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Bei der Gewerblichen Schule Ravensburg ist Durchgängigkeit Konzept

Bei der Gewerblichen Schule Ravensburg ist Durchgängigkeit Konzept
Schreiner-Ausbildung mit System

Die Gewerbliche Schule Ravensburg bildet Schreinerinnen und Schreiner aus und bietet den Lehrlingen eine Ausbildung mit System nach aktuellem Stand der Technik. Hier wird auf Durchgängigkeit gesetzt – vom Aufmaß über die Produktion bis zur Abrechnung.

Simon Ries, Theo Weber und Veit Edelmann

Es gibt nicht viele Berufe in denen Tradition und Fortschritt so aufeinandertreffen, wie im Schreinerhandwerk. Die Schule tritt hier in jeglicher Form als Vermittler auf. In der Schreinerausbildung werden fachliche, mathematische und zeichnerische Inhalte nicht in einzelnen Fächern, sondern anhand von Projekten vermittelt. Das ermöglicht eine sich immer wiederholende Unterrichtsstruktur. Ein Projekt dauert immer sechs bis acht Wochen und endet mit einem fertigen Produkt.

In Ravensburg starten wir mit dem Kundenauftrag (I), bspw. einer Pinnwand, indem wir deren Anforderungen und Kundenwünsche erarbeiten. Auch der Umgang mit der Kundschaft ist hier ein Thema. Anschließend behandeln wir die für den Auftrag erforderlichen Werkstoffe (II), hier Holzart des Rahmens oder Material für die Füllung. Kennen wir deren Eigenschaften, erarbeiten wir eine sinnvolle Konstruktion (III), bspw. Schlitz und Zapfen.

Aus dem Zusammenspiel von Werkstoffen (II) und Konstruktion (III) resultiert die technische Zeichnung (IV). Mit ihr können wir im Anschluss die notwendigen Berechnungen (V) wie Materiallisten, Oberflächenmengen etc. für den Kundenauftrag ermitteln.

Da wir die curriculare Lernspirale (aufeinander aufbauende Lerninhalte) für die Lernenden transparent gestalten, indem wir bspw. beim Kundenauftrag Pinnwand die Holzwerkstoffe einführen und dann bei späteren Aufträgen die Holzwerkstoffe dann vertiefen, ermöglichen wir es ihnen, sich immer wieder schnell im Unterrichtsgeschehen zurechtzufinden.

Zurück in die Zukunft

Ist die Struktur (I-V) den Lernenden bekannt, transferieren wir sie schnell in die digitale Welt. Der Digitalpakt macht es möglich. Die Auszubildenden müssen somit die Aufträge im Unterricht nicht nur analog sondern über Hausarbeiten auch digital bearbeiten.

So verschaffen sie sich beim Punkt Kundenauftrag (I) einen Überblick im Internet über aktuelle Möbeltrends, um ihren Entwurf zu optimieren. Im Abschnitt Werkstoffe (II) recherchieren sie aktuelle Materialpreise und beschäftigen sich in der Konstruktion (III) mit den Maßen und Berechnungen einzelner Beschläge und wählen passende aus. Die digitale technische Zeichnung (IV) wird mit Pytha erstellt und daraus sämtliche Übergabedateien, auch die für die Berechnungen (V) notwendigen Materiallisten, generiert. Um dies umzusetzen, verwenden wir auch die Lernplattform Moodle, in welcher die gesamten Projekte (Lernsituationen/Lernfelder) nebst deren Struktur (I-V) mit Inhalten und Internetlinks gefüllt sind.

Der Workflow muss verständlich sein

Schnittstellen sind das A und O im Dschungel der Dateitypen. Bei XCS, PGMX, PYO, CSV und noch vielen mehr den Durchblick zu behalten ist schwierig. Um einen funktionierenden digitalen Workflow zu implementieren, sind viele kleine Stellschrauben notwendig, die es zu bedienen gilt. Für den Anwender selbst muss alles so einfach wie möglich gehalten werden, um Chaos zu verhindern.

