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Herausforderung gemeistert

Deutsche Tischlerei unter afrikanischer Sonne
Herausforderung gemeistert

Als frisch ausgebildeter Tischler trat Thomas Pade 1993 eigentlich nur einen Motorradurlaub nach Namibia an. Doch er blieb. Und gründete nur wenig später „The Wood Connection cc“ – die inzwischen modernste Tischlerei des südwestafrikanischen Landes.

Hoch zu Pferde lernte der gebürtige Hannoveraner das Land an der Südwestküste Afrikas bereits als Teenager während der jährlichen Familienurlaube kennen. Die unberührte Landschaft faszinierte ihn. Namibia hat 1,8 Millionen Einwohner, ist doppelt so groß wie Deutschland und damit eines der am dünnsten besiedelten Länder der Welt. Und eines, das mit unterschiedlichsten Landschaften aufwartet: Von der sturmumtosten Westküste mit den orangefarbenen Dünen der Wüste Namib, dem sich anschließenden Gebirgswall und dem Zentralplateau mit seinen Siedlungen, über das Kalahari-Becken bis hin zu den Baumsavannen und Wasserstraßen im Nordosten des Landes.

Auf zwei Rädern in eine neue Zukunft
Aus der Faszination dieses Landes entstand Pades Traum, die ehemalige Kolonie Deutsch-Südwest mit dem Motorrad zu „erreisen“. Direkt nach Abschluss seiner Tischlerlehre trat der 25-Jährige im November 1993 seine Reise in Osnabrück an, um berufliche Auslandserfahrungen zu sammeln. Nach sieben Monaten und 35 000 Kilometern erreichte er im Mai Windhoek, die namibische Hauptstadt mit ihren 250 000 Einwohnern. Dort wartete allerdings leider nicht die versprochene und erhoffte Arbeitserlaubnis. „Die Integration fiel mir nicht leicht“, blickt Thomas Pade zurück. Auf sechs Monate Ungewissheit ohne Arbeit folgte schließlich ein erster Job.
Erst bei seinem nächsten Arbeitgeber konnte er als dann tatsächlich auch als Tischler Berufserfahrung sammeln. Schnell faszinierte ihn die berufliche Herausforderung. Einerseits im Hinblick auf sein Handwerk, denn im Unterschied zum deutschen Handwerk wurde noch alles selber gefertigt, der Zukauf von Halbfertigprodukten war noch gar nicht üblich.
Andererseits war das Zusammenleben der vielen ethnischen Gruppen eine zwischenmenschliche Herausforderung im Hinblick auf Kunden und Kollegen, denn Namibia ist eine Vielvölkergemeinschaft. Wenngleich seit der Unabhängigkeit 1990 das Motto der Regierung „One Namibia – one Nation“ lautet und sich jeder Einwohner vorrangig als Namibier fühlt, so setzt sich die Bevölkerung doch aus elf Volksgruppen zusammen, jede mit eigener Geschichte, Sprache und Kultur: Afrikaans, Oshivambo, Herero, britisch- und deutschstämmige Namibier als Resultat der deutschen Kolonialisierung 1884, deren Einfluss bis heute durch deutsche Restaurants, deutschem Brot, Wurst, Bier und Karneval und Deutsch als Verkehrs- und Nationalsprache zu spüren ist. Zwar ist die offizielle Landessprache Englisch, doch Deutsch ist die Haupt- und Muttersprache von rund 30 000 Namibiern und auch die Zweitsprache von mehreren Hunderttausend.
Existenzgründung statt Rückreise nach Deutschland
Deutschen Ursprungs waren auch die Besitzer einer der ältesten Tischlereien des Landes, die Brüder Schäfler.
