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Die Zukunft heißt Vielfalt

Neue Wege der Hamburger Prüfungsausschüsse
Die Zukunft heißt Vielfalt

Ein innen weiß lackierter Quader mit rund geformten Außenecken, vorne und hinten abnehmbare Glasscheiben, oben eine handgroße, dezente Klappe, um an die innere Kostbarkeit zu gelangen: Einen iPod – ein ganzes Möbel für nur einen iPod? „Keinen Schubkasten mit klassischer Führung, keine gefalzte Rahmentür mit eingelassenen Bändern und eingestemmtem Schloss, auch keine Zinkenverbindungen – Wo ist denn das Gesellenstück?“, werden sich zünftige Tischlermeister vielleicht fragen. Die Hamburger Tischler gehen neue Wege.

Der Tischler zählt heute noch zu den wenigen Berufen, in denen man die Möglichkeit hat, ein Produkt vom Beginn bis zur Fertigstellung zu begleiten – zu sehen, wie sich das Werk von Tag zu Tag weiterentwickelt. Damit zum Schluss ein gut gestaltetes und brauchbares Möbel herauskommt, müssen wir uns bereits beim Entwurf und bei der Planung intensiv mit dem Stück auseinandersetzen. Des Weiteren gilt es eine angemessene Materialauswahl und eine wirtschaftlich vertretbare, nachhaltige Konstruktion und Fertigung zu finden. Diese Vorgehensweise ist vom Charakter her als typisch handwerklich zu bezeichnen und gerade in der heutigen Zeit, aktueller und bedeutsamer denn je.

