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Eine spannende Gründungsgeschichte

Herz & Form: Modernes Design und traditionelles Handwerk
Eine spannende Gründungsgeschichte

Er ist Schreiner und Produkt-Designer, sie Architektin. Ihre Schreinerei heißt Herz & Form. „Denn wir sind mit Leidenschaft und Engagement bei der Sache – mit Herzblut eben!“, sagen sie. Für ihr wachsendes Team finden sie Menschen, die genauso ticken, die herausfordernde Projekte schätzen und die echte Handarbeit lieben.

Eike Ostendorf-Servissoglou

An einem sonnigen Septembermorgen stehe ich vor dem Gebäude Bergstraße 26 im Stuttgarter Stadtteil Gablenberg, einem beige verputzten dreigeschossigen Wohnhaus aus den 1960er-Jahren, und wundere mich: „Hier soll eine Schreinerei sein?“ Da entdecke ich ein kleines Schild mit Pfeil und der Aufschrift: „Herz & Form – Eingang um die Ecke“. Ich gehe an zwei Autos vorbei, die in der Einfahrt parken, und finde mich in einem kleinen Hof wieder.

„Andreas Jetter ist oben“, sagt ein Mitarbeiter und zeigt auf eine Treppe, die zwischen den Gebäuden bergauf führt. Ich kraxele die Stufen hoch und stehe auf einem Plateau, das von einem langen, etwas betagten Holzbau und einem kleinen, weiß getünchten und weinberankten Häuschen mit Satteldach begrenzt wird. „Wie urig“, denke ich noch, als mich eine zierliche blonde Frau begrüßt. Bärbel Jetter (38) ist Architektin und führt das Unternehmen gemeinsam mit ihrem Mann. Das romantische Häuschen beherbergt das Büro sowie einen kleinen Showroom.

Auf der Suche nach einer Werkstatt

Es ist eine spannende Gründungsgeschichte, die Andreas Jetter (39) dann in seiner ruhigen, sympathischen Art erzählt. Nach seiner Schreinerausbildung in einer großen, renommierten Möbelschreinerei in Stuttgart sattelt er ein Design-Studium drauf. „Meine Idee war, ein Büro für Produktdesign mit Prototypenwerkstatt zu eröffnen“, sagt er. Doch bereits während des Studiums kommen viele Interessierte mit Schreineraufträgen auf ihn zu. „Also bin ich Schreiner geblieben“, lacht er. 2015 macht er sich selbstständig. Sein Problem damals: die Räume. „Ich fing in einer Doppelgarage an – und habe dort sogar Küchen gebaut!“, berichtet er. Drei Jahre lang sucht er fieberhaft nach einem passenderen Domizil im Stuttgarter Raum. „Riesige Hallen hätten wir zwar bekommen, uns aber nicht leisten können. Kleinere Werkstätten waren partout nicht zu haben“, erinnert er sich. Andreas und Bärbel Jetter hatten schon fast resigniert, als ihnen die Handwerkskammer 2018 den Kontakt zu Walter Hund vermittelt, der für seine 350-m2–Schreinerei einen Nachfolger sucht. „Ich kam hierher und wusste direkt: Das ist es!“, sagt Andreas Jetter.

Das Team wächst

Die Startphase sei besonders arbeitsintensiv gewesen, sagt er. Seine Frau habe ihn damals sehr unterstützt, war jedoch durch die drei Kinder auch zu Hause stark gefordert. Nach zwei Monaten fängt der erste Praktikant bei Herz & Form an. Mittlerweile arbeiten drei fest angestellte Gesellen in Vollzeit im Unternehmen, eine Schreinerin und eine Architektin als Aushilfskräfte sowie drei Auszubildende. „Die Ausbildung liegt uns sehr am Herzen“, sagt Bärbel Jetter. „Wir wollen unser Wissen weitergeben. Deshalb haben wir auch regelmäßig Praktikanten hier.“

