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Der Traum von der eigenen Tischlerei

Erfahrungen und praktische Tipps
Der Traum von der eigenen Tischlerei

Wer sich mit einer Tischlerei selbstständig machen will, sollte sich im Vorfeld gut beraten lassen, um seine Existenz auf eine solide und finanziell sichere Grundlage zu stellen. Eine Alternative zur Übernahme eines Betriebes oder eine Neugründung ist der Einstieg als „Untermieter“ in einer bestehenden Werkstatt.

„Zumindest der Entwurf eines Businessplans sollte stehen, wenn ein Gründer ein ausführliches Beratungsgespräch bei der Handwerkskammer sucht. Dann können wir zügig auf den Punkt kommen“, erklärt Dirk Hecking, Leiter der kaufmännischen Betriebsberatung bei der Handwerkskammer zu Köln.

Je früher sich gründungswillige Handwerker bei ihm melden, desto besser: „Wir händigen den Interessierten dann im ersten Schritt umfangreiches Informationsmaterial aus und bieten Kontaktadressen an – und empfehlen dringend, an einem Existenzgründungsseminar teilzunehmen.“ Ein solches Seminar behandelt alle zentralen Themen, von der Geschäftsidee über die Beurteilung von Marktchancen, Kalkulation und Finanzierung bis hin zu rechtlichen und steuerlichen Fragen.
Mit diesem Wissen lässt sich der für die Gründung notwendige Businessplan einfacher erstellen. „Beim Entwurf kommt es darauf an, dass der Gründer seine Geschäftsidee sowie Eckwerte des Zahlenwerks einmal schriftlich fixiert hat. Er sollte das Investitionsvolumen und den zu erwartenden Umsatz ungefähr beziffern können“, zählt Hecking auf. Dabei müsse man keine Zahlen aus der Luft greifen. „Gerade für Tischler gibt es gute Betriebsvergleiche, die man als Grundlage für das eigene Unternehmen heranziehen kann“, empfiehlt der Diplom-Kaufmann, der seit fünf Jahren Existenzgründer berät. Die Zahlen seien von Anfang an so wichtig, weil der „typische“ Tischler oder Schreiner Geld in die Hand nehmen müsse, um ein Unternehmen zu gründen – und zwar nicht selten sechsstellige Beträge.
Dass das finanzielle Risiko für Tischler deutlich höher ist als für Handwerker in anderen Bereichen, liegt auf der Hand. Während Elektriker, Maler oder Klempner „aus dem Kofferraum“ gründen können, braucht ein Tischler wesentlich mehr Ausstattung, um mit der Arbeit zu beginnen. Gerade, wenn jemand vorhat, einen Betrieb komplett neu aufzuziehen, spielt das Startkapital eine wesentliche Rolle.
Es sei denn, er beginnt unkonventionell auf dem Dachboden des eigenen Hauses, wie die Bonner Holzmanufaktur – und ohne den Anspruch, damit viel Geld verdienen zu müssen.
Cornelius Bürgener, seit 2007 alleiniger Inhaber der Holzmanufaktur, erzählt aus den Anfangsjahren des Unternehmens: „Einer der beiden Gründer der Möbelwerkstatt war nicht einmal Schreiner, sondern studierte Religion und Philosophie. Ich selbst stieg als gelernter Schreiner 1995 in die Werkstatt ein, als die Holzmanufaktur in die heutigen Räumlichkeiten umzog.“
Als das Gebäude abgerissen werden sollte, vergrößerten sich die beiden Gründer eher zwangsweise und nahmen Bürgener als dritten Kompagnon hinzu. „Der Betrieb brachte anfangs nicht viel Einkommen – aber man war studentisches Niveau gewöhnt und kam mit wenig aus“, erzählt Bürgener, der 2001 seinen Meister machte. Rückblickend würde er einige Dinge anders machen.
