in Sachen Ausbildung.“ So bekommt Anfang der Woche jeder einen Wochenplan – schriftlich. Damit sei effektives Arbeiten möglich, sagt beispielsweise Paul.

Nach Lösungen suchen

Paul war anfangs sehr zurückhaltend, eine Hörschwäche beeinträchtigt ihn. „Wir haben ihn während seiner Ausbildungszeit bestärkt und er hat eine enorme Entwicklung im Betrieb hingelegt“, erzählt Petra Schmid. Paul sagt: „Hier kann ich offen und ehrlich sein. Die Atmosphäre ist positiv und vertrauensvoll. Ich fühle mich akzeptiert.“ Heute hat er ausgelernt und ist mittlerweile einer der Ansprechpartner für die Auszubildenden. „Auf Augenhöhe“, wie Schmid betont, denn Paul ist kaum älter als mancher Auszubildende. Aus seiner Lehrzeit hat er mitgenommen: „Jedem passieren Fehler. Hier wird nach Lösungen gesucht, man kann offen darüber reden und daraus lernen.“

Auch Nils weiß die konstruktive Atmosphäre im Betrieb zu schätzen, aber auch die Vielfalt der Aufträge gefällt ihm und dass er Möbel bauen darf „von A bis Z“.

Leistung erwarten, aber auch Geduld haben

In der Werkstatt und auf der Montage hat Georg Fink den Hut auf. Der Schreinergeselle ist seit mehr als 20 Jahren dabei. Er hatte grade frisch ausgelernt, als Marco Schmid den Betrieb übernahm. Dem Allrounder macht keiner etwas vor. Mit ihm gehen die Azubis auf die Montage, er zeigt, was bei der Bedienung der Maschinen zu beachten ist. „Bei mir lernen sie das, was sie in der Schule nicht lernen.“ Er erklärt etwas auch zweimal, wenn er Interesse spürt. Doch er erwartet auch Leistung. „Erfahrung und Routine machen die Arbeit leichter“, das will er den Auszubildenden vermitteln. Wenn er sagt: „Ich ziehe keinen durch,“ dann klingt er streng und Rüffel gebe es manchmal auch. Dennoch mögen ihn die Azubis, auch wenn er mal laut wird. „Dann ist es wichtig“, wissen sie. Und Geduld habe Georg Fink auch.

Chancen geben

Ausbilden sei eine Aufgabe, sagt Marco Schmid, das gehe nicht nebenbei. „Ich habe eine Chance bekommen und ich möchte auch anderen eine Chance geben.“ Die erste Auszubildende war eine Frau, das war damals noch ungewöhnlich. Doch fanden Marco Schmid und seine Frau Petra es immer schon merkwürdig, zu unterscheiden. Beide meinen: „Hier bewirbt sich ein Mensch.“ Das Wichtigste sei: „Das Persönliche muss passen. Wir arbeiten eng zusammen, wir verbringen hier im Betrieb mehr Zeit als mit der Familie.“

Er habe eine soziale Ader, sagt Schmid und anfangs war diese ganz stark. Nicht, dass er heute keine mehr hätte, aber: „Man darf es auch nicht übertreiben,“ meint er rückblickend. „Es muss auch Engagement von Seiten der Auszubildenden kommen. Wir sagen von Anfang an, wie wir ticken.“ Und auch wenn sich alle Duzen, wenn jede Frage beantwortet und jeder unterstützt wird, wenn miteinander gevespert, gelacht und einmal im Jahr auch zusammen weggefahren wird , soll klar sein: „Wir sind keine Familie, es gibt Hierarchien.“

Die Auszubildenden werden intensiv betreut und mit Know-how versorgt. Doch explizite Dankbarkeit dürfe man nicht erwarten „Aber die meisten sehen ihre Zeit hier im Rückblick positiv. Die Zeit bei uns ist prägend.“ Und so hofft Marco Schmid, dass alle Auszubildenden einmal das gleiche sagen können wie Paul, der abschließend feststellt: „Mit diesem Betrieb hier habe ich einen guten Fang gemacht.“

Schreinerei Marco Schmid

73116 Wäschenbeuren

www.schreiner-goeppingen.de


Treffpunkt

Herz und Hirn: Dass Schreiner einen Hang zum Sozialen haben, ist mir schon lange aufgefallen. Wenn sie wie Marco Schmid auch einen gesunden Realismus mitbringen, haben alle gewonnen: die Auszubildenden und das Unternehmen.

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