Das digitale Herzstück passend zum System

Im Mittelpunkt unserer Arbeit steht die CAD-Software. Wir setzen hier auf Pytha. Mit den hier erstellten Daten werden alle weiteren Systeme mit Infos versorgt. Im 2. Lehrjahr erstellen wir eine Küchenzeile, die das Ausmaß der Durchgängigkeit mit Start im CAD aufzeigt.

Am Anfang steht das 3D-Aufmaß der Raumsituation, mit dem wir Fenster, Steckdosen, Wasseranschlüsse etc. aufnehmen. Ist zum Beispiel an einem Hochschrank eine Passleiste von Nöten, kann die Kontur sofort millimetergenau aufgenommen werden. Das Drahtgittermodell kann dann einfach in unser CAD importiert werden. Hier beginnt nun die Planung mit eigens angelegten Bibliotheken. Sämtliche Beschläge (Topfscharniere, Schubkastenauszüge, Griffe usw.) stehen per Knopfdruck zur Verfügung. Die Verbindungsmethode kann ebenfalls von den Schülern ausgewählt werden. Am Ende ist es der CNC-Maschine hierbei egal, ob der Korpus mit einem Clamex, Dübeln oder Schrauben verbunden wird. Die Voreinstellungen spielen hierbei eine große Rolle. Nachdem alles von den Lernenden geplant wurde, können sämtliche CNC-Programme der Küche erstellt werden.

Auf das richtige Plattenlabel kommt es an

Beim Planen erhält das Etikett direkt alle Informationen. Z. B. lässt sich hier wählen, an welcher CNC-Maschine die Zweitseitenbearbeitung erfolgen soll. Das Programm wird dann per Scanner mithilfe eines QR-Codes an der gewünschten Maschine eingelesen.

Alle Pytha-Bauteile werden nun mit dem Postprozessor in CNC-Programme transformiert. Die Nestingsoftware verteilt nun die Einzelteile mit korrekter Maserrichtung auf die zur Verfügung stehenden Materialien und verschachtelt sie. Wichtig: Alle Möbelteile bekommen ein Etikett mit den wesentlichen Attributen, wie Positionsnummer, Material etc. Diese Label werden automatisch in der richtigen Richtung auf der Halbformatplatte aufgebracht. Dank eines kleinen Bildes darauf lässt sich im Anschluss erkennen, an welcher Stelle ein Anleimer angebracht werden muss.

Stand der Technik und bereit für die Zukunft

Im Anschluss werden die Korpusse montiert. Etwaige Bohrpositionen für Schrankaufhänger der Hängeschränke lassen sich durch Rückprojektion mithilfe unseres 3D-Aufmaßes Flexijet genau anzeigen. Parallel dazu werden Stücklisten aus Pytha exportiert, um damit die Nesting- sowie die Branchensoftware zu füttern. Letzteres wird aber ausschließlich in der Meisterschule behandelt.

Um für ein Angebot noch ein hochauflösendes, realitätsnahes Bild zu erzeugen, kann dies bei der Planung direkt in Pytha erstellt werden. Sämtliche Vorgänge werden dabei mithilfe unseres Factory-Cloud-Studios verfolgt. Hier kann eingesehen werden, welcher Auftrag wie weit fortgeschritten ist. Wird beispielsweise die Mittelseite eines Schrankes an der CNC auf der zweiten Seite bearbeitet, kann man dies in der browserbasierenden Software erkennen und die Ampel schaltet für dieses Bauteil auf grün. Wir sind alle gespannt, was die digitale Zukunft noch alles bringt. Die Möglichkeiten scheinen unendlich zu sein.

Ohne digitale Zeichnung, ohne uns

Durch dieses parallele Arbeiten an analogen und digitalen Inhalten erkennen die Schüler rasch den Mehrwert der digitalen Zeichnung. Denn steht die Konstruktion in Pytha, ist das Korrigieren einer technischen Zeichnung ein Kinderspiel. Das Erstellen von Materiallisten ist kein Thema mehr und wenn dann noch die Schnittstellen der Software richtig eingestellt sind, benötigt man auch keine weiteren Programmierungen mehr in CNC-Programmen, um das gewünschte Möbel am Bearbeitungszentrum fertigen zu können. Workflow und korrekt eingerichtete Schnittstellen sind hier das Zauberwort.