Beide hatten das Rentenalter erreicht und wollten ihren Traditionsbetrieb auflösen, kam es Thomas Pade ein knappes Jahr nach seiner Ankunft zu Ohren. Um die Werkzeuge zu übernehmen, traf er sich mit ihnen zum Gespräch und stellte fest, dass vielmehr ein Nachfolger gesucht wurde. „An Selbstständigkeit hatte ich mit 26 Jahren noch nicht gedacht. Die alten, wenn auch gut gepflegten Maschinen entsprachen nicht im entferntesten dem, was ich gewohnt war. Zwei Tage war ich hin- und hergerissen.“ Statt wie geplant nach Deutschland zurückzukehren und den Meister zu machen, übernahm er schließlich die uralten, aber gepflegten und funktionstüchtigen Maschinen, einen Pritschenwagen, Zwingen, Handwerkzeuge und den Lagerbestand für 100 000 N$ (ca. 15 000 Euro).
Obwohl es eine Nachfolge sein sollte, waren die Werkstatt und der eingeführte Name nicht im Paket, da ihm die Betriebserlaubnis in der Stadtmitte nicht erteilt worden wäre. Mit Hilfe alter Freunde aus Touristentagen fand sich in einem Industriegebiet ein Anwesen, so groß wie eine Doppelgarage, zur Miete. Mit seiner heutigen „rechten Hand“, einem Mitarbeiter der Tischlerei Schäfler, eröffnete der Twen 1995 „The Wood Connection CC“ – mit einem Startkapital von rund tausend Mark und einer großen Portion Enthusiasmus im Gepäck.
Dessen bedurfte es auch, denn die anfänglichen Aufträge – beispielsweise Schlachterei-Schneidebretter dünner hobeln – reichten jeweils nur für einen Tag. Über Wasser hielt sich der Jungunternehmer zunächst mit der Ausbildungsvergütung seiner Freundin, denn jeden verdienten Cent reinvestierte der Tischler in den eigenen, jungen Betrieb.
Ein Freund bescherte den ersten „echten“ Auftrag: Einen Wohnzimmerschrank, der immerhin drei Wochen für Beschäftigung sorgte. Über Mundpropaganda folgten weitere Aufträge aus der Palette des klassischen Tischlers – von Türen über Platten- und Massivmöbel bis hin zu Fußböden, Treppen oder Decken, Läden, Apotheken und Bauunternehmen. Mit den Aufträgen verbesserte sich sukzessive die technische Ausstattung. Zudem wurden mehr Mitarbeiter benötigt.
Mehr Mitarbeiter, mehr Aufträge, mehr Platz
Geeignete Mitarbeiter zu finden, ist auch in Namibia ein überaus zähes Geschäft, denn Fachpersonal ist erstens teuer und darüber hinaus extrem schwer zu finden. Der Auswanderer setzte auf Verstärkung aus Deutschland und auch auf die Ausbildung im eigenen Betrieb.
Weil die reguläre Ausbildung in Namibia nicht das bietet, was Handwerksbetriebe benötigen, gibt es die GWATIN – Guild of Woodworking and Allied Trades. Vornehmlich von deutschen Mitgliedern geprägt, arbeitet diese namibische Innung, deren Vorsitzender Thomas Pade lange war, mit den Handwerkskammern der Bundesrepublik zusammen.
So erlangte beispielsweise sein namibischer Kollege an der Handwerkskammer Potsdam seinen Meisterbrief. Ungewohnt waren auch die Aufgaben, ja fast Pflichten eines Arbeitgebers für den Auswanderer: Sie umfassen auch die Organisation des Lebens der Angestellten – vom Umzug bis hin zur Regelung von Bank- oder Versicherungsproblemen.
Mehr Mitarbeiter für mehr Aufträge machten schließlich auch mehr Platz erforderlich. Näher am Stadtkern Windhoeks und mit dreifacher Fläche, wurde ein neuer Standort erst gemietet, dann gekauft. Nach einem weiteren Ausbau ist The Wood Connection mit 26 Mitarbeitern heute eine der größeren von 200 Tischlereien in Windhoek – und wohl die modernste Namibias. Denn nach dem grundlegenden Aufbau wandte sich der Deutsche den zentralen Knackpunkten einer afrikanischen Tischlerei zu. Sich mit einem resignierten „TIA“ abzugeben, kurz für „This is Africa“, und damit gleichbedeutend einem „geht hier eben nicht“, kam für den Tischler nicht in Frage: „Für mich persönlich galt es immer, den deutschen Tugenden treu zu bleiben. Ich hasse das Kürzel TIA. Da wir wissen, wie es sein kann, müssen wir auch versuchen, diesen Idealzustand immer wieder anzustreben. Wer hier aufgibt, ist einer von vielen.“
Woher nehmen, wenn nicht importieren?