Mit Corona erst im Tief und dann im Hoch

Der junge Betrieb, der den Kundenstamm des Vorgängers übernehmen konnte, etabliert sich zunehmend, als Corona ihm einen Rückschlag versetzt. Ein Kita-Träger storniert einen Küchen-Auftrag. Ein Hotel und eine Bar legen ihre Umbauprojekte auf Eis. „Plötzlich waren unsere Auftragsbücher ziemlich leer“, erinnert sich der Inhaber. „Gott sei Dank dauerte die Durststrecke nur sechs Monate. Dann stieg die Nachfrage sprunghaft: Viele Privatkunden, die während der häuslichen Pandemiezeit Defizite an ihren Domizilen entdeckten, meldeten Bedarf an.“

Lösungen für herausfordernde Aufgaben

Sich auf bestimmte Aufgabenfelder zu spezialisieren, kommt für Andreas Jetter nicht infrage. Seine Marktpositionierung sieht anders aus: „Wir sind die Fachleute für herausfordernde Aufgabenstellungen“, sagt er. Denn dabei spielt das interdisziplinäre Team seine Trümpfe aus. Neben der Sichtweise der Schreiner sind bei solchen Aufträgen nämlich oft auch die Perspektiven der Architektinnen und des Produktdesigners gefragt. „Es gehört bei uns zur Kultur, mögliche Umsetzungswege im Team zu diskutieren und gemeinsam die handwerklich und ästhetisch beste Lösung zu finden“, erklärt Andreas Jetter. „Restriktive Rahmenbedingungen wie kleine oder ungünstig geschnittene Räume stacheln dabei unsere Kreativität besonders an“, ergänzt seine Frau. „Neben der Möbelplanung entwickeln wir auch umfassende Gestaltungskonzepte, die zum Beispiel CI, Lichtlösungen und Außenwerbung mit berücksichtigen,“ erklärt sie weiter.

Handwerk von der Pike auf lernen

Herz & Form ist eine Manufaktur, die diesen Namen verdient. Das ist nicht nur eine Frage der Philosophie, sondern hat auch ganz praktische Gründe. „Unsere Maschinen sind älter“, sagt Andreas Jetter. „Formatsäge, Tischfräse, Hobelmaschine, Furnierpresse und eine Langbandschleifmaschine habe ich von meinem Vorgänger übernommen. Für eine CNC-Maschine fehlt uns der Platz.“ Seine Auszubildenden schätzen es indes, dass sie bei Herz & Form noch die traditionelle Handwerkskunst von der Pike auf lernen. Für seine Kunden habe das „echte“ Handwerk einen hohen emotionalen Wert. Manche würden regelrecht nostalgisch, meint der Inhaber. „Das ist ja eine richtige Meister-Eder-Werkstatt!“ sagen sie.

Dem Betrieb Struktur geben

Für Andreas Jetter gehen mit dem Wachstum seines Unternehmens große Veränderungen einher. „Ich sitze zunehmend im Büro und bin mit Verwaltungsaufgaben beschäftigt. Bei der Kundenberatung und der Konstruktion bin ich noch gefragt, Umsetzung und Montage erledigt dann mein Team“, sagt er. Außerdem sitzt er über „den Büchern“ – gemeinsam mit seinem Schwiegervater, der über 30 Jahre lang ein IT-Unternehmen leitete und nun sein Buchhaltungs- und Controllingwissen an den Schwiegersohn weitergibt.

Aktuell arbeitet Andreas Jetter an den Strukturen im Betrieb, denn er merkt: So einfach auf Zuruf funktioniert es nicht mehr. „Mit Steffen Kuch habe ich mir für den Veränderungsprozess einen versierten Berater an die Seite geholt“, berichtet Andreas Jetter. „Wir haben einen Unternehmens-Check durchgeführt, strategische Handlungsfelder ermittelt und Maßnahmen erarbeitet. Jetzt gehen wir zuerst das an, was schnell umsetzbar ist und am meisten bringt: Wir haben zum Beispiel Laufzettel für unsere Aufträge eingeführt und die Urlaubsplanung formalisiert. Beides erhöht die Transparenz, spart Zeit, steigert die Qualität und macht sich direkt bezahlt.“ Aktuell etabliert der Schreiner wöchentliche Teambesprechungen und arbeitet mit seinem Berater daran, den Einarbeitungsprozess für neue Beschäftigte und Aushilfskräfte zu definieren und zu strukturieren.

