1 Monat GRATIS testen, danach für nur 9,90€/Monat!
Startseite » Allgemein »

Exkursion in die Schreinerzukunft

Branchenstudie dokumentiert Fakten, Chancen und Risiken
Exkursion in die Schreinerzukunft

Das Tischler- und Schreinerhandwerk in Deutschland befindet sich in einem Strukturwandel, der in erster Linie vom Innovations- und Wettbewerbsdruck der Marktbegleiter hervorgerufen wurde, aber auch von einer veränderten Werteskala der Kunden. In Zukunft bieten sich dem Holz verarbeitenden Handwerk, vor allem die folgenden strategischen Betätigungsfelder: Spezialisierung, Innovation und Service. Zu diesem Vorschlag kommt eine von der ProWood Stiftung in Auftrag gegebene Branchenstudie.

Die Studie zum „Strukturwandel im Tischler- und Schreinerhandwerk“ wurde auf der Mitgliederversammlung des Fachverbandes Holzbearbeitungsmaschinen im VDMA am 7. Mai 2004 in Rottach-Egern auch der Fachpresse und den Verbänden des Schreiner- und Tischlerhandwerks vorgestellt. Sie basiert auf einer groß angelegten, mehrstufigen Befragung.

Durchgeführt wurde die Studie im Auftrag der ProWood Stiftung von der Unternehmensberatung applikatio, Bahlingen, die unter der Leitung des erfahrenen Branchenkenners Dr. Dieter Fink auf Ingenieur- und Dienstleistungen rund um die Holzwirtschaft spezialisiert ist.
Von 9000 an Tischlereien und Schreinereien versandten Fragebögen wurden 1200 ausgewertet. In einer zweiten Stufe wurden 180 persönliche Interviews mit Inhabern von A- und B-Betrieben geführt. Zudem wurden insgesamt 200 „Marktbegleiter“ aus Kunden- und Lieferantenkreisen befragt.
Zweitgrößter Wirtschaftszweig der Holzwirtschaft
Das Holz verarbeitende Handwerk hat wirtschaftlich nach wie vor eine sehr hohe Bedeutung: Das Tischlerhandwerk mit über 42 000 Betrieben, mehr als 220 000 Beschäftigten und einem Umsatz von etwa 18 Mrd. Euro im Jahr 2002 ist der zweitgrößte produzierende Wirtschaftszweig innerhalb der deutschen Holzwirtschaft nach der Möbelindustrie (Umsatz im Jahr 2002: 20,27 Mrd. Euro). Interessant ist in diesem Zusammenhang: Etwa 30 Prozent der Betriebe erwirtschaften zwei Drittel des Umsatzes im Tischler-/Schreinerhandwerk.
Hauptmarkt Wohnungsbau
Mit über 70 Prozent ist der Wohnungsbau das wichtigste Betätigungsfeld des Tischlerhandwerks. 57 Prozent der Aufträge stammen von privaten Auftraggebern. 13 Prozent stellt der Gewerbebau und 11 Prozent die öffentliche Hand.
Aufgrund der hohen Abhängigkeit von der Bauwirtschaft geht die Studie davon aus, dass die Märkte für Schreinerleistungen in den nächsten zehn Jahren bestenfalls stagnieren. Chancen und Reserven sind in Bestandsmaßnahmen, Althaus- und Wohnungsmodernisierung, seniorengerechten Wohnungseinrichtungen und anderen Nischenmärkten zu sehen.
Tätigkeitsschwerpunkte
Im Rahmen der Studie wurden auch die Tätigkeitsschwerpunkte der befragten A-Betriebe ermittelt. Der Innenausbau und der Bereich Fenster/Türen dominiert nach wie vor mit zusammen rund 53 Prozent. Die Ergebnisse im Einzelnen:
  • Innenausbau: 30 Prozent
  • Fenster und Türen: 23 Prozent
  • Objekt-/Ladenbau: 8 Prozent
  • Küchen: 5 Prozent
  • Montagen: 8 Prozent
  • Reparaturen: 8 Prozent
  • Zulieferer: 4 Prozent
  • Treppen: 5 Prozent
  • Fußböden: 3 Prozent
  • Sonstiges: 6 Prozent.
Neues Preisbewusstsein der Kunden
Kundenbefragungen im Rahmen der Untersuchung ergaben eine Veränderung der Kundenbedürfnisse an die Leistungen des Schreiners: Das Preis-/Leistungsverhältnis ist besonders bei „Standardlösungen“ an die erste Stelle der Werteskala zur Beurteilung des Nutzens von Gütern und Dienstleistungen vorgerückt. Dahinter folgen die Eckpfeiler Innovation/Individualität und Service/nachhaltige Kundenbetreuung. Qualität und Pünktlichkeit werden von den Kunden als selbstverständlich vorausgesetzt.
Erträge verschlechtert