Diesem Qualitätsbewusstsein stand zunächst die afrikanische Infrastruktur der Zulieferindustrie im Wege. Aufgrund der begrenzten Warenauswahl fing er zeitig an, Massivholz und gelegentlich MDF aus Deutschland zu importieren. Als der Lagerbestand für die Tischlerei zu groß wurde, wandelte er das Lager mit zwei Kollegen in eine Einzelhandelsgesellschaft für Massivholz, Platten und Beschläge. Die Timber EX importiert mittlerweile alle Materialien, auf die die Industrie im südlichen Afrika noch wenig Wert legt. Dazu zählen beispielsweise auch umweltverträgliche Lacke oder formaldehydreduzierte bzw. -freie Platten, Werkzeuge wie Lackierpistolen und -anlagen oder auch Kleinwerkzeuge namhafter deutscher Hersteller. Darüber hinaus gab es Teilbereiche der Fertigung, die unter afrikanischer Sonne anders zu organisieren und auszustatten sind, als Pade es von Deutschland her kannte. So war viel „learning by doing“ nötig, um endlich einen Oberflächenbereich zu haben, der mit Hilfe gefilteter Zu- und Abluft und den entsprechenden Maschinen erstklassige und umweltbewußte Oberflächen lieferte.
Sukzessive folgten alle weiteren Bereiche der Tischlerei. Gearbeitet wird in der Werkstatt wie aus dem deutschen Lehrbuch. In Afrika gängige Praktiken – z. B. das Schießen der Rückwände oder Verleimen der Riegel, wie sie gerade kommen, hat Thomas Pade aus seiner Werkstatt verbannt.
Maschinen und Software made in Germany
Als einer der letzten Schritte erfolgte die Ausstattung der Werkstatt mit modernen Maschinen bis hin zum CNC-Bearbeitungszentrum, übrigens durchweg von deutschen Herstellern. Die direkte Steuerung der Maschinen aus dem Büro beschleunigte die Produktionsabläufe bereits immens. Die Belastung für Thomas Pade und seinen Vormann in der Arbeitsvorbereitung wurde aber schließlich zu groß, der umfangreiche Kalkulationsbogen in Excel, noch aus den Anfängen der Tischlerei stammend, viel zu aufwändig.
Denn beispielsweise zur Materialberechnung und Zeitabschätzung anhand der notwendigen Arbeitsschritte musste jedes Möbel einzeln eingegeben werden.
Vor gut anderthalb Jahren begann dann die Recherche nach einer geeigneten Software. Anfang 2008, anlässlich eines Besuches in Deutschland, hat Pade sich dann für Software aus dem Hause Pinncalc entschieden, nachdem er u. a. auch einen Anwender besucht hat.
Um nach der Softwareeinführung in der Arbeitsvorbereitung auch zügig die angestrebte Standardisierung zu erreichen, schrieb der pfiffige Unternehmer einen Praktikumsplatz an der European Business School in Oestrich-Winkel aus. Mit Erfolg, denn schon im April besuchte Praktikant Henrik Mössinger die Pinncalc-Schulungen, um so gut vorbereitet samt Software nach Namibia zu fliegen.
EDV-technisch gut vorbereitet, aber handwerklich zunächst völlig unbeleckt, arbeitete er sich dann vor Ort sukzessive in die Anforderungen der Tischlerei ein. Zunächst nur fernmündlich unterstützt durch das Eckernförder Softwarehaus, wurde das System so eingerichtet, dass alle Arten von anfallenden Aufträgen standardisiert abzuwickeln sind.
