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Die Sozialauswahl ist ein Dauerbrenner

Kündigung, Teil 2: Das Kündigungsschutzgesetz
Die Sozialauswahl ist ein Dauerbrenner

Zum 1. Januar 2004 wurde der Kündigungsschutz ein wenig gelockert. Doch die Stammbelegschaft genießt übergangsweise immer noch einen Bestandsschutz. Verkompliziert werden die Kündigungsschutz-Bestimmungen noch durch zahlreiche Sonderregelungen. Und: In Ermangelung klarer gesetzlicher Vorgaben entscheidet – gerade beim Thema Sozialauswahl – letztlich jedes Gericht immer im Einzelfall.

Wie wirkt sich der gesetzliche Kündigungsschutz im Handwerk aus? Probleme bereiten dabei – neben den allgemeinen formalen Anforderungen (siehe BM 9/05) und den stets zu beachtenden Fristen – die Kündigungsschutzbestimmungen. Kern der gesetzlichen Regelungen ist das Kündigungsschutzgesetz (KSchG). Danach sind Kündigungen in Unternehmen bestimmter Größe generell nur aus betriebsbedingten, personenbedingten oder verhaltensbedingten Gründen möglich.

Zum 1. Januar 2004 wurde durch das Gesetz zu den Reformen am Arbeitsmarkt der Kündigungsschutz ein wenig gelockert. Das Kündigungsschutzgesetz ist seither grundsätzlich nur noch bei Betrieben mit in der Regel mehr als zehn (also mindestens 10,25) Mitarbeitern anzuwenden. Es gilt aber ausdrücklich keine Stichtagsbetrachtung, sondern die regelmäßige Belegschaftsgröße.
Wie bereits vor der Gesetzesänderung zählen Auszubildende, der Arbeitgeber selbst oder auch der mitarbeitende Geschäftsführer einer GmbH nicht mit. In Handwerksbetrieben wird oft vergessen, auch die kaufmännischen Mitarbeiter mitzuzählen. Gleiches gilt für Arbeitnehmer in Elternzeit und Wehr- oder Zivildienstleistende, deren Arbeitsverhältnis nur von Gesetzes wegen ruht, aber formal weiter besteht. Teilzeitkräfte bis 20 Wochenstunden werden nur mit dem Faktor 0,5, Teilzeitbeschäftigte bis 30 Wochenstunden mit dem Faktor 0,75 gerechnet. Wichtig für die traditionell kleinen Familienbetriebe im Schreinerhandwerk ist, dass auch Familienangehörige mitzuzählen sind, wenn sie sich in einem Arbeitsverhältnis zum Arbeitgeber befinden.
Das Kündigungsschutzgesetz findet Anwendung, wenn das zu kündigende Arbeitsverhältnis zum Zeitpunkt des Zuganges der Kündigung in demselben Betrieb oder Unternehmen ohne Unterbrechung Iänger als sechs Monate bestanden hat und zugleich die regelmäßige Beschäftigtenzahl des Betriebes eine bestimmte Größe überschreitet. In den ersten sechs Monaten eines Arbeitsverhältnisses besteht – unabhängig von der Betriebsgröße – kein Kündigungsschutz.
Stammbelegschaft behält den Schutz
Doch die Neuregelungen seit dem Jahr 2004 werden verkompliziert durch übergangsweisen Bestandsschutz für die Stammbelegschaft.
Denn vor der Gesetzesänderung, also bis 31. Dezember 2003, lag dieser ab 1. Januar 2004 auf zehn Arbeitnehmer erhöhte Schwellenwert bei fünf Mitarbeitern. Stärkerer Schutz bestand also, wenn insgesamt mindestens 5,25 Mitarbeiter angestellt waren. Mitarbeiter, die schon vor dem 1. Januar 2004 vom Kündigungsschutz erfasst waren, genießen diesen Schutz auch weiterhin.
Die neue Grenze von zehn Mitarbeitern greift somit nur für die nach dem 31. Dezember 2003 neu eingestellten Mitarbeiter. Für diese besteht also nur dann kein Kündigungsschutz, wenn die regelmäßige Zahl aller Mitarbeiter zusammen, inklusive der bereits vor dem 1. Januar 2004 Beschäftigten, nicht größer als zehn ist.
Jedoch fällt in Betrieben, die den neuen Schwellenwert von zehn Mitarbeitern nicht überschreiten, auch für eine unter Umständen bislang noch geschützte „Alt-Belegschaft“ der Kündigungsschutz endgültig weg, wenn die Zahl der alten Mitarbeiter einmal unter den alten Schwellenwert fällt, wenn also nach der oben erläuterten Berechnung nur noch maximal fünf „alte“ Arbeitnehmer übrig bleiben und der neue Grenzwert von zehn Mitarbeitern insgesamt nicht überschritten wird (siehe Beispiel im Kasten).
