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„Mit Zinken ist kein Geld zu verdienen“

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“Mit Zinken ist kein Geld zu verdienen”

"Mit Zinken ist kein Geld zu verdienen"
Nicolaus Lehr, Betriebsinhaber der Innenholz GmbH und Ausbilder von Wibke Koch
Die Ausbildung im Schreinerhandwerk müsse noch gezielter an die von moderner Technik geprägte Berufspraxis angepasst werden. Unverblümt sprach Nicolaus Lehr, der Chef und Ausbilder von Wibke Koch, mit BM über seine Gedanken und Ideen.

Rau, aber herzlich – so charakterisiert er das Arbeitsklima in seiner Werkstatt. Und “rau, aber herzlich” – das gilt auch für Nicolaus Lehr selber. Gradlinig und salopp reißt er viele Dinge an, die ihm problematisch erscheinen. “Vieles sind nur Ideen von mir. Aber man muss auch den Mut haben, mal etwas zu sagen”, sagt er und spricht freimütig über das, was er am aktuellen Ausbildungskonzept be-mängelt:
“Die jungen Leute heute wollen doch etwas machen, die interessieren sich. Die sitzen nicht nur auf´m Mofa, bestellen Pizza und tippen auf ihrem Handy herum. Aber das ganze Ausbildungskonzept weckt offenbar nicht wirklich die Neugier und Begeisterung der Lehrlinge. Die konstruktive Zusammenarbeit von Betrieben, der Schule und den Verbänden wäre gefragt.
Die Ausbildung muss den heutigen Gegebenheiten in der Praxis angepasst werden. Man muss umdenken und in die Berufsbildung mehr Energie und Geld hineinstecken. Die Schule ist, meiner Meinung nach, beispielsweise falsch strukturiert: Eigentlich müsste im Verlauf der beruflichen Ausbildung zwischen Innenausbauern, Treppenbauern und Fensterbauern unterschieden werden.”
Ausbildungsinhalte anders gewichten
Lehr setzt sich nicht nur für eine stärker differenzierte Ausbildung ein, er hält es auch für wichtig, die Schwerpunkte anders zu setzen:
“Natürlich muss ich die Lehrlinge an den Werkstoff Holz und die alten Verbindungstechniken heranführen, sie müssen auch lernen mit dem alten Handwerkszeug umzugehen. Aber nicht so lange. Mein Vorschlag wäre, dass die Auszubildenden in einer denkbar kurzen Zeit, ein halbes Jahr vielleicht, das “Hand”-Werk lernen, Handwerk im wahrsten Sinne des Wortes. Sie dürfen auch richtig hart zur Sache genommen werden, damit ein solider Untergrund geschaffen wird. Deshalb habe ich Wibke auch empfohlen ins BGJ zu gehen. Wichtig ist, dass man nicht auf Sand baut und ein gutes Fundament hat. Aber dann müssen die Lehrlinge an die Dinge herangeführt werden, mit denen sie später ihr Geld verdienen sollen: an die modernen Werkstoffe und die Bearbeitung mit zeitgerechten Maschinen, an Datenverarbeitung und die Wünsche des Kunden.
Wir haben zum Beispiel eine moderne PC-gesteuerte Kantenanleimmaschine im Betrieb und natürlich weiß ich im großen und ganzen wie diese arbeitet. Aber wie die Maschine im Detail funktioniert, das weiß selbst Wibke heute schon viel besser als ich. Aber so muss das auch sein: Sie wird unterwiesen, kennt die Zusammenhänge, die Steuerung und die Bedienungsvorgänge. Da ist auch nichts dabei. Aber eigentlich muss ja erst der Maschinenlehrgang abgewartet werden … am Ende vom zweiten Lehrjahr hat Wibke ihren Maschinenkurs … das ist doch viel zu spät. Die Lehrlinge arbeiten schon früher an den Maschinen, das kann mir doch keiner erzählen, dass das anders ist. Und sie übernehmen die Fehler, die sich im Werkstattalltag eingeschlichen haben, und bringen diese mit in den Maschinenkurs.”
Auf den Berufsalltag vorbereiten
Auch die veränderten Wettbewerbsbedingungen und das Thema “Kundenorientierung” wäre durchaus ein Thema in der Grundausbildung, gibt der Unternehmer auf nonchalante Art zu bedenken:
