Ein fester Bestandteil der Münchner Meisterschule ist die Studienfahrt. Sie findet im zweiten Semester statt und führte die Meisterschüler im vergangenen Jahr nach Prag. Das Studium der Baustile, wichtig auch für die Meisterprüfung, stand hierbei im Vordergrund. Stilkunde in Prag – warum denn ausgerechnet dort?
Der erste Eindruck war begeisternd als die Meisterschüler aus München bei Dunkelheit Prag erreichte: Die beleuchtete Burg, die Oper, die Altstadt und, und, und …
Am nächsten Morgen vermittelte eine Prager Stadtführerin die ersten Einblicke in die Geschichte Prags und zeigte der Gruppe die wichtigsten Bauwerke. Da Prag sich über die Jahrhunderte hinweg kontinuierlich entwickelte und im zweiten Weltkrieg fast keine Schäden durch Bombenabwürfe erlitt, sind heute noch viele Stilformen der letzten 1200 Jahre zu finden.
Angefangen bei einigen wenigen Rundbogenformen aus der Romanik, die gründungsgeschichtlich vor der Hauptblütezeit unter Karl IV liegt, gibt die Stadt neben ihren vorbildlich erhaltenen gotischen Sakralbauten (St. Veits-Dom, Kirche Maria im Schnee, Jüdische Synagoge) auch noch Zeugnisse ihrer profanen Baukunst dieser Epoche ab (Wohngebäude am Rathausplatz). Von handwerklichem Interesse ist hierbei besonders die filigrane Ornamentik. Klassizistische Bauwerke (wie z. B. das Ständetheater) stehen eng, aber harmonisch neben barocken oder selbst modernen Gebäuden. Das Stadtbild Prags ist somit gekennzeichnet durch ein harmonisches aber auch spannendes Nebeneinander von unterschiedlichsten Formen – keine Stelle gleicht der nächsten.
Auch den Jugendstil konnte die Gruppe ausführlich in den Cafés der Hotels Europa und Imperial studieren. Dort fanden bis heute noch keine Renovierungsarbeiten statt, so dass man noch die Originaleinrichtung erleben kann.
Eine wesentliche Besonderheit in der Stilgeschichte Prags ist der Kubismus (1915 – 1925). In dieser Zeit versuchten die Architekten zusammen mit anderen Künstlern, für diesen aus der Malerei kommenden Stil (Picasso, Braque) architektonische Ausdrucksformen zu finden.
Herausragend im Prager Stadtbild sind ferner die vielen Gebäude und Passagen der klassischen Moderne (1920-1938). Das Schuh-haus Bata am Wenzelsplatz fiel durch seine Glasfassade (horizontale Reihung aus großflächigen Glasscheiben) vor allem deshalb auf, weil niemand vermutet, dass dieses Gebäude bereits vor 70 Jahren gebaut worden ist.
Die Vielfalt der Prager Stilrichtungen reicht bis in unsere Zeit: Frank Gehry hat mit seinem umstrittenen dekonstruktivistischen Bürogebäude an der Moldau (“Ginger & Fred”) ein neues Zeichen für die Offenheit der Stadt gesetzt. o
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