Die Ertragssituation des Tischlerhandwerks hat sich in den letzten 10 Jahren kontinuierlich verschlechtert. Besonders schlecht schnitten die Betriebe der unteren Größenklassen ab, die mit ihrer Auftragsstruktur überdurchschnittlich stark auf Aufträge aus der Bauwirtschaft fixiert sind. Größere Betriebe, die sich häufiger im Innenausbau engagieren, schnitten deutlich besser ab. Diese Ergebnisse korrespondieren eng mit dem Bundesbetriebsvergleich, den der Bundesverband BHKH regelmäßig durchführt.
Hohe Fachkompetenz – strategische Defizite
Als wichtigsten Grund für die unbefriedigenden betriebswirtschaftlichen Ergebnisse sieht die Studie eine mangelnde strategische Unternehmensausrichtung und zu wenig Differenzierung vom brancheninternen Wettbewerb.
Dies wird auch auf fehlende Managementkompetenz der Unternehmensführung zurückgeführt, die im Gegensatz zu den hoch entwickelten fachlichen Kompetenzen meist Defizite aufweist. Genannt werden dabei auch Schwächen in den Organisationsstruktur, zu wenig Systematik in den Betriebsabläufen und fehlendes betriebswirtschaftliches Controlling.
Weitere Gründe sind eine zögerliche Umsetzung des zur Kostensenkung notwendigen Personalabbaus sowie eine schlechte Eigenkapitalausstattung in Verbindung mit der zurückhaltenden Kreditvergabe der Banken seit Basel II.
Durch das rasch wachsende Angebot der Holz- und Zulieferindustrie an einbaufertigen, „genormten“ Bauelementen wie Fenster, Türen, Treppen etc. ist neben den produzierenden Betrieben eine Reihe von reinen Montagebetrieben entstanden, die wegen ihrer Einordnung in die Anlage B der Handwerksordnung „B-Betriebe“ genannt werden. Sie stellen einen potenten Wettbewerber der produzierenden A-Betriebe dar. Zwischenzeitlich deckt das Angebot der Industrie auch mehrere Bereiche des Innenausbaus ab.
Diese industriell erzeugten Produkte, die zum Großteil über den Holz- und Baustoffhandel und die Baumärkte vertrieben werden, bieten den Montagebetrieben ein entsprechendes Betätigungsfeld durch den Einbau dieser Produkte bei den Abnehmern. Die Holz- und Zulieferindustrie nimmt dabei eine Sonderstellung ein, da sie zugleich Lieferant und Wettbewerber des Tischlerhandwerks ist. Durch diese Doppelbesetzung ist eine Einflussnahme auf die Wettbewerbssituation möglich.
Nach Ergebnissen der Untersuchung hat sich die Zahl der B-Betriebe seit 1995 nahezu verdreifacht. Der erwirtschaftete Umsatz betrug im Jahr 2002 bereits 5,2 Mrd. Euro, gegenüber 1,66 Mrd. Euro im Jahr 1995. Dieser Zugewinn entspricht in etwa dem Umsatzanteil, den das Tischlerhandwerk im gleichen Zeitraum verloren hat.
Drei strategische Betätigungsfelder
Aufbauend auf den genannten Einflussfaktoren ergeben sich, so die Erkenntnisse aus der durchgeführten Untersuchung, in Zukunft drei strategische Betätigungsschwerpunkte für die Betriebe des Tischlerhandwerks, die einzeln oder auch in Kombination besetzt werden können:
Spezialisten
Sie stellen dem Markt ein begrenztes Produktspektrum mit hoher Funktionalität, Zuverlässigkeit und Qualität bei optimalem Preis-/Leistungsverhältnis zur Verfügung. Sie haben in der Regel eine hohe Fertigungstiefe und betreiben Prozessoptimierung in allen Sektoren der Wertschöpfungskette. Als sehr gut ausgestattete und organisierte lokale oder regional begrenzte „Player“ sind sie in der Lage, sich gegenüber dem Angebot der Industrie und des Handels zu behaupten.
Innovatoren
Die so genannten Innovatoren konzentrieren sich auf ein bestimmtes Marktsegment, z. B. „Innenausbau“, „Hotel- und Ladenausstattungen“ und sind durch folgende Merkmale gekennzeichnet:
  • hohe Innovationsstärke mit eigenen Produktlösungen und -entwürfen
  • Komplettlösungen in Zusammenarbeit mit anderen Gewerken
  • gutes Netzwerk aus Partnerbetrieben (verschiedene Fertigungsspezialisten), Architekten, Betrieben anderer Gewerke (Elektro, Licht, ITK etc.)
  • im Vergleich zu den Fertigungsspezialisten eine geringe Fertigungstiefe.
