Mit einem Studiengang „Innenausbau“ soll ab 2004 an der Fachhochschule Rosenheim ein neues Angebot für die mittleren und kleineren projektorientierten Unternehmen der Holzwirtschaft, insbesondere für jene der Branche „Innenausbau“ geschaffen werden. Bedarf an diesem Studiengang – da ist sich die Branche einig – besteht. Die Komplexität dieser Betriebe sei bisher durch kein Studium abgedeckt worden.
Das bisherige Studium der (klassischen) Holztechnik zielt maßgeblich auf den Einsatz der Absolventen in Industriebetrieben der Holzwirtschaft ab. Dort werden spezielle Anforderungen gestellt, welche durch die vorhandenen Studiengänge abgedeckt werden. In den projektorientierten (kleineren) Betrieben des Innenausbaus (z. B. Ladenbauer, Schreinereien und Tischlereien) dagegen werden andere Schwerpunkte und Anforderungen als in der Industrie gestellt – markant sind die Unterschiede beispielsweise im Bereich „Gestaltung“ oder „Betriebswirtschaft und VOB“. Kenntnisse in diesen Bereichen gelten in den kleineren Unternehmen als Schlüsselqualifikationen, während der industrieorientierte Ingenieur hier in der Praxis wenig gefordert ist.
Der Studiengang „Innenausbau“ – so der vorläufige Arbeitstitel –besteht aus speziell angepassten Studieninhalten aus den in Rosenheim bereits existierenden Studiengängen „Holztechnik“, „Innenarchitektur“ und „Betriebswirtschaft“ (Konzept im Detail siehe Kasten S. 72). Die innovative Ausrichtung des neuen Studienganges versteht sich als qualifizierende Ausbildung für den späteren Einsatz in kleinen und mittelständischen Betrieben.
Der Studiengang richtet sich an alle Personen, welche in Unternehmen des Innenausbaus tätig werden möchten. Ganz besonders richtet sich das Angebot im Sinne der Nachfolgeregelung an die künftigen Inhaber oder Geschäftsführer dieser Unternehmen. Da die zahlreichen Innenausbaubetriebe in der Größenordnung ab etwa zehn Mitarbeiter qualifizierte Führungskräfte benötigen, die Nachfolge-Regelung eine große Herausforderung darstellt und diese Unternehmen in der Regel standorttreu sind, ist es notwendig, auch für diesen Teil der Holzwirtschaft ein zugeschnittenes Studienangebot anzubieten. Braucht denn das Handwerk den Dipl.-Ing. Innenausbau? Steht diese Ausbildung im Widerspruch zum Meister? Wie wird die Akzeptanz eingeschätzt? Diese und weitere Fragen berieten die Vertreter des Bundesverband Holz und Kunststoff im Januar 2003 gemeinsam mit den Vertretern der Fachhochschule in Rosenheim. Das Resümee fiel einstimmig aus: Alle Vertreter des Tischler- und Schreinerhandwerks sprachen sich für die Umsetzung des Konzeptes aus und sahen einen Bedarf an derart qualifizierten Absolventen.
Mit dem neuen Studiengang werde insbesondere auch das Tischler- und Schreinerhandwerk als innovative Branche dargestellt, in welcher junge Menschen von der Ausbildung bis zum Studium Karrierewege gestalten können. Neben der Bereitstellung der Führungskräfte werde so auch das Image für das äußerst komplexe Gewerk des Innenausbauers verbessert.
Die Initiative zur Schaffung des neuen Studiengangs geht zurück auf den Fachverband Schreinerhandwerk Bayern und den Fachbereich Holztechnik der FH Rosenheim. Bleibt zu hoffen, dass bis 2004 die Ressourcen an der FH Rosenheim bereit gestellt werden können, um den Studiengang dann anbieten zu können.
