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Karriere im Baukastensystem

Erfahrungen mit der modularisierten Weiterbildungin der Schweiz
Karriere im Baukastensystem

Die Schweizer Schreiner haben seit Einführung der modularisierten Weiterbildung in Richtung Meister ein einfacheres Leben. Nicht mit dem Lernstoff, notabene! Sondern mit der bedarfsgerechten und flexiblen Organisation der Weiterbildung nach Lehrabschluss. Was Ende der neunziger Jahre als Pionierleistung in der helvetischen Bildungslandschaft eingeführt wurde, hat sich bewährt. Ob Projektleiter oder Schreinermeister, ob Interesse an C-Technologien oder Oberflächen-technik – für jeden Bedarf lassen sich maßgeschneiderte Angebote einzeln belegen oder im Baukastensystem zu verschiedenen Berufszielen frei kombinieren.

Es sieht aus, als hätten die Väter des Modulsystems bei der Neugestaltung der schweizerischen Schreiner-Weiterbildung den Industrie-Gedanken „Just in time“ als Leitmotiv gehabt. Mit der Modularisierung wurde ein Bildungsangebot geschaffen, das die Belegung von Fächern in zeitlicher und quantitativer Hinsicht völlig flexibel gestaltet. Es wird genau das gelernt, was gerade gebraucht wird – nicht mehr und nicht weniger.

Nur in Fragen der Qualität kennt der Verband Schweizerischer Schreinermeister und Möbelfabrikanten VSSM in seiner Aufsichtsfunktion über die Berufsbildung kein Pardon.
Die Akkreditierung der Schulen sowie die zweijährliche Re-Auditierung jedes angebotenen Moduls aus jeder Schule bieten Gewähr für eine gleichbleibende und aktualisierte Qualität in allen elf beteiligten Bildungsstätten. Und … ein Meisterstück im herkömmlichen Sinne gibt’s nicht mehr!
Worum geht’s genau?
Vor rund zehn Jahren erkannte man in der helvetischen Schreinerwelt, dass das Angebot an Blockkursen nach dem Lehrabschluss nicht mehr zeitgemäß war. Konventionelle Lehrgänge über mehrere Monate mit einem Bündel an Fächern – integrales Lernen also – erwiesen sich als nicht mehr bedarfsgerecht.
Sowohl die Erwartungen der Unternehmen als auch Motivationsschwächen der Lernenden während einer längeren Kursdauer gaben den Anstoß zur grundlegenden Veränderung in der beruflichen Weiterbildung. In Zeiten hoher Mobilität, rasch wechselnder betrieblicher Belastungen, zahlreicher Konkurse sowie oft unvorhergesehener privater Situationen hat sich die Flexibilisierung der Weiterbildung aufgedrängt – und bewährt.
Romain Rosset, Bereichsleiter Berufsbildung beim VSSM, fasst Sinn und Zweck der Modularisierung wie folgt zusammen: „Wir wollten die Mobilität der Mitarbeitenden unserer Branche erhöhen und eine gezielte und dynamische Ausbildung auf hohem Niveau gewährleisten.“
Für jedes belegte Modul wird ein VSSM-Modulausweis abgegeben. Die erworbenen Teilabschlüsse werden zudem mit einem Eintrag im Berufspass (Berufsbildungsbuch) bestätigt. Um einen bestimmten Abschluss oder ein VSSM-Diplom zu erreichen, genügt der Nachweis, dass man die dazu gehörenden Modul-Lernzielkontrollen erfolgreich bestanden hat. – Wenn ein Schreiner beispielsweise die Stufe „Arbeitsvorbereiter“ erreichen will, so hat er am Schluss 15 einzelne Modulausweise (siehe Tabelle: Modulbaukasten).
Wo, wann und in welcher Reihenfolge er diese 15 Einzelmodule belegt, bleibt ihm weitgehend überlassen. Möchte er sich später zum Projektleiter weiterbilden, muss er nur noch die fehlenden zusätzlichen Module belegen, die durch die Ausbildung zum Arbeitsvorbereiter nicht schon abgedeckt waren – im Beispiel wären das noch 13 zusätzliche Module.
Der Sprung zum Schreinermeister verlangt nun noch die fehlenden zusätzlichen Module – für unseren ambitionierten Fachmann nochmals deren 13. Und das bei voller geographischer und zeitlicher Beweglichkeit, denn die Schulen versuchen, ihre Auslastung über ein ausgewogenes Angebot an Modulen zu optimieren. Die Kosten für die einzelnen Module sind nicht einheitlich, unterschiedliche kantonale Rahmenbedingungen und die Organisationsform der Schule spielen bei der Preisgestaltung eine Rolle.
Qualität garantiert – Standards einheitlich
Zentraler Knackpunkt bei der Modularisierung einer Ausbildung mit elf verschiedenen Lehrstätten – jede ist separat qualitätszertifiziert – ist die Nivellierung der angebotenen Module bei allen Ausbildungsorten. Ohne sie wären die gesamten Flexibilisierungsbemühungen wenig wert. Bis vor kurzem thronte über dem gesamten Meisterwesen der Schweizer Schreiner die Meisterprüfungskommission. Ihre Aufgabe war die Organisation und Abnahme der Meisterprüfung sowie die ehrenvolle Übergabe des Diploms.
