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Wärmefalle

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Wärmefalle

Für Schreinermeister Hannes Schmidt ist Corporate Identity nicht nur ein Lippenbekenntnis. So entstand mit Architekt Prof. Günter Pfeifer ein Werkstattgebäude, das weit über die gewohnten Zweckbauten hinaus geht und Aufmerksamkeit erregt: Eine architektonisch reizvolle Halle, die sich von außen nicht als Schreinerei zu erkennen gibt, aber konsequente Gestaltung mit Ökonomie und Ökologie vereint. Highlight der Schreinerwerkstatt ist die Energiefassade, die zusammen mit der Lüftung den jährlichen Heizenergiebedarf mehr als halbiert. So brikettiert der Schreinermeister seine anfallenden Späne, gibt sie an Kollegen weiter und heizt im Winter mit ein „bißchen“ Gas zu.

Die Planungsarbeiten für die neue Schreinerei waren vom gemeinsamen Willen geprägt, einen besonderen Ausdruck für die eigene Arbeitshaltung zu finden. Frühzeitig war klar, daß auch neue ökologische Strategien zur passiven Energienutzung in die Entwurfsüberlegungen mit einfließen mußten. Dies jedoch nicht nur, um eine bessere Energieeffizienz für den eigenen Betrieb zu erwirtschaften, sondern auch als Beitrag zukünftiger Entwicklungen auf diesem Sektor. Dies ist übrigens auch Hannes Schmidt’s Haltung beim Umgang mit Holz und Holzwerkstoffen sowie bei der Verarbeitung von Lacken. Die Schreinerei Schmidt entwirft und fertigt mit drei Mitarbeitern in Ehrenkirchen – unweit von Freiburg im Breisgau – hochwertige Möbel und Innenausbauten.

Architektur und Gebäudekonzept
Der Grundriß basiert auf einem einfachen Rechteck, das in drei Zonen aufgeteilt ist. Eine zweigeschossige Bürozone auf der Nordseite, die Werkstattzone auf der Südseite und eine Zwischenzone – ein multifunktionaler Bereich, der auch für Vernissagen, Ausstellungen usw. genutzt werden kann. Im Erdgeschoß befindet sich neben dem Eingang ein Büro und Besprechungsraum. Im Obergeschoß sind weitere Ausstellungsräume und ein kleines Appartement.
Auf der Westseite der Werkstatt befindet sich der Bankraum; der Maschinenraum ist in der Mitte – unter einem großen durchgehenden Oberlicht – angeordnet und auf der Ostseite sind der Lackierraum, das Spänesilo, die Heizung und das Lager. Eine kleine Treppe führt in den offenen Pausenraum der gewerblichen Mitarbeiter.
Das gesamte Gebäude ist als eine Stahlbeton-Fertigteilkonstruktion – als Doppelwandsystem mit einer Wandstärke von 20 cm – konzipiert. Durch die ebene Fertigung der Fertigteilelemente auf Stahltischen ist die Wandoberfläche glatt, feinporig und zudem äußerst preiswert. Da beim Transport und bei der Montage sorgfältig umgegangen wurde, erhielt man ohne Mehraufwendungen einen Sichtbeton, so daß alle Wände „natur“belassen und nur im Bürobereich mit einer hellen graublauen Lasur gestrichen wurden.
Die Außenwände wurden in zwei Teilen ausgeführt. Der untere Teil erhielt außenseitig eine Isolierung aus 14 cm dicken Mineralfasermatten, davor eine Holzunterkonstruktion, auf die eine stumpf gestoßene, vertikale Holzschalung aus Red Cedar aufgebracht wurde. Jedes Brett wurde mit broncierten Innensechskantschrauben aufgeschraubt. Zum Schutz dieser Holzschalung wurde ein umlaufendes Vordach aus Stahlbeton angebracht, so daß die Schalung nicht direkt dem Wetter ausgesetzt ist.