Wolfgang Heer
Das Konzept
Das Anforderungsprofil an die Ausbildung zum Dipl.-Ing. Innenausbau leitet sich aus der dargestellten Idee und der aktuellen Sachlage ab:1. Die inhaltliche Ausrichtung der Ausbildung ist objektorientiert – nicht serienorientiert. Dies betrifft ganz besonders die konstruktiven, betriebswirtschaftlichen und naturwissenschaftlichen Fächer.2. Vermittlung von Schwellenkompetenz wie z. B. Objektkonstruktionen, CAD, Bauphysik und Materialkenntnisse. Diese Schwellenkompetenz wird als unbedingt notwendig angesehen, da in den kleineren Unternehmen die künftigen Ingenieure sofort einsatzfähig sein müssen, während in der Industrie in der Regel eine „Trainingsphase“ akzeptiert wird. 3. Die integrierte Ausbildung mit den Schwerpunkten Organisation/Betriebs-wirtschaftslehre, Konstruktion/Gestaltung, Informations- und Kommunikationstechnologie und Fertigungstechnik basiert auf soliden Ingenieurgrundlagen und einer naturwissenschaftlichen Grundausbildung.4. Die Ausbildung soll generalistisch erfolgen. Theoretisches Wissen wird durch Projektarbeiten mit Schwerpunkten in unterschiedlichen interdiszipli-nären und organisatorischen Fächern vertieft.Der StudienplanIn enger Kooperation der Fachbereiche an der Fachhochschule Rosenheim untereinander sowie mit dem Fachverband Schreinerhandwerk Bayern wurde ein erster Studienplan entworfen. Dieser wurde auch mit Vertretern des Bundesverband Holz und Kunststoff, der Spitzenorganisation des deutschen Tischler- und Schreinerhandwerks abgestimmt. Die allgemeinen, mathematischen und naturwissenschaftlichen Fächer bilden die Basis einer Ingenieurtätigkeit. Es wird Wert darauf gelegt, dass bereits hier eine dem Tätigkeitsfeld entsprechende Ausrichtung erfolgt. Beispiel aus der Physik: Die Bauphysik hat Vorrang, da sie elementar wichtig für den „Innenausbauer“ ist. Unter den Schwer-punkten Organisation, Betriebswirtschaft und Informations-/Kommunikationstechnik verbergen sich alle Inhalte, welche für die Führung eines Unternehmens wichtig sind – von der Personalführung, über Vertragsrecht, VOB und EDV bis hin zur Betriebswirtschaft.Elementar wichtig ist auch der Schwerpunkt Fertigungstechnik. Die Absolventen erhalten die Kenntnis über Maschinen-, Betriebs- und Fertigungstechnik speziell für den Innenausbau. Im Schwerpunkt Konstruktion werden beispielsweise die Statik, die Werkstoffkunde, die Konstruktionslehre und der technische Ausbau Inhalt des Studiums sein.Der Schwerpunkt Gestaltung befasst sich mit dem Entwerfen und dem Gestalten von Erzeugnissen und Produkten für den Innenausbau. Dabei wurde als Lehrziel vereinbart, dass die Absolventen in der zur Verfügung stehenden Zeit ein „Gestaltungsverständnis“ erlangen sollen, um in der Kommunikation mit Auftraggebern das notwendige Rüstzeug zu haben. Studierende mit einer entsprechenden Begabung steht allerdings auch die Möglichkeit offen, die Gestaltungskompetenz auszubauen. Die Einsatzgebiete Die Absolventen des Studienganges „Innenausbau“ werden ein vielfältiges Einsatzgebiet haben. Zu nennen sind:• Unternehmer, Geschäftsführer und/ oder Betriebsleiter/Projektleiter/Abteilungsleiter in objektorientierten Betrieben der Holzwirtschaft, insbesondere in Unternehmen des Tischler- und Schreinerhandwerks, des Innenausbaus, Ladenbaus, Messebaus usw. • Verkauf, Vertrieb und/oder Marketing in o. g. Betrieben• Technischer Vertrieb von Zulieferprodukten für die Branche• Ingenieurdienstleistungen, wie beispielsweise Planung, EDV, Konzeptionierung etc.• Produktentwicklung und -entwurf (bei entspr. Qualifikation).
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