1 Monat GRATIS testen, danach für nur 9,90€/Monat!
Startseite » Allgemein »

Keine Angst vor der Umsetzung

Lärmschutzverordnung: Seit März 2007 in Kraft
Keine Angst vor der Umsetzung

Wenn es um die Durchführung von Verordnungen geht, schlafen viele Kollegen aus dem Schreinerhandwerk den Schlaf der Gerechten. Bei einem Besuch vom Gewerbeaufsichtsamt folgt allerdings schnell das böse Erwachen, da die Ämter bei diesem sensiblen Thema inzwischen sehr hellhörig geworden sind. Dabei ist es kein Hexenwerk, die neue Lärmschutzverordnung betrieblich umzusetzen.

Seit März 2007 gilt die „Verordnung zum Schutz der Beschäftigten vor Gefährdungen durch Lärm und Vibrationen (Lärm- und Vibrations-Arbeitsschutzverordnung – LärmVibrationsArbSchV)“. Wesentlicher Bestandteil ist, dass die Grenzwerte um 5 dB(A) gesenkt wurden. War bisher ab 90 dB(A) das Tragen des Gehörschutzes Pflicht, so sind jetzt 85 dB(A) erforderlich. Wer jetzt denkt „sind ja nur 5 dB(A)“, dem sei gesagt: 3 dB(A) bedeuten eine Verdopplung der Lautstärke. Da sind 5 dB(A) schon eine Menge Holz (bzw. Schall): Der Gesetzgeber lässt jetzt weniger als die Hälfte von früher zu.