Wegen dieser Übergangsvorschriften sind Unterlagen, aus denen sich der Personalstand zum Jahreswechsel 2003/2004 ersehen lässt, besonders wichtig. Denn in arbeitsrechtlichen Streitigkeiten kann es durchaus nach Jahren noch entscheidend sein, wie sich die Zahl der Mitarbeiter in einem Betrieb im Lauf der Zeit verändert hat. Es ist daher ratsam, beginnend mit dem Jahr 2003, die Beschäftigtenzahl mit Angaben der wöchentlichen Arbeitszeit zu notieren und bei den Personalunterlagen zu verwahren.
Soziale Rechtfertigung muss sein
Findet das Kündigungsschutzgesetz Anwendung, muss die Kündigung sozial gerechtfertigt sein. Das ist der Fall, wenn der Arbeitgeber Gründe darlegen und beweisen kann, die in der Person des Arbeitnehmers liegen (z. B. krankheitsbedingte Kündigungsgründe) oder in dem Verhalten des Arbeitnehmers liegen (Minderleistungen, Arbeitsvertragspflichtverletzungen) oder wenn dringende betriebliche Erfordernisse einer Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers im Betrieb entgegenstehen.
Die letztgenannte, so genannte betriebsbedingte Kündigung kommt in wirtschaftlich schwierigen Zeiten naturgemäß häufiger vor und verdient daher nähere Betrachtung. Ursachen sind Auftragsmangel, Umsatzrückgang, Betriebsverluste, Gewinnverfall oder Unrentabilität des Betriebes. Ob die Voraussetzungen für eine wirksame betriebsbedingte Kündigung gegeben sind, ist in mehreren Schritten zu prüfen:
Zunächst bedarf es eines dringenden betrieblichen Erfordernisses, das der Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers entgegen steht. Erforderlich ist auf Seiten des Arbeitgebers eine dauerhafte Unternehmerentscheidung, mit der dem veränderten Arbeitsbedarf Rechnung getragen wird und infolge derer ein oder mehrere Arbeitsplätze wegfallen. Diese Organisationsentscheidung muss aber schon im Vorfeld der Kündigung liegen und darf nicht erst in der Kündigung selbst bestehen. Im Streitfall muss der Arbeitgeber also das vorgeschaltete unternehmerische Konzept darlegen und nachweisen können. Auch für die dahinter stehenden Ursachen wie Um- oder Einstellung bzw. Einschränkung der Produktion, Rationalisierung durch Fremdvergabe, verstärkter Maschineneinsatz, Auftragsrückgang oder Kürzung von Drittmitteln ist der Arbeitgeber im Prozess darlegungs- und beweispflichtig und sollte hier jedes relevante Detail vortragen können.
Wenn jedoch durch bloße Umschichtung oder Neuorganisation der innerbetrieblichen Aufgabenverteilung der Arbeitsplatz erhalten werden könnte, wäre die Kündigung gerade nicht durch ein betriebliches Erfordernis bedingt und könnte darauf nicht gestützt werden.
Der Dauerbrenner Sozialauswahl
In einer zweiten Stufe muss der Arbeitgeber eine soziale Auswahl zwischen allen theoretisch in Frage kommenden vergleichbaren Mitarbeitern treffen und dies im Bestreitensfall vor Gericht auch nachweisen können. Wegen der damit verbundenen Schwierigkeiten ist diese Frage ein Dauerbrenner vor den Arbeitsgerichten. Kann ein ehemaliger Mitarbeiter hier vor Gericht einhaken, kann dies dem Chef teuer zu stehen kommen. Weil dies so häufig der Fall ist, glauben viele, dass es bei Kündigungen immer zu Abfindungszahlungen kommt. In Wirklichkeit gibt es einen solchen Automatismus jedoch nicht, wenngleich die meisten Kündigungsschutzprozesse mit Abfindungen enden.
Zunächst ist für die soziale Auswahl der Kreis der in die Auswahl einzubeziehenden vergleichbaren Arbeitnehmer zu bestimmen. Vergleichbar mit dem zu kündigenden Arbeitnehmer sind alle Mitarbeiter auf der gleichen Hierarchieebene, deren Arbeitsplatz von der Tätigkeit her mit der des Betroffenen vergleichbar ist und auf deren Arbeitsplatz der Betreffende infolge der individuell (auch mündlich) vorliegenden arbeitsvertraglichen Abmachungen im Rahmen des Arbeitgeber-Direktionsrechts versetzbar wäre. Auch mitarbeitende Angehörige in Familienbetrieben sind hier grundsätzlich einzubeziehen.
Für diese tätigkeitsbezogene Austauschbarkeit ist maßgeblich, ob der Arbeitnehmer die andere, aber gleichwertige Tätigkeit „alsbald“ ausführen kann. Eine Einarbeitungszeit von je nach Einzelfall zwei bis acht Wochen wird dem Arbeitgeber hierbei aber durch die Rechtsprechung durchaus zugemutet.
