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Über den Wolken

Ein Besuch in der VIP-Werkstatt der Lufthansa Technik in Hamburg-Fuhlsbüttel
Über den Wolken

Wo eine klassische Tischlerei aufhört, fängt die Lufthansa Technik an. Eine Werkstatt, die alles möglich macht – mit fünf verschiedenen Fachbereichen, in denen 200 Mitarbeiter Hand in Hand arbeiten, um die auserlesenen Wünsche von Kunden, die meist unerkannt bleiben wollen, zu verwirklichen. Beim Innenausbau von VIP- und Regierungsflugzeugen treffen deshalb exklusive Werkstoffe auf besondere Fertigungstechniken.

Anna-Katharina Ledwa

Endlich nach zweieinhalb Jahren geduldigen Wartens darf ich die Werkstätten der Lufthansa Technik besuchen. In Fuhlsbüttel, im Norden von Hamburg. „Weg beim Jäger“ heißt die Straße. Lang ist sie mit schmucken alten Stadtvillen, schönen Vorgärten, Bäumen am Straßenrand, viel Grün. Dann kommt das Flughafengelände. Nummer 193. Ich suche mir einen Platz im gegenüberliegenden Parkhaus und kann vom obersten Deck einen freien Blick auf die Start- und Landebahn des Geschäftsfliegerterminals genießen. Gut, dass ich meine Mütze dabei habe! Bei der Anmeldung für meinen Besuch kommt sofort Flughafenfeeling auf: Obwohl ich keinen Flieger betreten oder Landesgrenzen überqueren möchte, sind die Sicherheitsauflagen sehr hoch. Ohne festen Termin oder Arbeitsgenehmigung kommt hier niemand rein. Jetzt geht es für mich durch den Metalldetektor und für meinen Rucksack durch den Röntgen-Scanner.

Die ganze Welt des exklusiven Interieurs auf 10 000 m2

Und dann bin ich drin. In einer eigenen Welt. Der Welt der Luftfahrt und der Geheimnisse. Heute darf ich ganz viel schauen und noch mehr staunen. Silke von Estorff von der Pressestelle begleitet mich auf meiner Reise. Tischlermeister Boris Lindner zeigt mir heute die Werkstätten der Lufthansa Technik. „Einen Moment. Ich brauche noch ’nen Schluck Kaffee.“ Und dann geht’s los. Auf 10 000 m2 erstreckt sich an diesem Standort die VIP-Werkstatt der Lufthansa Technik. Neben der Tischlerei ist das noch die Interior-Werkstatt, die Sattlerei, die Metallfertigung und die Lackiererei.

Arbeiten für anspruchsvolle Kunden

Jim Jungkurth ist Leiter der Tischlerei und der Metallfertigung. Er führt zwei Meisterbereiche, die auch Arbeitsvorbereitung und CNC-Programmierung beinhalten. Gewerkemeister der Tischlerei ist Boris Lindner. „1993 bin ich hier gestartet als Tischler in der VIP-Fertigung“, erzählt Lindner. Nach einer Station als Teamleiter koordiniert der Tischlermeister heute die Projektteams, die an den Bauteilen arbeiten.

Bei den rund 200 Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen der Werkstätten dreht sich alles um den Innenausbau von VIP- und Regierungsflugzeugen. Es wird neu gebaut und modifiziert. „Das ist oberstes Regal“, betont Lindner, „wir haben sehr anspruchsvolle Kunden.“ 50 der 200 Mitarbeitenden sind im Bereich der Tischlerei beschäftigt. Zu den Arbeitsfeldern gehört hier die Furnierabteilung, der Lackierbereich, die Maschinenhalle mit Plattensäge, Kante, automatischem Lager und CNC sowie der Zusammenbau im Bankraum.

Jedes Teil muss nachverfolgbar sein

Gearbeitet wird in Projektteams. Das Team in der Werkstatt ist schon in der Entwicklungsphase in engem Austausch mit den Konstrukteuren und Ingenieuren. Es findet Beratung in Sachen Machbarkeit und Produktionsoptimierung statt. In jedem Projekt tauchen neue Entwicklungsherausforderungen auf: Neue Oberflächen, neue Kinematiken, neue Beschläge. Noch vor dem Produktionsstart wird die Fertigungsstrategie von den Tischlerexperten genau festgelegt. Wenn ein Bauteil dann in die Fertigung kommt, durchläuft es unterschiedliche Stationen. Möglichst alle Bearbeitungsschritte finden statt, bevor sich ein Tischler in der Rohmontage mit dem Bauteil auseinandersetzt. Dann geht es nur noch um Sonderbearbeitungen. Vorher läuft alles über Etiketten und Programme. „Jede Schraube oder Unterlegscheibe muss am Ende nachverfolgbar sein“, erklärt Jim Jungkurth. Daher ist die Dokumentation der Fertigung ein wichtiger Bestandteil in der Produktionsphase.