Die interessanten Details dieser Gebäudekonzeption beginnen im oberen Teil der Fassade, die als Luftkollektor ausgebildet wurde. Vor der ungedämmten Betonwand ist im Abstand von 11 cm eine Festverglasung auf einer Holzkonstruktion aufgebracht. Zum Einsatz kam eine Isolierverglasung mit einem k-Wert von 1,3 W/m2K und ein g-Wert von 0,6, wobei die Scheiben von außen eingesetzt sind und mit einem einfachen, verzinkten U-Profil gehalten und abgedeckt werden. Dieses Fassadensystem umgreift das Gebäude allseitig, wird aber zur Energiegewinnung nur im Bereich der Werkstatt genutzt; das Luftpolster zwischen Betonwand und Verglasung im Büro-bereich ersetzt im Winter die Dämmung. Im Sommer wird die Luft allseitig um das Gebäude geführt.
Zur zusätzlichen Belichtung der Werkstatt wurden auf der West- und Ostseite festverglaste Fenster eingebaut.
Zur direkten Belüftung des Personalraumes und des Appartements sowie als zweiter Fluchtweg durchbrechen zwei Fenster-elemente den Luftkollektor im Obergeschoß der Nordfassade. Die Rahmenprofile dieser Fenster sind bündig mit dem Glas des Luftkollektors ausgebildet.
Energetisches Konzept – wie funktioniertder Luftkollektor?
Die Zuluft für das Gebäude wird zuerst über eine Wärmerückgewinnung kontrolliert und geregelt, dann über die Energiefassaden und zuletzt über ein Nachheizregister in das Gebäudeinnere geführt. In dem Nachheizgerät wird die erwärmte Luft gegebenenfalls konditioniert und über Rohre in die Werkstatt eingeblasen. Die verbrauchte, etwas kühlere Raumluft wird wieder abgesaugt, gibt im Wärmetauscher die Restwärme an die neue Zuluft ab und der neue Kreislauf beginnt. Die gesamte Späneabsaugung ist mit in dieses System integriert, da die an den Maschinen abgesaugte Luft gereinigt und gefiltert wieder in die Werkstatträume abgegeben wird.
In den Sommermonaten, wenn keine Wärme benötigt wird, führt man die erwärmte Luft direkt ins Freie ab. Im Winter, wenn die Erwärmung der Luft im Kollektor nicht ausreichend ist, wird die Zuluft durch die Nachheizung (Gastherme) auf die gewünschte Solltemperatur erwärmt. Die Luft im Kollektor wirkt als Puffer und ersetzt mit dem sehr guten Isolierglas die Wärmedämmung im oberen Wandbereich. Hinzu kommt, daß die Betonwände dabei auch als Speichermassen funktionieren, d. h. die am Tage aufgenommene Wärme wieder zeitversetzt in der Nacht abgeben. So konnte mit diesem System die Energiekennzahl für Industriegebäude auf die Hälfte der erforderlichen Kennzahl reduziert werden.
Die wärmetechnischen Berechnungen führte Delzer-Kybernetik, Lörrach durch – die ein eigenes Programm „DK-Solar“, das eine dynamische Berechnung ermöglicht – entwickelt hat. Dabei werden alle Parameter zeitabhängig berechnet – die Sonne wandert quasi rechnerisch um das Gebäude.
Nach diesen Berechnungen und Simulationen wurde der Entwurf für die Schreinerwerkstatt, bezogen auf den Heizenergieverbrauch und Behaglichkeit, untersucht und optimiert. Des weiteren wurde das Verhalten einer Wärmerückgewinnung, einer Flächenheizung (Heizdecke), die Beleuchtungsverhältnisse, die Ausrichtung gegen Süden und die Verglasung der Energiefassaden alternativ auch mit Profilbauglas betrachtet.
Wie die Ergebnisse zeigen, kann durch eine kontrollierte Lüftung über eine Wärmerückgewinnung und über die Energiefassade der Heizenergiebedarf mehr als halbiert werden. Mit Lüftung über die Energiefassade auf der Südseite liegt der Heizenergieverbrauch um ca. 25 % geringer als wenn die Energiefassade durch eine gedämmte Wand ersetzt wird.
Bei einer Abweichung um 45° aus der Südrichtung erhöht sich der Energieverbrauch um ca. 10 %. Dabei erhöht sich aber auch die Behaglichkeit im Gebäude, da die Anzahl der Stunden, in denen die Gebäudetemperatur größer ist als 25°C, von 507 auf 369 im Jahr zurückgeht. Die nötige Vorlauftemperatur für die Heizdecke fällt bei Verdoppelung der Heizfläche von ca. 70°C auf ca. 48°C an einem kalten Tag im Januar.