Im Rahmen des Unternehmer-Modells der Holz-Berufsgenossenschaft habe ich mich mit einem Kollegen daran gemacht, diese Verordnung im eigenen Betrieb umzusetzen. Der erste Schritt ist natürlich, den ganzen Text einmal durchzulesen. Da waren unsere Berührungsängste anfangs sehr hoch. Fassen Sie sich ein Herz: Gerade einmal 14 DIN-A4 Seiten ist die Verordnung lang. Zieht man das Inhaltsverzeichnis und die weniger relevanten Inhalte über Vibrationen ab, hat man effektiv fünf Seiten zu lesen. Das sollte für jeden zu schaffen sein. Die wesentlichen Punkte in der Verordnung:
  • Jeder Arbeitgeber hat für seinen Betrieb (bzw. die Mitarbeiter, die darin arbeiten) eine Gefährdungsbeurteilung zu erstellen. Dazu muss er eine befähigte Person beauftragen.
  • Ab 80 dB(A) (bis 84 dB(A)) hat der Arbeitgeber die persönliche Schutzausrüstung – den Gehörschutz – zur Verfügung zu stellen. Der Angestellte entscheidet selbst ob er ihn tragen will. Ebenso muss der Unternehmer eine Gehöruntersuchung anbieten. Dem Angestellten ist freigestellt, ob er davon Gebrauch macht.
  • Ab 85 dB(A) ist das Tragen eines Gehörschutzes zwingend erforderlich. Der Arbeitgeber hat dafür Sorge zu tragen, dass der Gehörschutz von seinen Angestellten auch getragen wird.
  • Unter 80 dB(A) sind keine Maßnahmen nötig.
  • Gibt es im Betrieb Bereiche, die über 85 dB(A) liegen, so ist bei neu eingestellten Mitarbeitern eine Einstellungsuntersuchung zu veranlassen und außerdem müssen alle Mitarbeiter regelmäßig untersucht werden. Maßnahmen zur Verringerung des Lärmpegels sind gegenüber dem Tragen von Gehörschutz zu bevorzugen.
Die Gefährdungsbeurteilung in den einzelnen Bereichen
Spätestens jetzt stellt sich die Frage: „Wie laut ist es denn eigentlich in meinem Betrieb?“ Um diese zu beantworten, gibt es jetzt zwei grundsätzlich verschiedene Wege:
  • Man wälzt die Betriebsanleitungen aller Maschinen, die man einsetzt. Darin sollten Hinweise auf die Lärmemission vorhanden sein. Diese Herstellerangaben dokumentiert man in einer Auflistung, die man der Gefährdungsbeurteilung beilegt.
  • Durch Messungen im Betrieb mit geeigneten Messinstrumenten stellt man fest, wie laut es ist.
Da wir auch ältere Maschinen einsetzen, für die die Betriebsanleitungen zwar noch vorhanden sind, aber zu dem Thema nicht sehr viel hergeben, haben wir uns für die Messung entschieden. Im Laufe der Vorbereitung haben wir aufgrund des Grundrisses unseres Betriebes eine Unterteilung in die fünf folgenden Bereiche vorgenommen:
  • Maschinenraum
  • Bankraum
  • Furnierbearbeitung
  • Furnierraum
  • Oberflächen- / Lackierraum.
Ziel unserer Messungen war festzustellen, ob in den einzelnen Bereichen dauerhaft ein Lärm-Wert unter 80 dB(A) eingehalten werden kann. Dies stellt den Idealfall dar, da damit die Verordnung nicht greift. In einem Holz verarbeitenden Betrieb dürfte dieser Fall – wenn überhaupt – nur durch erhebliche Investitionen in Schallschutzmaßnahmen möglich sein.
Maschinenraum: In einem ersten Telefonat mit der Holz-BG hat sich ergeben, dass Maschinenräume in Schreinereien immer als Lärmbereich eingestuft werden. Sie liegen erfahrungsgemäß über 85 dB(A). Dieses wurde in vielen Messungen bestätigt. Da unser Maschinenraum in der Bauweise und Maschinenbestückung einem „klassischen“ Schreinerbetrieb entspricht und auch keine außergewöhnlichen Schallschutzmaßnahmen durchgeführt wurden, übernehmen wir die Ergebnisse der BG: Maschinenraum = Lärmbereich.
Bankraum: Unser Bankraum ist räumlich vom Maschinenraum abgegrenzt. Es gibt einen offenen Durchgang und eine Schiebetür. Müssen wir hier etwa eine Schallschutzwand einbauen? Den ganzen Tag im Bankraum Gehörschutz zu tragen ist laut Verordnung ja keine Alternative: Tragen von Gehörschutz ist nur die „Notlösung“, wenn keine anderen Maßnahmen möglich sind. Deshalb zitterten wir dieser Messung besonders entgegen. Es galt herauszufinden, ob es dort schon zu laut ist, wenn im Maschinenraum gearbeitet wird und im Bankraum nur Handarbeiten durchgeführt werden.
Dazu wurden im Maschinenraum die Kreissäge, die Plattensäge und die Breitbandschleifmaschine betrieben. Das sind die Maschinen, die bei uns an den beiden Zugängen zum Bankraum stehen. Zusätzlich liefen die Vierseiten-Hobelmaschine und eine Tischfräse im Leerlauf. Das Ergebnis: Der Wert liegt unter 80 dB(A), somit ist unser Bankraum kein Lärmbereich.
Was aber, wenn im Bankraum mit Handmaschinen gearbeitet wird? Erst haben wir angefangen, mit Tellerschleifmaschinen zu schleifen und zu polieren. Dabei bleibt der Wert unter 80 dB(A). Das ändert sich jedoch schlagartig, wenn man die Formfeder-Fräse benutzt: Jetzt werden die 85 dB(A) sofort überschritten.
Fazit: Solange im Bankraum nur Handarbeit verrichtet wird, brauchen wir uns über den Gehörschutz keine Gedanken machen. Laute Handmaschinen müssen mit einem Warnhinweis am Maschinenkoffer, oder an der Maschine selbst, versehen werden.
Furnierbearbeitung: Im Keller ist neben dem Furnierlager gleich die Furnierbearbeitung mit Furnierklebemaschine und Furnierkreissäge untergebracht. Das Ergebnis: Auch bei Betrieb beider Maschinen gleichzeitig unter Volllast bleibt der Wert deutlich unter 80 dB(A).
Furnierraum: Die Furnierpresse hat einen eigenen Raum im Erdgeschoss. Dieser ist über einen offenen Durchgang mit dem Maschinenraum verbunden. Auch hier stellte sich die gleiche Frage wie im Bankraum: Gehörschutzpflicht, nur weil im angrenzenden Maschinenraum gearbeitet wird?
Die Messung ergibt, dass es hier lauter ist, als im Bankraum. Die 80 dB(A) werden überschritten, allerdings bleibt der Wert immer unter der Grenze von 85 dB(A). Fazit: Der Furnierraum ist nicht als Lärmbereich auszuweisen. Das Tragen eines Gehörschutzes wird aber empfohlen.
Oberfläche/Lackierraum: Unsere Absaugwand ist im Vergleich zu anderen relativ laut. Das war uns schon bewusst. Mit etwas mulmigem Gefühl starteten wir die Messung, während ein Mitarbeiter mit dem Airmix lackierte. Auch hier Entwarnung: Sogar die Pegelspitzen bleiben unter 80 dB(A). Eine Ausweisung als Lärmbereich ist auch hier nicht notwendig.
Erfahrungen und Kosten bei der Umsetzung
Es gibt natürlich Bereiche, die über 85 dB(A) liegen. Dies war auch nicht anders zu erwarten. Entsprechend haben wir uns um die vorgeschriebenen Dinge zu kümmern. Jeder Mitarbeiter bekommt seine persönliche Gehörschutzausrüstung. Die Lärmbereiche werden entsprechend ausgeschildert. Der Aufwand für die Vorsorgeuntersuchungen der Angestellten hält sich durch den SAMD der Berufsgenossenschaft in sehr engen Grenzen.
Ich hatte mich zu Anfang sehr über die Senkung der Grenzwerte geärgert. Nach den ganzen Messungen ist mir aber bewusst geworden, dass 85 dB(A) wirklich schon sehr laut sind, und ich bei solchen Lautstärken instinktiv zum Gehörschutz greife. Die Verordnung bestätigt damit nur mein persönliches Lärmempfinden.
Die Zeit, die wir dafür investiert haben, hat sich in unseren Augen gelohnt. Das sichere Gefühl, die eigenen Mitarbeiter und sich selbst aktiv vor langfristigen Gehörschäden zu schützen, entschädigt den Aufwand:
  • Eine Stunde Vorbesprechung mit den drei beteiligten Meistern.
  • Eine Stunde, um das Messgerät zu organisieren.
  • Zwei Stunden zum Erarbeiten eines Konzeptes, zur Vorbereitung der Messung und zum Bestimmen der Messplätze.
  • Drei Stunden (mit zwei beteiligten Meistern) für die Durchführung der Messungen im laufenden Betrieb.
  • Zwei Stunden für das Erstellen der Gefährdungsbeurteilung.
Ergibt in Summe 14 Mannstunden. Bei einem Stundensatz von 45 Euro, der Leihgebühr für das Messgerät, Kaufen der benötigten Warnaufkleber und sonstigem benötigtem Kleinmaterial liegen unsere Gesamtkosten unterm Strich bei 690 Euro.
Wer den Bankraum ohne räumliche Trennung im Maschinenraum hat, wird um eine Schallschutzwand nicht herum kommen. Das treibt die Kosten natürlich schnell in die Höhe. Es ist allerdings besser, den Zeitpunkt dafür selbst bestimmen zu können und die bauliche Maßnahme in Zeiten zu erledigen, in denen man sowieso weniger Aufträge hat. Befasst sich erst die Gewerbeaufsicht mit meinem Betrieb, wird auf das Argument „Wir haben soviel Arbeit und keine Zeit für sowas“ sicher keine Rücksicht mehr genommen.
Die Gefährdungsbeurteilung sollte auch „leben“. Die Ergebnisse der Vorsorgeuntersuchungen der Mitarbeiter sollten darin archiviert werden. Werden neue Maschinen angeschafft, ist die Beurteilung zu aktualisieren. Planen Sie größere bauliche Veränderungen oder gar einen Neubau, so ist es wichtig, auch den Lärmschutz in die Planungen mit einzubeziehen. ■
Herstellerinformation
BM-Gewinnspiel
Herstellerinformation
BM-Titelstars
Herstellerinformation
Im Fokus: Vernetzte Werkstatt