Die Tischlerinnung Hamburg und die Lehrerschaft der Gewerbeschule G6, Hamburg, hat mit neuen Zulassungs-Anforderungen an das Gesellenstück auf sich aufmerksam gemacht (Download unter www.tischler.de/hh oder www.tischler.de/hh). Darin wird gefordert, dass – bei der Einreichung des Gesellenstück-Entwurfs – dem Gestalten mehr Beachtung geschenkt wird.
Vorgaben und Spielräume
Bei der Ausbildung bzw. beim Thema Gesellenstück kommen uns Lehrern die Ausführungen der Ausbildungsordnung von 2006 sehr entgegen. In der Prüfungsordnung wird u. a. ausdrücklich vom „Gestalten und Herstellen eines Erzeugnisses“ gesprochen, das einem „Kundenauftrag“ entsprechen soll. Weiterhin ist „dem Prüfungsausschuss … ein fertigungsreifer Entwurf zur Genehmigung vorzulegen. Bei der Erstellung der Arbeitsaufgabe II ist der betriebliche Bereich, in dem der Auszubildende überwiegend ausgebildet wurde, zu berücksichtigen.“ Anknüpfungspunkte sind somit:
  • das Gestalten und Herstellen,
  • der Bezug des Gesellenstücks zu einem Kundenauftrag,
  • der zu genehmigende, fertigungsreife Entwurf,
  • die Berücksichtigung des jeweiligen betrieblichen Schwerpunkts und
  • das Fachgespräch als Nachweis der Reflexion einer ziel- und kundenorientierten Arbeit.
Bei der Ausarbeitung unserer „Hamburger Regularien“ hat sich das Lehrerkollegium an diesen Vorgaben orientiert und die Spielräume entsprechend interpretiert. Wir können den Urhebern der neuen Ausbildungsordnung heute nur danken, denn sie haben wegweisende Formulierungen gefunden, die es den jeweiligen Tischler-Prüfungsausschüssen ermöglichen, die spezifischen Bedingungen vor Ort einfließen zu lassen und gleichzeitig das Grundsätzliche zu betonen. Die allgemeine Beschreibung „betriebliches Erzeugnis“ eröffnet damit eine Vielfalt an Möglichkeiten in der Ausgestaltung eines Gesellenstückes, nämlich sämtliche Produkte zuzulassen, die eine Tischlerei vor dem Hintergrund eines spezifischen Kundenauftrags und ihrer besonderen technischen Ausstattung fertigen kann -– natürlich in der vorgegebenen Fertigungszeit von max. 100 Stunden.
„Kistenverbot“
Bei den Gesprächen in der Arbeitsgruppe, welche die neuen Regelungen erarbeitete, formulierte ein Tischlermeister unsere Aufgabe folgendermaßen: „Eigentlich ist die neue Ausbildungsordnung eine kleine Tischler-Revolution; wir müssen nur lernen sie mit Leben zu füllen.“ Nachdem die Arbeitsgruppe die Ausgangssituation sondierte, kam man schnell dazu, die Ziele für unser „Hamburger Modell“ zu formulieren. Die Thesen lassen sich wie folgt zusammenfassen:
  • Revidierung der bisherigen Bestimmungen zum Gesellenstück.
  • Individuelle Kundenvorstellungen sind Ausgangspunkte für den Entwurf.
  • Das Know-how von Ausbildungsbetrieben und Berufsschule ist produktiv zu nutzen.
  • Von der Berufsschule wird eine deutliche Hilfestellung beim Thema „Gestaltung“ erwartet.
  • Den Prüflingen soll über eine sogenannte „Merkmalliste“ ein Fundus an Möglichkeiten angeboten werden, ihr Gesellenstück zu entwickeln, z. B. Einsatz von Halbzeugen, Lichttechnik, Formverleimungen und Formfräsungen sowie besondere Oberflächen.
  • Die objektbezogene „Merkmalliste“ soll auch darüber Aufschluss geben, ob die Gesamtschwierigkeit des Gesellenstücks für die Zulassung ausreicht und zugelassen wird.
  • Die Prüflinge haben ein schriftliches Konzept zu Entwurf und Konstruktion zu erstellen.
Es ginge hier zu weit, die gesamte Merkmalliste niederzuschreiben; aber eines sei angemerkt: Wir haben mit dem „Hamburger Modell“ zwar kein ausdrückliches „Kistenverbot“ ausgesprochen – oben eine Schublade, unten eine Tür – fertig! –, aber wir legen in unserer Präambel den Prüflingen nahe: „Betrachten Sie das Gesellenstück bitte als Chance etwas Eigenes zu gestalten und als persönliche Herausforderung, Entwurf und Planung in die Tat umzusetzen!“
Das Fachgespräch, das wir in Hamburg seit Sommer 2009 bei der Einreichung der Fertigungszeichnung platzieren, hat bislang gute Ergebnisse erbracht. So wurde beispielsweise der Entwurf an bestimmten Stellen gemeinsam korrigiert und einen „Austausch auf Augenhöhe“ erzielt.
Ausblicke
Letztlich geht es bei der Neufassung des Gesellenstücks um eine breit angelegte Förderung in Sachen „Gestaltung und Konstruktion“. Wir dürfen auf diesem für das Tischlerhandwerk so wichtigen Feld keine kurzfristigen Erfolge erwarten. Wenn wir diesbezüglich die alten Vorgaben zum Gesellenstück entrümpeln, haben wir damit noch keine neue Qualität von Ausbildung bewirkt. Mittel- und langfristig brauchen wir auf verschiedenen Ebenen erstmal einen gemeinsamen Willen, dann Diskussionen und Handlungsansätze.
Dies könnten beispielsweise sein:
  • Anerkennung des Themas „Gestaltung“ als elementares Bildungsgut“
  • Kreierung neuer Themenwettbewerbe mit niedriger „Eingangsschwelle“ (so wie z. B. der Norddeutsche Wettbewerb „ Holz bewegt“)
  • Überprüfung der bisherigen Berufsschullehrer-Ausbildung und
  • die Förderung eines kreativen Austausches zwischen Tischlereien und Berufsschulen.
Tischler, Ausbilder und Lehrer müssen mit gutem Beispiel vorangehen und die junge Tischlergeneration für diesen wunderbaren Beruf begeistern.
Zu guter Letzt möchte ich einen Satz eines ehemaligen Lehrers zitieren: „Es gibt keine Jugendprobleme, es gibt nur Erwachsenenprobleme.“ ■
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