Interessant ist auch die Erkenntnis, daß sich der Heiz-energiebedarf bei Verschlechterung des k-Wertes der Energiefassade bei gleichzeitiger Verbesserung der Einstrahlungsdurchlässigkeit kaum ändert. Bei einem besseren k-Wert sind die Außenwandverluste geringer; die Lüftungsverluste steigen aber an, da weniger kurzwellige Einstrahlung in die Energiefassade gelangt, die somit die Zuluft weniger gut vorwärmen kann.
Die dynamisch simulierten Schlußvarianten – Aufbau ge-mäß Berechnung nach der Wärmeschutzverordnung mit kontrollierter und geregelter Lüftung über Wärmerückgewinnung und der Energiefassade – zeigen, daß die Wärmerückgewinnung den Heizenergiebedarf um ca. 40 % senkt. Die Lüftung über die Energiefassade führt zu einer weiteren Verbesserung um ca. 10 %. Ohne Wärmerückgewinnung liegt die Verbesserung durch die Energiefassaden bei ca. 18 %.
Situationen im Winter und Sommer
Die Regelung des Systems erfolgt in Abhängigkeit von der Jahreszeit und vom Wetter. Dabei können das Nachheizregister, die Energiefassaden oder die Wärmerückgewinnung in der Zuluftreihenfolge auch ausgelassen werden. Es treten folgende Situationen für das Gebäude auf:
• Winter/Heizen
An Sonnentagen wird die Energiefassade voll genutzt. Die Zuluft wird über den Wärmetauscher (Wärmerückgewinnung) angesaugt und zur weiteren Vorwärmung in die Energiefassade geleitet. Danach kann die Zuluft in einem Nachheizregister zusätzlich erwärmt werden, bevor sie ins Gebäudeinnere gelangt.
Bei Wolken, Regen oder Schnee funktioniert die Energiefassade als transparente Wärmedämmung. Das minimale Sonnenlicht erwärmt die Fassade, so daß die Wärmeverluste geringer werden. Für eine Luftvorwärmung reicht das Temperaturniveau nicht aus, so daß die Zuluft in das Nachheizregister strömt und dort erwärmt wird.
• Sommer/Kühlen
An Sonnentagen werden die Energiefassaden über direkte Zuluft unten und Abluft oben möglichst kühl gehalten. Wenn die Außentemperatur größer ist als die Gebäudeinnentemperatur, kann die Zuluft über den Wärmetauscher mit Hilfe der Abluft gekühlt werden.
Bei Regen oder bei trüben Sommertagen wird – je nach Temperaturniveau des Gebäudes – auf Energiegewinn, d. h. möglichst mehrfache Vorwärmung der Zuluft oder auf Kühlung, d. h. möglichst Abkühlung der Zuluft umgestellt.
• Frühling/Herbst
Sonnentag: In Abhängigkeit von dem Temperaturniveau im Gebäude wird zwischen Energiegewinnstrategie und Kühlstrategie umgeschaltet.
Wolken/trüb/Regen: Die passiven Elemente Wärmerückgewinnung und Energiefassade reichen aus, um die Gebäudetemperatur im Behaglichkeitsbereich zu halten, so daß eine Nachheizung der Zuluft nicht nötig ist.
Das Erscheinungsbild der neuen Schreinerei – inmitten der üblichen und bekannten Erscheinungsformen von Gebäuden in solchen Gewerbegebieten – hat bereits besondere Aufmerksamkeit erregt. Es hat dem Schreinermeister und auch dem Architekten innerhalb kurzer Zeit ein neues Klientel beschert und darüber hinaus haben sie auch den begehrten Preis „Auszeichnung guter Bauten“ des Bundes Deutscher Architekten, Baden-Württemberg erhalten.
Entwurf, Planung, Objektüberwachung:
Prof. Günter Pfeifer,
Freier Architekt BDA/DWA, 79541 Lörrach
Mitarbeiter:
Dipl.-Ing Rainer Mayer und Stephanie Tippmann
Wärmetechnische Berechnungen, dynamischeSimulation:
Delzer-Kybernetik,
79541 Lörrach
Statik:
Prof. Gustl Lachenmann
Fotos:
Hannelore Pfeifer
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