Die Innovatoren bieten „Produkte“ mit eigenständigem Charakter die sich vom Angebot der Industrie unterscheiden. Sie bieten kunden-/projektspezifische Lösungen im oberen Marktsegment.
Universalisten und Servicebetriebe
Die dritte Hauptgruppe stellen die Servicebetriebe und Universalisten dar, die einen besonderen Fokus auf die relevanten Serviceleistungen, wie Reparatur, Wartung etc. haben und die neben dem Serviceumsatz das komplexe Leistungsspektrum des Universalisten, also der klassischen Schreinerei, abdecken.
Montageumsatz wächst weiter
Für die Zukunft wird ein weiteres Anwachsen des mit Montagearbeiten erzielten Umsatzes erwartet: Das Ziel der Zulieferindustrie und des Handels ist es, weitere Marktanteile hinzuzugewinnen, vor allem im Bereich Innenausbau. Dies wird durch den hohen Innovations- und Wettbewerbsdruck dieser Partner eindrucksvoll belegt.
Dabei ist offen, ob der erwartete zusätzliche Montageumsatz von bis zu 5 Mrd. Euro von A-Betrieben oder B-Betrieben erzielt wird. Ob die Industrie in Verbindung mit dem Handel und den Montagebetrieben in den nächsten 10 Jahren tatsächlich ein zusätzliches Marktvolumen in Höhe von 3,5 – 5,0 Mrd. Euro aus dem Markt für Tischlerleistungen besetzen kann, hängt in erster Linie vom Tischlerhandwerk selbst ab.
Auf eigene Stärken besinnen
Das Tischler- und Schreinerhandwerk muss sich dieser Herausforderung aktiv stellen, die Betriebe müssen sich auf ihre Kernkompetenzen besinnen und ihre Kräfte konzentrieren. Die konsequente Ausrichtung des Unternehmens auf strategische Segmente ist eine solche Möglichkeit.
Die Fokussierung auf die genannten Betätigungsschwerpunkte wird sich auch auf das Investitionsverhalten auswirken: Der Bedarf des Tischlerhandwerks an Maschinen und Anlagen wird sinken. Neben dem Rückgang der Wertschöpfung wird dazu auch die bessere Auslastung der Maschinen und Anlagen bei den „Spezialisten“ und den handwerklichen Zulieferern beitragen. Von dieser Gruppe werden in Zukunft allerdings leistungsfähigere Maschinen nachgefragt, die auf bestimmte Fertigungsaufgaben spezialisiert sind. Dies wird beispielsweise auf die Oberflächen- und Lackiertechnik zutreffen, die in Zukunft überwiegend von spezialisierten Betrieben durchgeführt wird. Diese werden über Anlagen verfügen, die wirtschaftlich kleine Losgrößen und stark unterschiedliche Teilegeometrien bei Einhaltung der entsprechenden Umweltauflagen beschichten können.
Marketing verstärken
Damit kommen auf das Tischlerhandwerk – neben den veränderten Marktbedingungen – weitere Herausforderungen zu, denen nur durch eine strategische Unternehmensausrichtung begegnet werden kann, welche die komplette Wertschöpfungskette einbezieht. Zusätzlich ist – je nach Betätigungsschwerpunkt – eine Verstärkung der Marketingkompetenz und die Ausrichtung der kompletten Betriebs- und Ablauforganisation auf die Anforderungen notwendig. Ein durchgängiger Rechnereinsatz, wie er bisher nur in wenigen Betrieben praktiziert wird, unterstützt die Unternehmen bei der Erfüllung der von außen einwirkenden und der unternehmensinternen Anforderungen.
Die Untersuchung zeigt nicht nur Probleme und Chancen auf, sondern sie belegt auch, dass viele Betriebe des Tischlerhandwerks sich dieser Herausforderungen bewusst sind und entsprechende technische, organisatorische und personelle Anpassungen vorgenommen haben.
Das Tischlerhandwerk ist durch die Wahrnehmung und Ausschöpfung der Erfolgspotenziale des Sektors auf dem Weg in eine an den Kundenbedürfnissen orientierte Zukunft. Die Kunden sind bereit, dies zu honorieren.
Die komplette „Untersuchung zum Strukturwandel im Tisch- ler-/Schreinerhandwerk“ ist zunächst den Mitgliedern des Fachverbandes Holzbearbeitungsmaschinen vorbehalten.
mm
Ansprechpartner:
Dr. Werner Neubauer
ProWood Stiftung
Tel 069 66113147
Herstellerinformation
BM-Gewinnspiel
Herstellerinformation
BM-Titelstars
Herstellerinformation
Im Fokus: Vernetzte Werkstatt