„Als ich in die Firma einstieg, hatte ich gerade meine Gesellenprüfung gemacht und kaum Berufserfahrung. Mehr handwerkliche Erfahrung und Wissen darüber, wie der Alltag im Betrieb abläuft, wären nützlich gewesen.“
Anders Stephan Wöhlke. Er wird auf jede Menge Erfahrung zurückgreifen können, wenn er eines Tages die familieneigene Tischlerei in Stuhr bei Bremen übernimmt. Wöhlke führt das Unternehmen, das im vergangenen Jahr sein 100-jähriges Bestehen feierte, gemeinsam mit seinem Vater, der ihm Schritt für Schritt die Geschäfte übergibt. Die Übernahme eines Betriebs sei für jemanden, der mit dieser Perspektive großgeworden ist, einfacher als für jemanden, der neu in die Firma komme, meint Stephan Wöhlke. „Bei meiner Geburt war schon klar, dass ich nur Schreiner werden kann“, lacht er. Seiner Ansicht nach ist eine Neugründung heutzutage schwieriger als eine Übernahme. Man müsse sich am Markt komplett neu beweisen und könne nicht den eingeführten guten Namen eines laufenden Unternehmens nutzen. Selbst wer als Fremder einen Betrieb übernehme, genieße einen Vertrauensvorschuss. „Dass man ebenso gut arbeitet wie der Vorgänger, muss man aber unter Beweis stellen.“ Bei der Übernahme innerhalb einer Familie müsse der Nachfolger Gelegenheit haben, seine Interessen und Gedanken frühzeitig einzubringen. Die ältere Generation müsse hin und wieder die Notbremse ziehen, aber auch loslassen können.
Vor der Übernahme eines Betriebes sollte man eine Betriebsbewertung durchführen lassen, raten die Handwerkskammern, die dies ihren Mitgliedern kostenlos anbieten. Denn: „Die meisten Betriebe werden zu teuer angeboten“, sagt Existenzgründungsberater Dirk Hecking. Eine solche Bewertung ließ zum Beispiel Cornelius Bürgener durchführen, als sich nach einiger Zeit zu dritt abzeichnete, dass ein Kompagnon das Unternehmen verlassen würde. Dieser hatte schon eine Zeitlang die Kapazitäten der Firma vermehrt für private Belange genutzt. „Der Wirtschaftsprüfer ermittelte damals, dass er überzogene Vorstellungen von seiner Abfindung hatte, da das Unternehmen auch zum Teil seinetwegen unter seinem Potenzial geblieben war“, sagt Bürgener.
Allein, mit Partner oder im Kollektiv?
Damit wurde allmählich klar: Der Kollektivgedanke hatte in der Holzmanufaktur nicht funktioniert. Ende 2006 verließ auch der „Urgründer“ die Holzmanufaktur. Wieder nahmen die beiden Teilhaber einen externen Berater der Handwerkskammer hinzu, der half, die Sachwerte der Firma abzubilden und den Ausstieg reibungslos zu gestalten. Heute führt Bürgener die Geschäfte allein und trifft alle Entscheidungen selbst. „Im Kollektiv waren wir mit unseren unterschiedlichen persönlichen Stärken breiter aufgestellt“, sagt Cornelius Bürgener. „Und anfangs brachte jeder neue Aufträge herein.“ Letztlich aber dauerten die Entscheidungen zu lang, man schob sich gegenseitig die Verantwortung zu. „Im Team besteht die Gefahr, sich zu sehr miteinander und mit seiner Selbstorganisation zu beschäftigen – das kostet zu viel Zeit.“ Und die ist für ihn eines der höchsten Güter. „Man muss sehr viel arbeiten, und es kommen nicht immer Reichtümer dabei heraus.“
Mit diesem Satz zielt der Unternehmer auf eine der wichtigsten „Gründereigenschaften“: die Belastbarkeit. Dass ein geregelter Acht-Stunden-Tag illusorisch ist, meint auch Stephan Wöhlke. Doch er sieht das positiv: „Wenn ich am Wochenende arbeite, bedeutet das immerhin, dass Arbeit da ist.“ Und dann sitzt der Unternehmer lieber drei Stunden länger im Büro, damit die Maschinen laufen können.
Neben der Bereitschaft, mehr zu arbeiten als andere, und der Beherrschung seines Handwerks sollte ein Existenzgründer über betriebswirtschaftliches Know-how verfügen. Dass dies im Tischlerhandwerk ein Schwachpunkt ist, hängt aus Heckings Sicht mit einer „typischen Tischlereigenschaft“ zusammen. „Das Künstlerische, das viele Tischler mitbringen – eigentlich eine positive Eigenschaft – ist fürs Geschäft auch manchmal hinderlich“, sagt der Berater. Im harten Wettbewerb trenne sich die Spreu vom Weizen eher am Betriebswirtschaftlichen – und selten an der perfekten Ausführung. „Wer sich besser darstellen kann, eine gute Preispolitik macht und seine Kunden dazu bringt, zügig zu zahlen, wird erfolgreicher sein, als derjenige, der perfekte Handwerkskunst abgibt“, meint Hecking. Der ganzen Branche sei zu mehr Pragmatismus und kaufmännischem Verständnis zu raten.