Sie wurde von der „Qualitätssicherungskommission QS-K“ abgelöst, welche die Gesamtverantwortung für das modularisierte Bildungssystem trägt. Ihr ist ein Fachaudit-Team (FAT) zur Seite gestellt. Dieses gliedert sich in fünf Bereiche (C-Technik, Allgemeinbildung, Betriebswirtschaft, Visuelles und Berufsgrundlagen) mit je drei Mitgliedern. Sie prüfen die von den Schulen erarbeiteten Module inhaltlich und akkreditieren sie – oder verlangen Änderungen.
Es geht um die Unterrichtsplanung und um den Prüfungsverlauf im Modul. Aber auch Schulbesuche während der einzelnen Module gehören zu den Aufgaben des Fachaudit-Teams.
Weil die Schlussprüfungen (Lernzielkontrollen) der Module als fallweise Projektstudien konzipiert sind, bedarf es zur Abnahme jeweils Fachexperten mit spezifischem Know-how. Für die eidgenössischen Prüfungen (Werkmeister, Projektleiter Innenausbau und Schreinermeister) besteht ein besonderer Pool von Expertinnen und Experten, die von der QS-K für die Schlussprüfungen je nach inhaltlicher Gewichtung fallweise beigezogen werden. Die Mitglieder von QS-K, FAT und Expertenpool sind ausnahmslos hochqualifizierte Berufsleute aus der Praxis. Für die Meisterprüfung, die heute nur noch zwei Tage dauert (vormals sechs Tage) und keine praktische Schreinerarbeit mehr beinhaltet, müssen die Anwärter vorher eine Diplomarbeit schreiben. Diese Arbeit wächst inhaltlich aus den Modulen heraus und wird an der Meisterprüfung präsentiert.
Außerhalb des Modulsystems sind die jeweiligen Schulen frei, eigene weitere Kurse und Seminare anzubieten, die jedoch nicht akkreditiert sind. Dafür werden nur Kursbestätigungen abgegeben, während VSSM-Diplome und eidgenössische Auszeichnungen dem Modulsystem vorbehalten bleiben. Die Module sind von der zuständigen staatlichen Stelle, dem Bundesamt für Berufsbildung und Technologie BBT, einzeln zertifiziert und können somit gleichzeitig Teile von Ausbildungen in verschiedenen Berufszweigen sein. Das Modul „Projektmanagement“ eignet sich also theoretisch für Schreiner genauso wie für Spengler, Sanitäre, Dachdecker, Automechaniker oder Bäcker.
Und wie hat sich’sangelassen?
Auf die Erfahrungen mit dem Modulsystem angesprochen, zieht Romain Rosset eine positive Gesamtbilanz. Er nennt einen sehr wichtigen psychologischen Aspekt der Modularisierung: „Die Teilnehmer haben mit jedem Modul etwas beendet – abgeschlossen. Die Ausbildung wird übersehbar und transparent. Die Überschaubarkeit und Endlichkeit einer Aufgabe ist für den Menschen von eminenter Bedeutung.“
Der pädagogische Vorteil besteht zudem darin, dass man ein Fachgebiet konzentriert und vollständig erarbeiten kann. So wird eine bessere Vertiefung in die einzelnen Themen ermöglicht. Sie vergrößert sich zusätzlich dadurch, dass die Module an allen Schulen einen obligatorischen Wahlpflichtbereich beinhalten. Darunter versteht man eine mit der betrieblichen Praxis vernetzte Projektarbeit, die neben reinem Fachwissen auch die sprachlich sichere und korrekte Ausdrucks- und Darstellungsweise fordern und fördern soll.
Und doch gibt es im Modulsystem noch einzelne Felder, die man verbessern möchte: „Wir können zur Zeit nicht überall simultan alle Module anbieten. Dafür ist der helvetische Markt zu klein.“ Im Weiteren werde nach wie vor meist eine bestimmte Ausbildungsstufe angepeilt, so dass die Besetzung eines Einzelmoduls in der Praxis eher selten sei. „Immerhin: Wenn der Chef eine CNC-Maschine oder eine CAD-Anlage anschafft, dann kommen die Leute oft gezielt in unsere C-Module.“
Weniger häufig wird die geographische Flexibilität des Systems genutzt. Wenn man sich einmal in einer Lehrstätte eingelebt hat, dann entsteht da eine Bindung: Man kennt die Lehrkräfte und auch die Studienkollegen und bleibt eher an „seiner“ Schule. Vor allem bei Überbelegung einzelner Module weichen die Interessenten aber gerne auf andere Lehranstalten aus.