Herstellerinformation
Im Fokus: Vakuumtechnik
Herstellerinformation
BM auf Social Media
BM-Themenseite: Innentüren
Im Fokus: Raumakustik
_6006813.jpg
Schallmessung in der Praxis: Michael Fuchs (r.) und Simon Holzer bei raumakustischen Messungen in einem Objekt (Friseursalon Max in Wallersdorf). Foto: Barbara Kohl, Kleine Fotowerkstatt
Im Fokus: Gestaltung
Alles bio? Nachhaltigkeit im Tischler- und Schreinerhandwerk

BM Bestellservice
Vielen Dank für Ihre Bestellung!
Sie erhalten in Kürze eine Bestätigung per E-Mail.
Von Ihnen ausgesucht:
Weitere Informationen gewünscht?
Einfach neue Dokumente auswählen
und zuletzt Adresse eingeben.
Wie funktioniert der BM Bestellservice?
Zur Hilfeseite »
Ihre Adresse:














Die Konradin-Verlag Robert Kohlhammer GmbH erhebt, verarbeitet und nutzt die Daten, die der Nutzer bei der Registrierung zum BM Bestellservice freiwillig zur Verfügung stellt, zum Zwecke der Erfüllung dieses Nutzungsverhältnisses. Der Nutzer erhält damit Zugang zu den Dokumenten des BM Bestellservice.
AGB
datenschutz-online@konradin.de