Von kaufmännischem Herangehen zeugt auch, sich bereits vor der Gründung um einen Kundenstamm und Multiplikatoren zu kümmern, zum Beispiel Architekten und Hausverwaltungen. Denn ohne potenzielle Kunden kann sich eine Bank kaum ein Bild vom möglichen Umsatz des Gründers machen – und wird bei der Kreditvergabe zurückhaltender agieren. „Einen guten Eindruck machen schriftliche Absichtserklärungen von Multiplikatoren, idealerweise mit Umsatzzahlen versehen“, betont Gründungsberater Hecking. „Darin steht zum Beispiel: Wenn Gründer XY sich selbstständig macht, bekommt er von mir Aufträge in Höhe von soundso viel Euro.“ Die Erbtante, die ankündige, dass der Gründer ihr später einen Nachttisch fertigen soll, reiche aber nicht aus.
Die Standortfrage ist ein weiterer Faktor, der umsichtig geklärt werden muss. Denn eine Tischlerei bringt Lärm, Geruchsbelästigung durch Lackieren oder Verwenden von teilweise sogar giftigen Stoffen mit sich.
„Bei einer Neugründung muss man sich frühzeitig um entsprechende Genehmigungen kümmern“, rät Dirk Hecking.
Ein Betrieb, der seit 50 Jahren existiert, kann vielleicht sogar in einem ansonsten reinen Wohngebiet geführt werden, da für ihn ein Bestandschutz gilt. Ein Garant für eine harmonische Nachbarschaft sei das aber noch lange nicht.
Marketing fängt bei jedem selbst an
Im Businessplan sollte der Gründer weiterhin darstellen, wie sich sein Unternehmen von der Konkurrenz abheben möchte. Was plausibel klingt, ist vielen nicht klar, wie Dirk Hecking verdeutlicht. „Bei mir war einmal ein Dachdecker, den ich fragte, wodurch er sich von seinen Wettbewerbern unterscheide und was er tun würde, um mich zu überzeugen, ihn zu beauftragen.“ Er sah mich nur fragend an und sagte: „Ich bin Dachdecker.“ Mit so einer Denkweise bringe man es vermutlich selten weit.
Auch unter Tischlern gebe es schon mal ähnliche Grundhaltungen. „Es ist wichtig, dass man sich selbst verkaufen und sein Produkt vermarkten kann“, betont Hecking. Beispielsweise sei es relativ einfach, mit Hilfe einer Referenzmappe oder Bildern herauszufinden, was der Kunde wolle. Es reiche heute nicht, nach Vorgaben des Kunden zu arbeiten; wichtig sei vielmehr, selbst Anregungen zu geben und den Kunden von seiner Kompetenz zu überzeugen.
