An den Arbeitsplätzen im Bankraum wird konzentriert gearbeitet. Werkstücke werden angerissen, gesägt und gestemmt und anschließend unter den kritischen Blicken des Meisters die genaue Passung der hergestellten Verbindungen geprüft. Im Maschinenraum diskutiert eine kleine Gruppe von Jugendlichen die Programmierung des CNC-Bearbeitungszentrums, andere beschicken die liegende Plattensäge oder bedienen routiniert die Kantenanleimmaschine. Fast wähnt man sich in der Werkstatt eines modern eingerichteten Handwerks- oder Industriebetriebes, wären da nicht der auffallend junge Altersdurchschnitt und die gestenreiche Kommunikation der Mitarbeiter. Tatsächlich befindet man sich jedoch in der Holzwerkstatt im Berufsbildungswerk (BBW) des Bezirks Mittelfranken in Nürnberg-Eibach. Seit den 1970er-Jahren werden hier junge Menschen mit Beeinträchtigung in den Bereichen Hören, Sprache und Lernen in einer dreijährigen Lehrzeit zu Schreinern und Schreinerinnen bzw. Fachpraktikern und Fachpraktikerinnen für Holzverarbeitung ausgebildet. Seit 1954, dem Beginn der Ausbildung gehörloser Schreiner in Nürnberg, wurden hier schon über 500 Lehrlinge ausgebildet.
Intensive Betreuung
Im Wesentlichen unterscheidet sich die Schreinerausbildung im BBW nicht von der in selbstständigen Handwerksbetrieben. Der besondere Vorteil liegt allerdings darin, dass die Werkstattausbildung und der Berufsschulunterricht im selben Haus stattfinden, sodass durch speziell ausgebildete Lehrkräfte auf den individuellen Förderbedarf der Auszubildenden eingegangen werden kann. Darüber hinaus wird die berufliche Ausbildung durch verschiedene Fachdienste (Ergotherapeutischer Dienst, Lernförderung, Logopädischer Dienst, Medizinisch-Audiologischer Dienst, Psychologischer Dienst, Sozial- und Integrationsdienst, Intensivwerkstatt, Neurofeedback, …) unterstützt. Neben einer gut ausgestatteten Kantine steht für externe Schüler ein Internat mit einer Kapazität von 145 Plätzen zur Verfügung.
Klassischer Ausbildungsverlauf
Nachdem sich die Auszubildenden bei Bedarf in einer einjährigen berufsvorbereitenden Bildungsmaßnahme (BvB) für den Schreiner-/Tischlerberuf entschieden haben, schließt sich eine dreijährige Ausbildung an, die sich am Rahmenplan der Schreiner-/Tischlerausbildung orientiert. Die Azubis mit Förderbedarf im Bereich Hören und Sprache (HS) besuchen im Wechsel für jeweils ca. 14 Tage die hauseigene Berufsschule am Standort Nürnberg, diejenigen mit Förderbedarf im Bereich Lernen (L) zweimal pro Woche den Unterricht an der Robert-Limpert-Berufsschule in Ansbach, an der sich auch eine Außenstelle der Schreinerei befindet.
Sowohl die Zwischen- als auch die Gesellenprüfung legen die Azubis des BBW zusammen mit den Auszubildenden der Schreinerinnung Mittelfranken-Mitte ab – die Fachpraktiker werden dabei nach einer eigenen Prüfungsordnung geprüft. Die Schreinerei im BBW ist Mitglied der örtlichen Schreinerinnung, darüber hinaus sind alle Ausbilder und Lehrer Mitglieder beider Prüfungsausschüsse.
Zeitgemäße Ausbildungsinhalte
Derzeit werden in der Holzwerkstatt des BBW in den drei Lehrjahren 20 junge Menschen zu Schreinern bzw. Fachpraktikern für Holzverarbeitung ausgebildet. Sie werden von vier erfahrenen Schreinermeistern betreut, die die Gebärdensprache beherrschen müssen und über eine pädagogische Zusatzausbildung verfügen. Diese muss jährlich durch Fortbildungen verpflichtend aktualisiert werden, um die Ausbildungsbefähigung gegenüber den Kostenträgern und der Kammer zu gewährleisten.
Die modern ausgestatteten Werkstatträume ermöglichen eine Ausbildung auf hohem Niveau. So hat jeder Azubi eine abschließbare eigene Werkzeugbox mit drei Schubladen, die je nach Lehrjahr unterschiedlich farbig gestaltet ist – die Hobelbänke werden von allen Lehrjahren gemeinsam genutzt.
Eine besondere Bedeutung kommt z. B. der Kennzeichnung von Handmaschinen zu: Deren Aufbewahrungsboxen sind mit einem Aufkleber mit einem Foto der Maschine, der Bezeichnung (auch in leichter Sprache) und einem QR-Code bestückt, der zu einem Link führt, welcher den Inhalt beschreibt.
Neben der praktischen Ausbildung finden im BBW auch die Teile der Maschinenkurse
(TSM 1, 2 + 3) sowie der Oberflächenlehrgang TSO inhouse statt. Ebenso ist die CAD/CAM-Ausbildung fest im Lehrplan integriert – die Erstellung der Gesellenstückzeichnung in
CAD ist schließlich Pflicht! Für die Gesellenprüflinge ist die Ausbildung zur CNC-Fachkraft verpflichtend, für die Fachpraktiker auf freiwilliger Basis möglich.
Fachkräfte von heute und morgen
Besonderen Wert legen die Verantwortlichen im BBW auf die Tatsache, nicht als Werkstatt für Behinderte (WfB) wahrgenommen zu werden. Vielmehr sieht man sich als moderner Ausbildungsbetrieb mit zeitgemäßer Maschinenausstattung, der sowohl interne Projekte, wie die Neumöblierung des Internats, aber auch kleine Aufträge von außen ausführt – mit dem Ziel, „jungen Menschen mit Beeinträchtigung neben der sozialen Integration die berufliche Eingliederung in die Gesellschaft zu ermöglichen“, so Alexander Schmidt, Leiter des BBW. Die guten Vermittlungszahlen der Schreiner-Azubis und Fachpraktiker in die freie Wirtschaft sprechen hier sicher für sich.
Berufsbildungswerk Bezirk Mittelfranken
Seit 1970 bietet das BBW Bezirk Mittelfranken jungen Menschen mit Förderbedarf in den Bereichen Hören, Sprache und Lernen die Möglichkeit zur Berufsvorbereitung und beruflichen Ausbildung mit integrierter Berufsschule.
An zwei Standorten (Nürnberg und Ansbach) werden dabei 35 unterschiedliche Berufe in den Berufsfeldern Wirtschaft und Verwaltung, Metalltechnik, Elektrotechnik, Holztechnik, Textiltechnik und Bekleidung, Farbtechnik und Raumgestaltung, Ernährung und Hauswirtschaft sowie Agrartechnik angeboten.
Das BBW bietet derzeit etwa 250 Maßnahmeplätze, circa 145 Wohnplätze im hauseigenen Internat und beschäftigt etwa 190 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter (inkl. Berufsschule HS).