“Die Zeiten heute haben sich geändert. Früher riefen die Schreiner beim Stammtisch: “Eh, Karl, komm mal rüber, Du musst für die Emma zehn Fenster machen.” Heute geht das nicht mehr so. Da heißt´s: “Du Karl, ich konnt´ Dir leider den Auftrag nicht geben, sei mir nicht bös – Du warst zu teuer.” Die Lehrlinge müssen sich daran gewöhnen, das, wenn ein gewisser Preis erzielt werden soll, dem Kunden mehr geboten werden muss – Dienstleistung ist gefragt. Und ich muss auch Wibke mit der Kundenorientierung vertraut machen. Gerade eine junge Frau hat da durchaus ihre Chance. Sie kann, so meine ich, nicht mit 35 oder 40 in der Werkstatt stehen und Platten herumheben. Dann hat sie andere Aufgaben. Gerade im Schreinerberuf gibt es ja sehr viele Möglichkeiten, vor allen Dingen mit der EDV. Man muss nicht an der Hobelbank stehen. Aber sie muss es von der Pike auf gelernt haben.
Wenn ich die Vielfalt und die Möglichkeiten der neuen CNC-Bearbeitungszentren sehe, bin ich begeistert. Und das ist ja erst der Anfang. Ich will, dass Wibke mit dem Gesellenstück beweist, was sie in den drei Jahren gelernt hat – handwerklich und an der EDV. Denn am nächsten Tag soll sie Geld verdienen. Und was will sie denn mit Zinken und dem ganzen Tralala verdienen? Die Zeit zwingt uns vieles auf und wir müssen uns ändern. Stellen Sie sich vor, es würde alles immer so bleiben. Das wäre das Ende.”
Zusammenhänge schaffen
Um die Ausbildung effektiver und praxisgerechter zu gestalten, plädiert er für eine intensivere Zusammenarbeit zwischen den einzelnen Fächern – im Sinne von Projektarbeit. Auch könnten verschiedene Lerninhalte in freiwilligen Kursen vermittelt werden. Denn auch in seinem Betrieb ist – wie in vielen anderen auch – Zeit eine Mangelware:
“In der Berufsausbildung müsste mehr passieren. Den Auszubildenden fehlen oft die Zusammenhänge – da Oberflächenkurs, dort Maschinenkurs. Warum legt man das nicht zusammen? Wenn etwas gezeichnet wird, könnte anschließend eine Stückliste erstellt werden, dann setzen die Schüler sich an den Computer, geben die Daten ein und in der Werkstatt wird am Ende das Stück gebaut.
Außerdem könnte vieles auch auf freiwilliger Basis angeboten werden – Fachpraktisches und Gestalterisches. Ich selbst habe alles von der Pike auf gelernt und jeden Kurs und jeden Lehrgang mitgenommen. Das vermisse ich heute etwas. Ich persönlich baue auf Freiwilligkeit. Meine Mitarbeiter sollen mir nicht am Rockzipfel hängen. Mit Zwang hat es keinen Wert. Aber es muss auch ein bisschen Druck da sein. Ich als Chef und Ausbilder muss Ziele setzen – rau, aber herzlich, das ist das Motto in unserer Werkstatt. Oft muss ich mir sagen: Wibke lernt ja noch. Leider hat man viel zu wenig Zeit, um im Betrieb ganz gründlich auszubilden, das ist ein Problem.
Aber da könnten unsere Innungen und Verbände auch mal was tun. Dafür zahle ich ja auch Geld. Da machen sie Kaffeefahrten und alles mögliche, warum stecken sie das nicht in die jungen Leute? Ihnen müsste signalisiert werden: Wir stehen hinter Euch und unterstützen Euch. Zum Beispiel wäre ein eigener Raum für Fortbildungen und Kursangebote bestimmt kein Fehler.”
Viele Voraussetzungen müssen da sein
Lehrs Ansprüche sind hoch. Motivation und bestimmte Schlüsselqualifikationen muss ein Auszubildender heutzutage schon mitbringen, sagt der Betriebsinhaber, dem im Frühling bis zu drei Bewerbungen pro Woche auf den Schreibtisch flattern:
“Wir brauchen junge Leute, die mehr wollen, als einfach einen Beruf zu lernen. Sie sollen sich nicht aufopfern, das ist Unfug. Jedoch werden heute viele junge Leute ins Handwerk gedrängt, weil sie für eine andere Ausbildung nicht qualifiziert genug sind. Und wenn schon ein Handwerk, dann soll es etwas Schönes sein, etwas bei dem sogar die Oma sagt, das ist ja toll! Schreiner eben.
Zwar gibt es keine Dummen, der eine kapiert schneller, der andere langsamer. Jeder Typ muss geweckt werden. Aber es darf nicht zu lange dauern … und ich kann auch nicht anderer Leute Kinder erziehen. Viele Voraussetzungen müssen einfach da sein.
Was mich an Wibke überzeugt hat? Ihr Auftreten, ihr Interesse, sie war munter bei der Sache, hat nachgefragt, hat schon mal ganztags gejobbt.
Bei einem Auszubildenden gibt es viele Dinge, die zusammen gehören: Die Umgangsformen müssen stimmen, er darf nicht leblos und lieblos sein, Ausstrahlung. Das Zeugnis ist nicht allein entscheidend. Aber eine schnelle Auffassungsgabe: Die Maschine nimmt einem das Denken nicht ab – im Gegenteil.”
Regina Adamczak
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