Die Aktualisierung der modularisierten Ausbildung ist einfach, es gibt keine unumstößlichen Lehrpläne: So, wie bedarfsweise gelernt wird, wird auch bedarfsweise gelehrt. Für die im Modul-system akkreditierten Schulen ist der Verwaltungsaufwand jedoch gestiegen. Romain Rosset dazu: „Die Ausbildung zum Werkmeister als Beispiel umfasst 21 Module. Das bedeutet 21 mal Unterlagen zu verschicken, 21 Anmeldungen entgegenzunehmen und 21 Einzahlungen buchhalterisch zu erfassen. Hier suchen wir noch Verbesserungen.“
Gestiegen ist auch der Beratungsbedarf für die Studierenden und damit die Anforderungen an die Kompetenz der beratenden Fachlehrer. Beim VSSM selbst gehen 40 Prozent einer Arbeitsstelle in die administrative „Pflege und Wartung“ des Modulsystems.
Die Hoffnung bei der Einführung des Modulsystems, damit deutlich mehr Leute zur Weiterbildung zu animieren, hat sich nur teilweise erfüllt. Ein anfänglicher Nachholbedarf ließ die Zahl der Teilnehmer hochschnellen. Jetzt hat sich die Anzahl der sich Weiterbildenden bei rund einem Viertel aller Schreiner stabilisiert. Hingegen ist gemäss Rosset das Echo der Betriebe sehr gut, weil das Modulsystem die berufliche Mobilität unterstützt und fördert. Die geographische Durchlässigkeit des Systems und die Anpassung an schwankende Auslastungen kommen den Arbeitgebern entgegen. „Im Weiteren schätzen Betriebe wie Teilnehmer die praxisbezogenen Projektarbeiten in den Modulen. Hiervon können alle profitieren.“
Die Schreiner als Schrittmacher
Das Modulsystem der Schreiner hat mittlerweile einen sehr guten Ruf in der helvetischen Bildungsszene erlangt. Die Universität Bern hat sich genauso dafür interessiert wie etwa die Verbände der Förster, Baumeister, Kleinkinderzieherinnen oder Kaminfegermeister. Beim Bundesamt für Berufsbildung und Technologie BBT werden die Interessenten gerne an den VSSM verwiesen. „Schaut euch bei den Schreinern um und macht es genauso!“ lautet gemäss Romain Rosset der Tenor beim Bund.
Der VSSM hat mit der Einführung des Modulsystems landesweit eine führende Stellung eingenommen. Aber auch international – in Deutschland und Österreich vor allem – besteht Interesse an der neuen Organisationsform.
Romain Rosset verweist in diesem Zusammenhang auf eine spezielle Eigenart der helvetischen Mentalität: „Hierzulande machen wir eine Weiterbildung nicht wegen dem Diplom, sondern vor allem aus Lust an der eigenen Entwicklung.“
Diese Lust am Lernen als eigentliche Triebfeder dürfte bei der Einführung des Modulsystems ein wichtiger Erfolgsfaktor gewesen sein. Voraussetzung dafür war aber auch das konsequente Mittragen der Idee durch den Verband VSSM. Nur so habe man den „Paradigmenwechsel“ von der integralen zur modularisierten Ausbildung erfolgreich vollziehen können.
Andreas Grünholz
Wichtiges in Kürze
• Der Verband Schweizerischer Schreinermeister und Möbelfabrikanten VSSM führt die Oberaufsicht über die gesamte berufliche Aus- und Weiterbildung für Schreiner in der deutschen und italienischen Schweiz. Er beschäftigt insgesamt rund 45 vollamtliche Mitarbeitende.• In der deutschen Schweiz und im Tessin sind ca. 2500 von insgesamt rund 3850 Schreinereien dem VSSM angeschlossen. Das entspricht einem Organisationsgrad von 65 Prozent. • In der deutschen und italienischen Schweiz werden jährlich rund 1200 Lehrverträge abgeschlossen. • Die Weiterbildungsstufen „Maschinist“, „Oberflächenspezialist“, „Monteur“ und „Arbeitsvorbereiter“ werden mit einem Diplom des VSSM abgeschlossen. Die Stufen „Werkmeister“ und „Projektleiter Innenausbau“ schließen auf eidgenössischer Ebene mit einem Berufsdiplom ab und die „Schreinermeisterprüfung“ gilt als höhere Fachprüfung auf eidgenössischer Ebene.• Jährlich legen etwa 70 Studierende die eidgenössische Berufsprüfung (Werkmeister und Projektleiter Innenausbau) sowie 30 die eidg. höhere Fachprüfung (Schreinermeister) ab. Pro Jahr werden rund 3500 einzelne Modulausweise für besuchte Einzelmodule sowie 250 VSSM-Diplome (Maschinist, Oberflächen-spezialist, Monteur, Arbeitsvorbereiter) abgegeben. • Die gesamte Weiterbildung ist in 47 Module mit insgesamt 2760 Lektionen aufgeteilt.• 11 Weiterbildungsschulen sind beim VSSM akkreditiert und werden vom Bereich Berufsbildung innerhalb des Verbandes kontrolliert.• Die drei bestehenden Technikerschulen für Schreiner sowie die Schweize-rische Hochschule für die Holzwirtschaft SH Holz in Biel sind nicht ins Modulsystem integriert. Für weitere Auskünfte: VSSM, Bereich BerufsbildungGladbachstrasse 80CH – 8044 ZürichTel 00 41(0)1/2 67 81 00Fax ~/2 67 81 53www.schreinerbildung.ch
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