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Der Meister: Auslaufmodell oder Zukunftsperspektive?

Folgen und Konsequenzen des Strukturwandels
Der Meister: Auslaufmodell oder Zukunftsperspektive?

Wo liegen die Ursachen für den Meisterschwund? Ist es die EU, die Abschaffung des Meisterzwangs, das Verhalten der Kunden oder liegen die Gründe gar beim Handwerk selbst? Fest steht: Nur wenn der Meisterbrief als fundierte Unternehmerausbildung und nicht nur als Zulassungsvoraussetzung verstanden wird, hat er eine Zukunftschance.

Über lange Zeit war der Handwerksmeister im deutschsprachigen Raum das Synonym für hochwertige handwerkliche Leistung. Auch nach dem 2. Weltkrieg bewährten sich die handwerklichen Strukturen und führten dazu, dass das Handwerk wie kein anderer Wirtschaftszweig in der gesamten Breite auf hervorragend ausgebildete Mitarbeiter bauen konnte und auch nach wie vor bauen kann. Seit Anfang der 1990er Jahre erlebt das Handwerk jedoch einen Strukturwandel, wie es ihn wohl kaum jemals zuvor gegeben hat.

Massiv betroffen davon ist auch das Schreiner- und Tischlerhandwerk. Einerseits entwickeln sich die Ansprüche und die Anforderungen der Kunden extrem schnell weiter, andererseits verändern sich die Strukturen auf der Angebotsseite ebenso rasch: Von den Angeboten der Zulieferindustrie und des Handels, bis hin zum massiven Wachstum der reinen Montagebetriebe. Flankiert wird diese Entwicklung noch durch einen technischen Fortschritt im Bereich der Maschinen und Werkstoffe, wie er früher undenkbar gewesen wäre. In diesem Umfeld nimmt die Zahl der Meisterprüfungen im gesamten Handwerk seit Jahren deutlich ab. Das Schreiner- und Tischlerhandwerk ist dabei keine Ausnahme. Auf der einen Seite ist eine Tendenz festzustellen, dass immer mehr Unternehmen mit gering qualifizierten Mitarbeitern am Markt agieren. Auf der anderen Seite wird das Handwerk auch im akademischen Bereich neu entdeckt. Die Einrichtung des Studiengangs „Innenausbau“ für die Holztechnik-Ingenieure der Fachhochschule Rosenheim ist dafür ein gutes Beispiel. Nachdem dieser Studiengang auch vom Fachverband Schreinerhandwerk Bayern (FSH Bayern) unterstützt wird, stellt sich die Frage, ob sich das Handwerk langsam vom Meistertitel verabschiedet und ihn als Auslaufmodell betrachtet. Um das Ergebnis gleich vorweg zu nehmen: Dies ist ganz und gar nicht der Fall. Nach Einschätzung des Verbandes ist und bleibt der Meister die Grundlage für das Handwerk und bietet hervorragende Chancen für die zukünftige Entwicklung und Positionierung der Branche. Deshalb muss der Meister als Eckpfeiler erhalten bleiben, jedoch mit einer wichtigen Einschränkung: Der Meisterbrief muss mehr denn je das Ergebnis einer fundierten Unternehmerausbildung sein und darf nicht nur dazu dienen, eine formale Zulassungsvoraussetzung zu erfüllen. Deshalb unterstützt der FSH Bayern ausdrücklich in Bayern nur die vier Vollzeitmeisterschulen, die nach einem gemeinsamen Lehrplan unterrichten sowie die beiden darauf aufbauenden Fachakademien für Holzgestaltung. Denn bevor man den Rückgang der Meisterprüfungen beklagt, muss man die möglichen Ursachen analysieren und entsprechende Konsequenzen ziehen.
Ist die EU schuld?