Sich weiterentwickeln im Netzwerk

Seit 2019 ist Andreas Jetter Mitglied im Unternehmensnetzwerk BNI (Business Network International). „Als mir der dritte Unternehmer aus meinem Umfeld davon berichtete, dachte ich, das müsste ich mir auch einmal anschauen, und wurde direkt Mitglied“, erzählt er. „Wir sind eine Gruppe von Geschäftsleuten aus unterschiedlichen Branchen und treffen uns wöchentlich. Dadurch entsteht eine vertrauensvolle Gemeinschaft. BNI gibt mir die Möglichkeit, unser Unternehmen nach außen darzustellen und das Präsentieren zu üben. Das ist mir sogar noch wichtiger als die Aufträge, die ich durch das Netzwerk gewinne.“

Was Andreas und Bärbel Jetter sich für die Zukunft wünschen? „Mehr Zeit, um eigene Produkt-Ideen zu entwickeln und Prototypen umzusetzen“, sagen sie. Einen Vorgeschmack liefern die Future-Office-Entwürfe, die Interessierte auf der Herz-&-Form-Website finden können.

www.herzundform.de

www.steffenkuch.eu

www.bni.de

Das Unternehmen bekannt machen

Lange war die Website, über die inzwischen regelmäßig Kundenanfragen kommen, das einzige Marketinginstrument bei Herz & Form. Nun hat Bärbel Jetter einen Instagram-Account aufgebaut. „Wir wollen auch diesen Kanal nun für uns nutzen“, sagt sie. „Und es funktioniert: Wenn Menschen dort Objekte von uns sehen, die sie ansprechen, melden sie sich hier. „Das möchte ich auch haben,“ heißt es dann.

Treppenumbau: schlicht und schön

„Ein anderer Auftrag, der mir besonders viel Spaß machte, war der Umbau einer Treppe“, berichtet der Schreiner. „Der Kunde empfand sie als schlecht begehbar und störte sich als Allergiker daran, dass die Stufen offen waren.“ Andreas Jetter tüftelte eine elegante Lösung aus und setzte sie mit seinem Team um. Der Kunde ist hoch zufrieden. „Die Treppe sieht ganz einfach aus. Doch was simpel wirkt, ist konstruktiv oft am anspruchsvollsten,“ sagt Andreas Jetter.

Garderobenschrank mit Wow-Effekt

Ihr Mann berichtet von einem Auftrag, bei dem ein Toilettenzugang von einem Garderobeneinbauschrank verdeckt werden sollte. Das Highlight: Beim Öffnen der dezenten Garderobe sorgt ein lachsrosa Innenleben für eine wahre Farbexplosion. Das Herz-&-Form-Team überraschte den Kunden sogar mit farblich passenden Kleiderbügeln.

Bei meinem Rundgang durch die Werkstatt sehe ich die Fachkräfte am aktuellen Projekt arbeiten: Für ein denkmalgeschütztes Haus restauriert das Herz & Form-Team alte Kassettentüren und baut weitere nach historischem Vorbild neu. Den alten Dielenboden, der nach einem Wasserschaden zum Vorschein kam, richten die Fachleute ebenfalls so wieder her, wie er früher einmal aussah. „Funktional verbessern wir den Boden allerdings. Er liegt künftig auf einem Niveau, besitzt eine Trittschaldämmung und ist damit wie neu“, sagt Andreas Jetter. „Natürlich haben wir dieses Vorgehen mit dem Denkmalschutzamt abgestimmt.“


Die Autorin

Eike Ostendorf-Servissoglou M. A. ist Germanistin und seit 1998 als Redakteurin und Texterin selbstständig. Sie lebt und arbeitet in Gerlingen bei Stuttgart.

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