Das Ende der dreijährigen Reise

Gegen Ende der Ausbildung kommt das Gesellenstück. Bisher ist es den Schülerinnen und Schülern selbst überlassen, die Planung von Hand oder digital zu erstellen. Durch unsere schulische Vorarbeit entschließen sich allerdings fast alle dazu, ihr Stück in Pytha zu konstruieren. Die vorangegangenen Schwerpunkte, wie Schnitte erzeugen, Materiallisten für die Werkstatt sowie die Kalkulation erstellen und sämtliche Übergabedateien für die CNC-Maschinen zu generieren, kommen ihnen hierbei zu Gute.

Digital vs. Analog

Spätestens nach den unterrichtlichen Vorarbeiten im 3. Lehrjahr erkennt jeder die Vorteile des digitalen Arbeitens. Wer bei der Entwurfszulassung von der Prüfungskommission in seiner von Hand erstellten Zeichnung Korrekturen erhält, muss diese neu zeichnen. Bei denen, die auf die digitale Zeichnung setzen, hat das weit weniger massive Folgen. Fehlende Maße oder Beschriftungen werden in Pytha einfach ergänzt und die Zeichnung neu geplottet.


Die CAD/CNC-Fachkraftprüfung

Ein weiterer Baustein

Im Bereich CAD/CNC gibt es seit einigen Jahren die Möglichkeit, eine sogenannte CAD/CNC-Fachkraftprüfung abzulegen. Sie erfolgt gegen Ende des dritten Lehrjahres, kurz vor den Abschlussprüfungen. Diese CAD/CNC-Fachkraftprüfung besteht aus einem theoretischen sowie fachpraktischen Teil. Der fachtheoretische Abschnitt findet am PC statt. Hier müssen die Schüler nun zeigen, dass sie in der Lage sind, ein Möbel digital zu konstruieren und die dann notwendigen Fertigungsunterlagen / -dateien wie Schnitte, Materiallisten und Übergabedatei zu generieren. Im Anschluss müssen sie dann an der CNC beweisen, dass sie das Möbel eigenständig fertigen können.

Im Gegensatz zu anderen Schulen dürfen an der GS-RV alle Schülerinnen, unabhängig ihrer vorangegangenen Noten, an der Prüfung teilnehmen. Am Ende entscheidet über den Erhalt des Zertifikats CAD-CNC-Fachkraft nur das Ergebnis der Prüfung selbst.

Die Ergebnisse dieser Prüfung zeigen, dass das verstärkte digitale Arbeiten in den vorangegangenen Schuljahren auch hier wieder Früchte trägt. So liegt die Durchfallquote der Prüflinge annähernd bei null.


Gewerbliche Schule Ravensburg

88212 Ravensburg

Instagram: @holztechnik_gsrv

www.gsravensburg.de

Technologiepartner:

www.flexijet.info

www.pytha.de

www.kuhnle.com

www.cadline.de

www.grupp.de / www.scmgroup.de

www.felder-group.com


Die Autoren

Veit Edelmann, seit 2007 Lehrer an der Gewerblichen Schule Ravensburg, unterrichtet Berufstheorie, Möbelentwurf und Stilkunde in der Schreinerausbildung. Zusammen mit Simon Ries und Theo Weber, beide Praxislehrer, hat er viele der aktuellen Lernfeldprojekte an der Schule geplant und umgesetzt. Theo Weber, bereits im achten Jahr an der Schule, gilt als Softwarespezialist, der auch vor Quellcodes nicht zurückschreckt. Ihm ist es zu verdanken, dass die Schnittstellen zwischen Software und Hardware reibungslos funktionieren. Simon Ries, der Technikallrounder, feiert bald sein 20. Dienstjubiläum und ist Hardwarespezialist und graue Eminenz, wenn es um Fragen der praktischen Umsetzung und um Alltagsbezug geht.

www.gsravensburg.de

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