Was also kann zum Rückgang der Meisterprüfungen im Schreiner- und Tischlerhandwerk beitragen? Am häufigsten genannt werden dabei die Anforderungen der Europäischen Union. Sicher spielt dieser Bereich eine nicht untergeordnete Rolle. Allerdings ist die Ausgangssituation ambivalent: Zum einen wird die deutsche Handwerksausbildung von der EU als „best-prac-
tice-Beispiel“ anerkannt. Zum anderen gibt es vergleichbare Ausbildungen nur in den deutschsprachigen EU-Mitgliedsstaaten. Daher werden auf der Basis der Niederlassungsfreiheit in der EU und der gegenseitigen Anerkennung von Berufsabschlüssen „Öffnungsklauseln“ gefordert, damit EU-Bürger auch ohne den deutschen Meisterbrief in der Bundesrepublik tätig werden können. Aufgrund der völlig unterschiedlichen Systeme der einzelnen Staaten spielt zusätzlich die europäische Normung eine immer größere Rolle. Während in Deutschland großer Wert auf die Ausbildung gelegt wird, steht in anderen Ländern die Sicherung gewisser Mindeststandards der Produkte im Vordergrund, gleichgültig wie sie produziert werden. Dies führt dann dazu, dass die Qualifikation der Mitarbeiter kein Maßstab ist. Wenn man jedoch die Effekte dieser Entwicklungen, besonders der Niederlassungsfreiheit, genauer betrachtet, stellt man fest, dass sich diese bisher nicht so gravierend auswirken. Der Rückgang der Meisterprüfungszahlen lässt sich dadurch jedenfalls nur in einem sehr geringen Umfang erklären.
Ist die deutsche Politik schuld?
Einen weitaus größeren Einfluss darauf hat sicherlich die deutsche Politik. Denn in den letzten zwölf Jahren wurde die Handwerksordnung (HWO) mehrfach novelliert. Oft mit dem Hinweis, sie „europafest“ machen zu müssen und eine Diskriminierung der Inländer zu verhindern. Man kann sich jedoch dem Eindruck nicht verwehren, dass dies nur eine Seite der Medaille ist. Die andere Seite deutet auf eine politische und gesellschaftliche Grundhaltung hin, für die die EU nicht verantwortlich gemacht werden kann. Vor dem Hintergrund der nach wie vor sehr hohen Arbeitslosenzahlen in Deutschland scheint sich eine Tendenz zur Vereinfachung von Ausbildungen durchzusetzen. Trotz Pisaschock und vielen schlechten Erfahrungen werden die Hürden eher nach unten gesetzt. Dahinter steht die Hoffnung, dass Menschen, die eine Ausbildung abgeschlossen haben, leichter einen Arbeitsplatz finden oder sich sogar selbstständig machen. Der Trugschluss dabei besteht jedoch vor allem darin, dass man glaubt, nur das Prüfungs- und Zulassungsniveau absenken zu müssen, um diesen Effekt zu erreichen. Man vergisst dabei scheinbar, dass das wirtschaftliche Umfeld, das für diese Entwicklung maßgeblich verantwortlich ist, in der gleichen Zeit immer komplexer wird und immer größere Anforderungen an den einzelnen stellt. Diese Entwicklung hat sich auch im Handwerk in den letzten Jahren vollzogen. Im Rahmen der letzten HWO-Novelle 2004 wurden zahlreiche Handwerksberufe, die bisher in der Rolle A eingetragen waren und den Meister zur Berufsausübung voraussetzten, in die Rolle B zurückgestuft. Und es kam wie es kommen musste: Die Meisterprüfungen in diesen Berufen gingen massiv zurück und die Ausbildungszahlen brachen zum Teil dramatisch ein. Die Politik feierte diesen Schritt als einen großen Erfolg, nämlich als Impuls für zahlreiche Existenzgründungen. Dabei stellt man auf die deutliche Zunahme an Handwerksbetrieben ab. Dass auf der anderen Seite in dieser gestiegenen Zahl von Betrieben insgesamt deutlich weniger Mitarbeiter beschäftigt und Lehrlinge ausgebildet werden, übersieht man konsequent. Allerdings erklärt dieser Effekt wiederum nicht den Rückgang der Meisterausbildungen im Schreiner- und Tischlerhandwerk. Denn dieses Gewerk ist nach wie vor ein Vollhandwerk der Rolle A. Hier spielen jedoch weitere Regelungen der letzten Handwerksrechtsnovelle eine Rolle: Unter anderem die sog. „Altgesellenregelung“ oder die Aufgabe des „Inhaberprinzips“. Der Trend der rückläufigen Meisterprüfungen existiert jedoch nicht erst seit der letzten HWO-Novelle, und es ist davon auszugehen, dass die gesetzlichen Neuregelungen nicht von Anfang an voll genutzt werden. Daher ist dies auch nur als ein Mosaikstein zu sehen.
