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Messerscharf

Berufliche Schule in Butzbach/Hessen
Messerscharf

Die Forderung nach Kreativität in der beruflichen Bildung gewinnt immer mehr an Aktualität. Schon vor einigen Jahren hat man den berufspädagogischen Charakter künstlerisch-gestaltender Aktivi-täten mit einem neuen Qualifikationsverständnis erkannt und aufgenommen. Künstlerische Übungen wurden in die Aus- und Fortbildung integriert, um die Handlungsfähigkeit der Lernenden bzw. Aus-zubildenden zu bereichern, zu erweitern und ihre Kompetenzen zu fördern.

Der Autor: Rolf Daniel, gelernter Schreiner und heute als Ober-studienrat an der Technikerschule in Butzbach und als Ausbilder für Berufsschullehrer am Studienseminar Giessen tätig

Tischlerhandwerk, Möbel-industrie und Bildungseinrichtungen fordern den Nachwuchs regelmäßig mit Wettbewerben auf, sich mit kreativer Gestaltung und Design auseinander zu setzen. Auch die Ausbildung zum Gestalter im Handwerk geht auf diese Entwicklung zurück, deren Ziel die effektive Verbindung von gestalterischen Fähigkeiten mit technischem Wissen und handwerklichem Können ist. Möbel und andere alltägliche Gegenstände sollen nicht ausschließlich auf ihre Funktion reduziert bleiben, sondern den aktuellen Forderungen nach Ästhetik und Design gerecht werden. So bietet Gestaltungskompetenz heute oft ein Wettbewerbsvorteil und Design ist zu einem wichtigen Wirtschaftsfaktor geworden.
Skandinavische Tradition / Messer als Vorbild
Das Herstellen von Messern als Kunstgegenstand hat in den nordischen Ländern eine lange Tradition. Lerngruppen der Klintjeberg Aefterskole auf der dänischen Insel Fünen, haben diese Tradition aufgegriffen und entwarfen und fertigten in einer Projektarbeit interessante Messer.
Angeregt durch die skandinavischen Bildungseinrichtungen, wo innovative Ideen für schöpferisch-gestaltendende, kreative und spielerische Handlungsstrukturen in einem außergewöhnlichen Unterricht umgesetzt wurden, entstanden auch an zwei hessischen Berufsschulen ähnliche Projekte.
In Workshops und Projektarbeiten an der Beruflichen Schule in Butzbach und in Friedberg, bewiesen Jugendliche welche Talente und kreativen Fähigkeiten in ihnen schlummern. Die Entscheidung der Fachlehrer bzw. Fachlehreranwärter für diese Objekte erfolgte, um ein Maximum an Motivation bei den Schülerinnen und Schülern zu mobilisieren. Schnell wurde deutlich, dass selbst Jugendliche, die sich ungern an einfache, praktische Arbeiten mit Holz oder Metall heranwagen, Spaß an den künstlerischen Arbeiten fanden und bald engagiert mitarbeiteten. Dabei lernten die jugendlichen Teilnehmer weit mehr als nur kreative und handwerkliche Fähigkeiten und Zusammenhänge zu entwickeln. So beispielsweise:
• mit offenen Situationen umgehen
• unbefangen aus der Situation heraus Lösungen finden
• sich auf Fertigungsprozesse mit bisher unbekannten Gegenständen und Werkstoffen einlassen
• komplexe, nicht standardisierte Aufgaben sachgemäß bewältigen
• sich von eingefahrenen Vorstellungen zu lösen
• neue Aufgaben zu erkennen und aus Erfahrung lernen
• Entscheidungen treffen und neue Ziele finden
• den anderen Teilnehmer zu achten, sich auf den anderen einzustellen und Meinung und Einstellung des anderen zu respektieren
• sensibel Grenzen und Möglichkeiten der Bearbeitung unterschiedlicher Materialien wahrnehmen
• Problemsituationen flexibel meistern und improvisieren
• in komplexen Zusammenhängen aus Übersicht handeln
• sich mit dem Thema Gewalt und Gewaltprävention auseinander zu setzen (z. B. unter der Fragestellung: Waffe oder Gebrauchsgegenstand?).
Dabei wurden folgende Qualifizierungsbereiche tangiert:
Wahrnehmungsfähigkeit, Konzentrationsfähigkeit, Problemlösungsfähigkeit, Innovationsfähigkeit, Lernfähigkeit, Interaktions- und Kommunikationsfähigkeit, Selbstbewusstsein und Selbstständigkeit.
Bei den fachlichen Themen sind folgende Inhalte erwähnenswert: Arten und spezifische Eigenschaften von Holz und Holzwerkstoffen (u. a.: Tropenholz, Plantagenholz), Treibhauseffekt, Umweltrelevanz, Verarbeitung von europäischen und außereuropäischen Hölzern, Wuchsmerkmale, Verbindungs-, Verarbeitungstechniken, Oberflächenbehandlung (auch über den Bau von Messern hinaus), Werkstoffkunde wie beispielsweise Metalle (Schärfen und Schleifen Nass/ Trocken und Schneidengeometrie), Bein (z. B. auch Elfenbein und Problematik), Horn, aber auch Corian, Varicor, Wilsonart, Leder und Lederbearbeitung, Leime und Kleber (Adhäsion, Kohäsion), Gestaltung, ästhetische Gesichtspunkte, zeichnerische Entwürfe, Schablonenbau, Ergonomie (Links- und Rechtshänder), Gefahrstoffe, Unfallverhütung, Umgang mit handgeführten und stationären Maschinen.
Vom Entwurf zum Messer