Als Gegenargumente könnte der Arbeitgeber, der in der Regel an einer Reduzierung der der Anzahl der zu vergleichenden Personen interessiert sein wird, anbringen, dass der betreffende Arbeitnehmer nicht zu dem nötigen Umlernprozess in der Lage ist oder dies mit unzumutbar hohen Fortbildungskosten für den Arbeitgeber verbunden wäre. Auch hier kommt es aber immer auf die Umstände des Einzelfalls an.
Allerdings sind all diejenigen Mitarbeiter nicht einzubeziehen, die keinen Kündigungsschutz genießen, für die also entweder das KSchG noch nicht greift (z. B. wegen Betriebszugehörigkeit unter sechs Monaten) oder denen als Angehörigen einer besonders geschützten Personengruppe (z. B. Schwerbehinderte, Schwangere, Wehr- oder Zivildienstleistende, Betriebsratsmitglieder und bei Elternzeit) nicht ohne weiteres ordentlich gekündigt werden kann.
Wenn der Unternehmer mehrere Betriebe hat, muss er die Gruppe der vergleichbaren Arbeitnehmer aus Angehörigen des jeweiligen Betriebes bilden. Als Betrieb gilt hierbei die organisatorische Einheit, wobei maßgebliches Abgrenzungsmerkmal ist, an welcher Stelle die Personalentscheidungen getroffen werden.
Bei der Auswahl unter dem Kreis vergleichbarer Mitarbeiter muss der Arbeitgeber nach dem Gesetz vier Gesichtspunkte ausreichend berücksichtigen. Dies sind Lebensalter, Dauer der Betriebszugehörigkeit, Unterhaltsverpflichtungen und eine etwaige Schwerbehinderung.
Oft ergibt sich dabei eine Reihenfolge der zu kündigenden Mitarbeiter, die der Chef sich so nicht wünscht. Und dann beginnen die Probleme. Möchte der Arbeitgeber von dem Ergebnis der Sozialauswahl abweichen, so bedarf es hierfür nach § 1 Abs. 3 Satz 2 KSchG betriebstechnischer, wirtschaftlicher oder sonstiger betrieblicher Bedürfnisse, die die Weiterbeschäftigung desjenigen Arbeitnehmers erfordern, den der Arbeitgeber nicht kündigen möchte, obwohl derjenige nach der Sozialauswahl die Kündigung erleiden müsste.
Hierzu zählen z. B. Spezialkenntnisse eines Mitarbeiters (z. B. Ausbildung zur Elektrofachkraft), persönliche Bindung eines Arbeitnehmers an den Kundenstamm oder auch die Erhaltung, nicht jedoch die Herstellung einer ausgeglichenen Altersstruktur im Betrieb.
Unter Umständen können auch erhebliche Leistungsunterschiede ausschlaggebend sein. Das Argument des Arbeitgebers, es handele sich um einen unverzichtbaren Leistungsträger, bedarf aber vor Gericht zusätzlicher weitergehender Abwägung und Erörterung im Einzelfall und wird keineswegs immer anerkannt.
Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts kann auch die Familienangehörigkeit hier eine Rolle spielen, etwa wenn der Junior als Betriebsnachfolger aufgebaut werden soll.
In diesen Fällen gibt es vielfältige Begründungen. In Ermangelung klarer gesetzlicher Vorgaben ist dies für den Arbeitgeber immer mit Risiken verbunden. Letztlich entscheidet jedes Gericht immer im Einzelfall.
Sofern der Unternehmer mehrere Betriebe hat, ist er gemäß § 1 Abs. 2 KSchG verpflichtet, die Arbeitnehmer im anderen Betrieb unterzubringen, wenn dort Arbeitsplätze frei sind. Müssen im einen Betrieb mehr Mitarbeiter entlassen werden als in dem anderen Betrieb vergleichbare Arbeitsplätze frei sind, so ist auch hier eine soziale Auswahl zu treffen.
Sozialer Mindeststandard auch im Kleinbetrieb
In Kleinbetrieben mit fünf (bzw. nach der oben beschriebenen seit 1. Januar 2004 geltenden Gesetzeslage mit zehn) oder weniger Beschäftigten kann sich der Arbeitnehmer nach Ausspruch einer Kündigung grundsätzlich nicht auf den allgemeinen Kündigungsschutz berufen. Allerdings haben das Bundesarbeitsgericht sowie das Bundesverfassungsgericht sogar in Bezug auf diese Betriebe klargestellt, dass zumindest ein Mindestmaß an sozialer Rechtfertigung vorliegen muss. Doch ein Mitarbeiter, der dies vor Gericht geltend machen will, tut sich erfahrungsgemäß schwer.
Generell gilt: Will ein Arbeitnehmer gegen eine Kündigung vorgehen, so muss er grundsätzlich innerhalb von drei Wochen nach Zugang der Kündigung Klage beim Arbeitsgericht erheben. ■
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