Ist der Kunde schuld?
Als weiterer Aspekt kommt der Kunde in Frage: In Zeiten, in denen bei öffentlichen Ausschreibungen nur das billigste Angebot zählt, in denen beim Privatkunden die „Geiz-ist-geil-Mentalität“ um sich greift und mehr Rabatte als Produkte und Leistungen verkauft werden, wird einfach die Meisterqualifikation vom Auftraggeber nicht mehr geschätzt. Insofern ist es dann zwangsläufig nur logisch, dass die neue Generation der Handwerker auf die teure Ausbildung verzichtet, denn sie ist letztlich nicht mehr über den Preis zu refinanzieren. Diese Überlegung ist auf den ersten Blick scheinbar nachvollziehbar und mag kurzfristig auch seine Berechtigung haben. Es sind damit jedoch viel weiter reichende Fragen verbunden: Wie lange kann das Handwerk einen reinen Preiswettbewerb, auch bzw. insbesondere gegen andere Branchen überhaupt bestehen? Und wird hier nicht die Verantwortung etwas zu einfach dem Kunden zugeschoben? Wie soll der Kunde eigentlich den Unterschied zwischen billig und preiswert erkennen? Was ist eigentlich eine meisterliche Leistung? Kann das Handwerk noch davon ausgehen, dass der Kunde schon wissen wird, was uns vom Handel, der Industrie oder den Montagebetrieben unterscheidet? Wohl kaum, aber kann man das dem Kunden eigentlich vorwerfen oder hat das Handwerk versäumt, sich als Branche besser zu positionieren? Dies sind übrigens Überlegungen, die dazu beigetragen haben, dass das bayerische Schreinerhandwerk eine breit angelegte Image-Kampagne gestartet hat und diese langfristig weiterführen wird.
Ist das Handwerk selbst schuld?
Und kommt man zum letzten Puzzlestück: Der Frage nämlich, ob das Handwerk selbst wirklich unschuldig daran ist, dass die Meisterprüfungszahlen sukzessive zurückgehen, obwohl die Anzahl der Betriebe nicht rückläufig ist. In diesem Zusammenhang sind unterschiedliche Entwicklungen festzustellen, die diesen Trend unterstützen. Zum einen ist die Ausbildungsbereitschaft der Betriebe rückläufig. Dies hat seine Ursache vor allem in der wirtschaftlich schwierigen Situation der vergangenen Jahre. Damit hängt natürlich auch die Entwicklung der Arbeitsplatzsituation in den Betrieben zusammen. Und gerade in Zeiten, in denen die Arbeitsplätze nicht sicher sind, nimmt die Bereitschaft, sich fortzubilden und sich ggf. selbstständig zu machen, ab. Ein wichtiger Punkt ist jedoch auch die grundsätzliche Einschätzung des Handwerks selbst zur Bedeutung der Meisterausbildung. Wird der Meisterbrief nur als notwendiges Übel, als formale Zulassungsvoraussetzung zur Gründung oder Übernahme eines Betriebs gesehen. Oder wird die Meisterausbildung wirklich als Chance angesehen, als tatsächliche „Unternehmerausbildung“.
Entgegen manchen Bekundungen scheinen nach wie vor nicht wenige die erste Auffassung zu vertreten. Denn nur so ist es zu erklären, dass in einigen möglichst kurzen Teilzeitkursen versucht wird, sich rasch ein Minimum an Wissen anzueignen, um gerade noch die Meisterprüfung zu bestehen. Dies wird dann noch dadurch unterstützt, dass bewusst die praktische Gesellentätigkeit vor der Meisterprüfung immer stärker reduziert oder sogar ganz darauf verzichtet wird. Das Bestreben, möglichst schnell den Meistertitel zu erwerben, ohne Rücksicht darauf, welche Qualifikation man auf diesem Weg tatsächlich erwirbt, geht häufig nicht nur von den Gesellen allein aus. Unterstützt wird es zum Teil von Betriebsinhabern, die ihren „Nachwuchs“ möglichst schnell im Betrieb haben wollen. Aber auch einige Handwerkskammern tragen ihren Teil dazu bei, wenn sie bereits in der Werbung für ihre Teilzeitkurse Lehrlinge darauf hinweisen, dass sie ohne Gesellenzeit sofort die Meisterprüfung anstreben sollen. Ergänzt wird dies durch die Bestrebung mancher Kammer, die Meisterprüfung zu vereinfachen, damit auch diese Kandidaten ohne Probleme bestehen können.