Zunächst erfolgte der Entwurf für einen Griff. Dazu wurde die für rund 10 Euro gekaufte Klinge auf ein DIN-A4 Blatt gelegt und die Umrisse nachgezogen. Während man sich Varianten für die Form des Griffes und die Kombination von Materialien ausdachte und vorstellte, konnte das Holz ausgesucht und mit anderen Materialien kombiniert werden. In der Diskussion mit anderen Kursteilnehmern entstanden meist gemeinsam gute Ideen. Durch den Zuschnitt einer Schablone aus Pappe oder mit dreidimensionalen Modellen – durch Formung von Töpferton – ließ sich leicht feststellen, ob der Griff später gut in der Hand liegt.
Nachdem Form und Materialkombination festgelegt waren, kürzte man den Teil der Klinge, mit dem sie im Griffholz sitzt, auf etwa 4 bis 5 cm. Dann wurden die Hölzer und anderen Materialien entsprechend ihrer vorgesehenen Position, Größe und auch der gewünschten Maserung zugeschnitten und so auf das Messer gelegt, dass eine erste Vorstellung von dem fertigen Griff bzw. Messer entstehen konnte.
Qualitätsarbeit
Für die Verbindung von Holz und Klinge musste ein sehr passgenaues Loch am Griffansatz gebohrt werden. Mit einem langen Bohrer – nicht dicker als der Messerstahl selbst – wurden mittig einige Löcher nebeneinander gebohrt. Um einen rechteckigen Querschnitt zu erhalten, wurden die verbleibenden Teile zwischen den Bohrungen ausgehöhlt. Dazu wurde der Schaft eines Stichsägeblattes so zurückgeschliffen, dass es in das Bohrloch passte und damit das rechteckige Loch herausgearbeitet werden konnte.
Dort wo im Übergangsbereich von der Klinge zum Griff noch an den Materialien wie Knochen-, Elfenbein- oder Metallplatten geplant wurden, mussten die rechteckigen Löcher mit einer Goldschmiede-, Laub- oder Dekupiersäge exakt angepasst werden.
Als Verbindung zwischen Holz und Klinge wird Zweikomponenten-Kleber eingesetzt. Dazu muss der Klebevorgang sehr gut vorbereitet werden: Ein Holz für die Messerspitze soll bereitliegen, ebenso die benötigten Schraubzwingen. Erst dann wird der Zweikomponentenkleber angesetzt und die zu verbindenden Teile damit bestrichen und zusammengesetzt. Das Loch für den Messerstahl sollte gut gefüllt werden. Das Messer wird mit einer Schraubzwinge gespannt, wobei die Messerspitze in Holz gesteckt und damit geschützt wird. Je nach Bedarf werden in Querrichtung kleine Schraubzwingen zur Fixierung angesetzt. Der austretende Kleber sollte gleich entfernt werden oder man klebt die Klinge mit Tessakrepp zuvor ab.
Nach der Aushärtung beginnt die Schleifarbeit z. B. an einer stationären Bandschleifmaschine, die der Form entsprechend ausgeführt und immer feiner werden muss. Von groben Holzraspeln über grobe und feine Feilen bis hin zu feinen Schlüsselfeilen wird die Form mit viel Gefühl beigearbeitet. Verfeinert und glatt geschliffen wird schließlich mit Schleifpapier (bis ca. Körnung 400). Mit einem Holzöl erfolgt die Oberflächenbehandlung, welche die Maserung erstmals voll zur Geltung bringt. Ist das Öl gut eingezogen, wird der Griff mit einem harten Holzwachs an der Polierscheibe hochglänzend poliert.
Zum Schluss werden für das fertige Messer dann noch Scheiden aus Leder oder Holz angefertigt, um die Klingen zu umschließen und zu schützen und um den Charakter des künstlerischen Objekts in seiner Ganzheit zu vollenden.
Das Leder wird in trockenem Zustand um die Klinge und evtl. Teile des Griffes herum angepasst, gelocht und zusammengenäht. In einem Sodabad wird es dann geschmeidig gemacht, um es exakt der Klinge anzupassen. Klingenhüllen aus Holz erfordern ähnliche Arbeiten wie bei der Herstellung des Griffes.
Die Nachbetrachtung und Reflexionsphasen der bisher durchgeführten Kurse erwies sich – von Teilnehmern als auch von Lehrenden – als sehr positiv. Der Charakter des Objektes als künstlerischer Gegenstand wurde ausdrücklich gewürdigt, man war sichtlich stolz auf die selbstentworfenen und selbstgefertigten Unikate. o
Literaturempfehlung: Bergman, Bo: Schweden-Messer, Griffe und Scheiden – selbst gemacht, Verlag Th. Schäfer, ISBN: 3-88746-402-8
Materialien
Zum Einsatz kamen ausgewählte und schöne Hölzer wie Birke, Ulme, Ahorn, Nussbaum, Birne, Eiche, Kirsche, Esche, Robinie, Kastanie, Rosenholz, Palisander, Ebenholz, Bubinga, Kokobola, Kokospalme, Teak, Zebrano usw. (möglichst aus so genannten Maserknollen). Als Zierelemente können Silber, Bernstein, Horn, Elfenbein, Bernstein, Messing, Knochenteile, Leder und Mineralwerkstoffe verwendet werden, die mit den Klingen zu einem harmonischen, künstlerischen Objekt zusammengefügt wurden.
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Schallmessung in der Praxis: Michael Fuchs (r.) und Simon Holzer bei raumakustischen Messungen in einem Objekt (Friseursalon Max in Wallersdorf). Foto: Barbara Kohl, Kleine Fotowerkstatt
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