Dazu gehört auch das eigene Erscheinungsbild, meint etwa Unternehmer Stephan Wöhlke. Heute könne man nicht mehr mit Blaumann oder Arbeitsklamotten zum Beratungsgespräch gehen; Hemd und Jeans seien das Mindeste. „Wären wir aber vor 15 Jahren so ordentlich beim Kunden erschienen, hätte es geheißen: Ihr habt es wohl nicht mehr nötig zu arbeiten.“ Ebenso wichtig sei es, Termine einzuhalten, Angebote pünktlich und in einer solchen Form abzugeben, dass sie der Laie versteht. Zum Marketing gehört für Wöhlke auch ein einheitliches Logo auf der Kleidung und, dass die Fahrzeuge ordentlich aussehen: „Müllhalden im Cockpit machen keinen guten Eindruck. Das sind alles Visitenkarten der Firma!“
Cornelius Bürgener sieht weitere Veränderungen zu früher: „Im Privatkundenbereich gibt es kaum noch Vorlauf, die Planung steht immer nur für die nächsten vier Wochen. Dagegen ist der Qualitätsanspruch der Kunden deutlich gestiegen.“
Auch die Investitionszyklen seien kürzer. „Früher mussten sich die Maschinen vielleicht in 60 Jahren amortisieren. Moderne Maschinen sind dagegen oft schon nach zehn Jahren überholt.“ Der Betrieb selbst hat ein CNC-Bearbeitungszentrum, was sich nicht jede Schreinerei leistet. Dagegen ist der Lackierraum dem Geschäftsführer zu klein, und auch das Materiallager könnte in Bürgeners Augen größer sein. „Man muss im Prinzip ständig abwägen, wie man welche Ressourcen am besten nutzt.“
Dass diese Ressourcen viel Geld kosten, ist manchem Gründer nicht klar: „Aber meistens ist das Finanzielle kriegsentscheidend“, weiß Dirk Hecking. „Zehn bis fünfzehn Prozent Eigenkapital“ gibt er als Anhaltspunkt für Gründer aus. Dazu könnten auch Sachwerte wie Fahrzeuge oder vorhandene Maschinen und Geräte zählen. Doch sei die Konjunktur gerade bei Tischlereien schwer einzuschätzen. Deswegen rät die Handwerkskammer jungen Leuten, die wenig Geld haben, sich an einer bestehenden Werkstatt zu beteiligen, statt eine neue aufzubauen. Es gebe sehr viele Werkstätten, die nicht ausgelastet seien. Existenzgründer könnten diese Überkapazitäten nutzen und als „Untermieter“ anfangen.
Dieser Punkt liegt Dirk Hecking besonders am Herzen. Er liest aus der Online-Betriebsbörse der HWK zu Köln vor: „Tischlerei Nähe Bonn, circa 250 m² Werkstatt, bietet Mitbenutzung von Werkstatt und Spritzraum an. Bankraum, Büro, Aufenthaltsraum und WC stehen separat zur Verfügung … oder, hier: Tischlerei in Köln, 1000 m² Werkstatt, komplett ausgestattet, bietet Tischlermeister Mitbenutzung von Maschinen und Arbeitsplatz gegen Kostenbeteiligung an.“ Dass immer mehr Mitnutzungen angeboten werden, sei auffallend. „Das geschieht ja nicht ohne Not“, sagt Hecking, „es gibt einfach zu viele Tischlereien.“ Doch viele Gründer möchten lieber „ihr eigenes Ding machen“, statt sich ins gemachte Nest zu setzen. Betriebswirtschaftlich sei das „blanker Unsinn“, betont der Diplom-Kaufmann. Die Überkapazitäten würden nur weiter vergrößert.
Risikoarm: Gründung als Mieter
Wer eine bestehende Werkstatt mitnutzen kann, gründet risikoärmer. Man zahlt nur Pacht und beteiligt sich anteilig an den Betriebskosten. „Eine solche Kooperation hat auch ihre Tücken“, gibt Hecking zu. Man arbeite meistens in Konkurrenz, und das Verhältnis könne weiter belastet werden, wenn es zum Beispiel Engpässe an den Maschinen gebe: „Wer darf dann zuerst ran?“ Eine vertragliche Absicherung ist daher Voraussetzung für eine funktionierende Kooperation. Geregelt werden müssten versicherungstechnische Details, die Art der Außenpräsentation oder die Kostenaufteilung für Wartung und Reparaturen; abschließbare Räume und getrennte Lagerhaltung würden späterem Unmut vorbeugen. Alles in allem sieht Hecking in dieser Art der Kooperation aber Vorteile. Die Handwerkskammern bieten bei der Vertragsgestaltung Hilfestellung.
Kooperationen sind auch dann eine gute Möglichkeit, Kosten zu senken und gleichzeitig flexibel zu bleiben, wenn man zwar auf die eigene Werkstatt nicht verzichten will, aber auf das CNC-Bearbeitungszentrum oder den Lackierraum eines anderen Betriebs bei Bedarf zurückgreift. Oder als Tischler mit anderen Gewerken zusammenarbeitet und „alles aus einer Hand“ anbieten kann. Die Tischlerei Wöhlke zum Beispiel hat sich ein überregionales Partnernetzwerk aufgebaut. „Auf der einen Seite produzieren andere Unternehmen für uns, auf der anderen geben wir die Adresse unseres Kooperationspartners weiter, wenn jemand einen Bautischler sucht“, erzählt Stephan Wöhlke, und gibt als Losung aus: „Es geht nur miteinander, nicht gegeneinander.“ ■
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