Fundierte Unternehmerausbildung ist gefordert
An dieser Stelle schließt sich dann der Kreis. Der Meisterbrief bietet eine große Chance, sich als Handwerk auf den Zukunftsmärkten zu positionieren. Die großen gesellschaftlichen Trends, wie die Alterung der Gesellschaft, Themen wie Wellness, Fitness, Sicherheit, die Chancen im Bereich der Modernisierung aus einer Hand u.v.m. arbeiten für das Gewerk.
Die Themen werden jedoch immer komplexer und die Kunden immer anspruchsvoller. Um diese Herausforderungen zu bewältigen, kann der Meisterbrief eine fundierte Grundlage darstellen.
Allerdings nur, wenn er nicht als Formalie angesehen wird, sondern die nachkommende Generation der Betriebsinhaber bereit ist, tatsächlich in eine Unternehmerausbildung zu investieren. Eine Unternehmerausbildung, die nicht nur den handwerklichen Bereich abdeckt. Ebenso wichtig sind aktuelle betriebswirtschaftliche Kenntnisse und insbesondere die Fragen des Marktauftritts und der Marktbearbeitung. Derartige Kenntnisse lassen sich jedoch nicht „so nebenbei“ erwerben. Die Ausbildungsmaßnahmen und letztlich die Prüfung müssen sich an diesem Anspruch orientieren.
Falls das Handwerk den Meistertitel in diesem Sinn selbst versteht und ihn mit diesem Inhalt auch dem Kunden wieder vermittelt, ist er ein unverzichtbarer Bestandteil der Positionierung der Branche.
Gerade in einer Welt, in der die Globalisierung immer mehr Unsicherheit in die Bevölkerung trägt, kann sich das regional verankerte Handwerk mit seinen modernen Fertigungsmethoden und seinem umfassenden Leistungsangebot herausheben. Ob dies gelingt, hängt jedoch nicht zuletzt auch vom eigenen Selbstverständnis der Branche ab.
Dass dies nicht aussichtslos ist, zeigen einige Zahlen. Betrachtet man zum Beispiel die Entwicklung in den 1970er Jahren, so stellt man fest, dass sich die Zahl der Meisterprüfungen auf einem noch deutlich niedrigeren Niveau als heute befunden haben. In den nachfolgenden Jahrzehnten hat die Meisterausbildung dann einen großen Aufschwung genommen.
Die Zeiten sind seitdem nicht einfacher geworden, der Fortbildungsbedarf hat noch massiv zugenommen. Warum sollte man also heute so einfach darauf verzichten können?
Klasse statt Masse
Auch in Bayern sind in den letzten Jahren die Meisterprüfungen deutlich gesunken. Was jedoch bisher im Wesentlichen gleich geblieben ist, ist die Anzahl der Schreiner, die ihre Ausbildung an den vier Vollzeitschulen absolviert haben. Dies bedeutet, dass die Quote derjenigen, die in eine sehr anspruchsvolle Ausbildung investiert haben, im Vergleich zur Gesamtzahl der Prüflinge stetig gestiegen ist. Die Anzahl der Meisterschüler, die nicht nur das Bestehen einer Prüfung zum Ziel haben, sondern eine Ausbildung wünschen und fordern, die auf eine Tätigkeit als Unternehmer vorbereitet, ist also bisher nicht geringer geworden.
Der Rückgang der Prüflinge ist dagegen vor allem durch jene Gruppe verursacht worden, die nun die neuen gesetzlichen Möglichkeiten nutzen, um ohne Meisterbrief tätig zu werden.
Somit hat die aktuelle Entwicklung nicht dazu geführt, dass das Niveau gesunken ist. Ganz im Gegenteil: Langfristig kann dies den Meisterbrief stärken, vorausgesetzt, es findet sich genug Berufsnachwuchs, der bereit ist, den schwereren aber Erfolg versprechenden Weg zu gehen.
Der FSH Bayern wird diesen Weg unterstützen. Sowohl durch die Förderung der Fachschulen, als auch durch die Darstellung des Meisters in der Öffentlichkeit. In diesem Sinne kann der Meister eine wichtige Zukunftsperspektive für das Schreiner- und Tischlerhandwerk bieten. ■
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