Materialvielfalt für alle Herausforderungen

Eingesetzt wird feinstes Massivholz und Furniere, aber vor allem auch besondere Plattenwerkstoffe, die den Anforderungen der Luftfahrt entsprechen. „Wir setzten Sandwichplatten ein, die extra für und mit uns entwickelt wurden“, führt Lindner aus. Die Wabenplatten bestehen aus Papierwabe, Epoxydharz und GFK-Deckschichten. Es gibt eine Version mit einer dünnen Deckschicht, die auf die Wabe aufgebacken wird. Hier drückt sich die Wabenstruktur durch. Dann gibt es die Platte, bei der die Deckschicht voll aushärtet, bevor sie auf die Wabe kommt. Diese Platte wird für alle Bauteile eingesetzt, bei denen die Oberflächen sichtbar sind. So wird zum Beispiel sichergestellt, dass sich nach dem Furnieren und Lackieren keine Waben abzeichnen.

Für den Formenbau wird Hartschaum verwendet, der mit einer Drahtschneidemaschine bearbeitet wird, die wiederum mit CNC-Programmen gefüttert wird.

Trotz Automatisierung ist auch Handwerkskunst gefragt

Die Edelfurniere werden in einem Humidor aufbewahrt. Hier lagert der feine Stoff quadratmeterweise. „Sogar die Reste von vergangenen Projekten heben wir auf und lagern sie für die Kunden ein“, sagt der Tischlermeister Lindner. Auch der Platz dafür ist ein Luxus, den man sich leistet. Wenn Furnier verarbeitet wird, gehört auch eine Lackoberfläche dazu. Zehn Wochen dauert ein vollständiger Lackierprozess hier. Da ist Geduld gefragt. Für schnelle Musterwünsche der Designer und Kunden sei das manchmal ein Problem.

„Zweitoberstes Regal nach furnierten Bauteilen ist der Printfilm, auch Wassertransferdruck genannt“, so Lindner weiter. Kaum von Echtholz zu unterscheiden, ist das Verfahren nicht so teuer, dabei aber das Brandverhalten besser und natürlich wird der Baumbestand geschont. Ob Wurzelmaserung oder Vogelaugenahorn, mit dieser Technik ist vieles möglich. „Wir haben unsere Technik für Printfilm nach und nach optimiert“, erklärt Lindner. Vor ca. 15 Jahren fing alles mit Handarbeit an. Heute steht eine nahezu vollautomatische Anlage mit Tauchbecken, Lösungsmitteldüsen und Folienabrollung bereit. „Quasi unsere eigene Entwicklung, die wir über die Jahre immer weiter verbessert haben“, sagt Lindner nicht ohne Stolz. Nichts wird dem Zufall überlassen. Und auch wenn vieles automatisch gesteuert wird, sei dennoch die echte Handwerkskunst immer noch unverzichtbar. „Zum Glück“, lächelt Boris Lindner.

Ein einmaliges Erlebnis

Gearbeitet wird auf höchstem Niveau, um diese Ausbauten zu realisieren. Zudem stehen immer wieder Refits auf dem Plan: reparieren, renovieren, ändern. „Wir arbeiten Innenausbauten auch komplett um, zum Beispiel, wenn Mahagoni out und helle Esche neu im Trend ist.“

Als ich mit Silke von Estorff noch durch einen Hangar laufe, ragen über mir ein Flugzeug der deutschen Bundesregierung und das Privatflugzeug eines arabischen Oligarchen auf. Von außen beeindruckend. Von innen sicher noch eine ganz andere Nummer, wie ich mir vorstelle. Betreten untersagt. Leider. Doch verständlich. Linings, Einzelmöbel, Lack und Polsterarbeiten, Akustikelemente und auch Sanitär. Vielseitig, aufwendig, hochwertig. Und ich habe gelernt: Ob Textilien, Furniere, Sandwichplatten, Leder oder Edelmetalle: Über den Wolken muss die Materialvielfalt wohl grenzenlos sein – genauso wie häufig die Kundenwünsche.

www.lufthansa-technik.com


Die Autorin

Anna-Katharina Ledwa ist Tischlerin und Projektgestalterin (HWK), arbeitet als Projektleiterin in einer Tischlerei und lebt in Münster.

www.annaledwa.de


Was ist eigentlich Printfilm?

Printfilm oder Wassertransferdruck ist eine Technik der Oberflächenveredelung, mit deren Hilfe zwei- und dreidimensionale Formen unterschiedlichster Materialien vollflächig mit einem Dekor, z. B. Wurzelholz-Optik, überzogen werden können. Dafür wird auf der Oberfläche eines Wasserbeckens eine Folie ausgebreitet, die Träger der Farbpigmente ist. Anschließend werden Chemikalien aufgesprüht, die die Folie auflösen, sodass nur noch die Farbpigmente auf dem Wasser liegen. Nun wird das Bauteil eingetaucht, an dem die Pigmente haften bleiben. Anschließend folgt die Lackierung.

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