Hauptaugenmerk lag dabei auf den Kalkulationsstücklisten für Arbeitsvorbereitung und Maschinenübergabe. Für Serienmöbel, ein sehr wachstumsträchtiges Standbein des Betriebes, wurden in der Auftragsbearbeitung Corpora nach zweitägiger Schulung die ersten fünfzehn variablen Stücklisten mit Produktkonfigurator durch zwei Mitarbeiter von „The Wood Connection“ programmiert. Bei der Kalkulation eines Serienmöbels gibt es je nach Möbeltyp und Besonderheiten einen eigenständigen Eingabedialog, der alle für dieses Möbel benötigten Angaben abfragt – wie Außenmaße und Materialien, Verarbeitung. Nach Abschluss der Eingaben erfolgt sofort die Kalkulation von Material und Zeit, mit der zeitgleich die Arbeitsvorbereitung erstellt und die Übergabe an die Plattenaufteilsäge respektive das Bearbeitungszentrum vorbereitet sind.
In der Arbeitsvorbereitung für individuelle Aufträge im Laden- und Apothekenbau führt Pades Weg zu schnellen Stücklisten über die 3D-Möbelkonstruktion DaVinci. Damit zeichnet ein Mitarbeiter Theken und Tresen. Weniger als Werkzeug für die Präsentation, steht vielmehr die grafische Eingabemöglichkeit für Stücklisten im Vordergrund. Ist die Konstruktion abgeschlossen, stehen alle weiter benötigten Fertigungsinformationen in Corpora bereit.
Diese Kombination in der Arbeitsvorbereitung gewährleistet, dass für jeden Auftrag Stücklisten mit wenigen Eingaben erstellt und im Anschluss alle Daten zur Kalkulation, Arbeitsvorbereitung bis hin zur Maschinensteuerung und Rechnungslegung vorhanden sind. Vom Einsatz der Pinncalc-Software verspricht sich Thomas Pade mehr Zeit für sich und seinen Vormann.
Statt jeweils sechzig Stunden in der Werkstatt zu verbringen, möchte er die frei gewordene Zeit nutzen, um Arbeitsabläufe zu verbessern: Die Produktion weiter zu beschleunigen, die Qualität zu prüfen, zu halten und weiter zu verbessern und auch die Montagen stärker zu kontrollieren.
Ist so die Arbeit endlich geschafft, verspricht er sich neben einem freien Kopf – für Gedanken zur Markterweiterung, Lösung von Problemen oder Einsparung unnützer Kosten – natürlich auch mehr Umsatz durch die frei gewordenen Kapazitäten. Für die Zukunft plant er deshalb auch deutlich mehr Werbung ein, statt sich wie bislang ausschließlich auf Mund zu Mundpropaganda zu verlassen.
Der eigenen Linie stets treu geblieben
Der Ruf, den sich Thomas Pade mit seinem Team im Laufe der Jahre und Stück für Stück aufgebaut hat, strahlt weit aus – unter seinen Kunden finden sich regional alle vertretenen Kulturen und überregional Auftraggeber auf den Seychellen oder auch in Kapstadt.
Sie alle belohnen mit ihren Empfehlungen seine hohe handwerkliche Kompetenz – nicht nur bei der Qualität von Material und Fertigung, sondern auch, was die Art der Kundenbetreuung angeht.
Thomas Pade ist es gelungen, in seinem Team eine ausgewogene Balance zwischen Werten und Anforderungen der alten und der neuen Heimat in seinem Team herzustellen. Darin hat er verschiedenste Kulturen zielorientiert miteinander vereint und bietet seinen Kunden eine Angebotspalette, die alles hergibt, was ein Tischler bieten kann.
Deutsche Qualität und Zuverlässigkeit sind zwar der Schlüssel seines Erfolges, doch der wird auch in Namibia letztlich nur durch harte Arbeit, Kontinuität und Streben nach Verbesserung erreicht. Den besonderen Reiz, diesen Einsatz gerade hier zu leisten, sieht Herr Pade darin, „dass sich aus dem Nichts mit Fleiß, Glück und Können so etwas aufbauen lässt.“ (Birte Neuhoff, Pinncalc EDV-Beratungs- und Vertriebs-GmbH) ■
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