Herstellerinformation
Im Fokus: Vakuumtechnik
Herstellerinformation
BM auf Social Media
BM-Themenseite: Innentüren
Im Fokus: Raumakustik
_6006813.jpg
Schallmessung in der Praxis: Michael Fuchs (r.) und Simon Holzer bei raumakustischen Messungen in einem Objekt (Friseursalon Max in Wallersdorf). Foto: Barbara Kohl, Kleine Fotowerkstatt
Im Fokus: Gestaltung
Alles bio? Nachhaltigkeit im Tischler- und Schreinerhandwerk

BM Bestellservice
Vielen Dank für Ihre Bestellung!
Sie erhalten in Kürze eine Bestätigung per E-Mail.
Von Ihnen ausgesucht:
Weitere Informationen gewünscht?
Einfach neue Dokumente auswählen
und zuletzt Adresse eingeben.
Wie funktioniert der BM Bestellservice?
Zur Hilfeseite »
Ihre Adresse:














Die Konradin-Verlag Robert Kohlhammer GmbH erhebt, verarbeitet und nutzt die Daten, die der Nutzer bei der Registrierung zum BM Bestellservice freiwillig zur Verfügung stellt, zum Zwecke der Erfüllung dieses Nutzungsverhältnisses. Der Nutzer erhält damit Zugang zu den Dokumenten des BM Bestellservice.
AGB
datenschutz-online@konradin.de