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„Man lernt nie aus“

Ohne Altersbegrenzung: Mit EU-Stipendium nach Frankreich
„Man lernt nie aus“

„On n’a jamais fini d’apprendre.“ Joachim Blessing hat eine Schwäche für alte Möbel. Am liebsten restauriert der Schreinermeister Schränke oder Sitzmöbel aus dem 19. Jahrhundert. Und weil es in Frankreich noch viel mehr von diesen wertvollen Stücken gibt, hat der 42-Jährige mit Hilfe eines EU-Stipendiums ein Praktikum im Nachbarland absolviert.

Dreieinhalb Monate, von September bis kurz vor Weihnachten vergangenen Jahres, lernte der gebürtige Esslinger Joachim Blessing, circa 150 Kilometer südwestlich von Paris, Möbel aus der Zeit von König Louis-Philippe zu restaurieren. Im verträumten Städtchen Vendome im Departement Loir-et-Cher in der Region Centre radelte der Schreinermeister und geprüfte Restaurator jeden Morgen zu seinem „Lehrbetrieb“. Zwischen Flaschenwärmern und Schraubzwingen reparierte er die Marketterie eines Beistelltisches aus Nussbaumholz oder kümmerte sich um die Schäden und Macken an einem mehr als 170 Jahre alten Massivholzschrank.

Doch wie kommt ein Handwerker, der nicht nur einen Gesellen-, sondern auch den Meisterbrief in der Tasche hat und zudem eine Weiterbildung zum „Geprüften Restaurator im Tischlerhandwerk“ absolvierte, auf die Idee, in Frankreich zu arbeiten, um noch mehr zu lernen? Blessing erklärt: „Das Tischlerhandwerk in Frankreich fördert ganz neu auch den Austausch älterer deutscher und französischer Handwerker.“ Das EU-Programm „Lebenslanges Lernen“ mit dem Namen Leonardo da Vinci fördert dieses Projekt, bei dem es keine Altersbegrenzung für lern- und reisewillige Schreiner gibt. Mitmachen können Tischler und Schreiner mit Gesellenbrief und Berufserfahrung oder auch, wie im Beispiel Blessing, Meister. Interesse an Kultur und Sprache und den Arbeitsweisen in einem fremden Land setzt das EU-Programm voraus. Und natürlich sind Grundkenntnisse in der Landessprache erwünscht, aber nicht verpflichtend. Englisch reicht zur Not aus.
Joachim Blessing, der sich in seiner Freizeit ehrenamtlich für das Kommunale Kino in Esslingen engagiert, hatte zwar in der Realschule in einer AG Französisch sprechen gelernt. „Nach der Lehre und den ersten Gesellenjahren, war davon allerdings nicht mehr viel übrig“, erzählt der Ledige, den es bereits Anfang der 90er Jahre schon einmal nach Frankreich verschlagen hatte. Damals, nach dem Berufsstart in Denkendorf und Stuttgart-Plieningen, kam er durch einen Fernsehbeitrag über die Gesellenorganisation „Les Compagnons du Devoir“, zu seinem ersten Frankreich-Aufenthalt. „Über ein Jahr lang war ich von 1991 bis 1992 in Troyes und Marseille unterwegs“, erinnert sich der Tischler. Länger als geplant, doch bei weitem nicht so lange wie die anderen Gesellen der Organisation. Diese ist ähnlich angelegt, wie in Deutschland für die Handwerker, die auf die Walz gehen. „In Frankreich gibt es neben dem dualen System die Möglichkeit, sofort auf Wanderschaft zu gehen“, erzählt Blessing. Gelernt wird dann nicht in Betrieb und Berufsschule , sondern im Betrieb und in den Häusern der Gesellenvereinigungen. Zuerst ist man als „Stagiaire“ unterwegs, was soviel wie Praktikant bedeutet, dann als „Aspirant“, was quasi dem Gesellen entspricht, und schließlich als „Compagnon“. „Bis zum Erreichen dieses Titels dauert es mitunter acht Jahre“, sagt Blessing, der in Frankreich die entspannte Arbeitsweise schätzen gelernt hat. 35 Stunden in der Woche arbeiten dort die Handwerker. Doch unter Präsident Nikolas Sarkozy, der die 40-Stunden-Woche propagiert, scheint selbst dieser französische Standard zu bröckeln, so Blessing.
Blessing, der seinen Meister an der Fachschule für Holztechnik in Stuttgart erworben hat, darf sich nach einer dreimonatigen Fortbildung an der Propstei Johannesberg in Fulda auch „Geprüfter Restaurator im Tischler-Handwerk“ nennen. In Frankreich hat der Schreiner den Umgang mit alten Materialien weiter vertieft. Er beschreibt: „In der Zeit des Biedermeier verleimten die Tischler die Holzstücke und Furniere mit Warmleim, der aus Tierknochen und -haut besteht.“ Ideales Warmhaltegerät für diesen Leim, der mit einer Temperatur von 60 Grad Celsius aufgetragen wird, ist in der Tat der elektrische Flaschenwärmer für Babymilch. Erst Anfang der 60er Jahre hat der Weißleim in den Werkstätten Einzug gehalten. Und da alte Möbel mit den Werkstoffen aus der Zeit ihrer Entstehung restauriert werden, hat Blessing das Unikat auch so bearbeitet.
Als monatlichen Zuschuss aus den Mitteln des Leonardo-Topfes hat der Möbelschreiner 650 Euro für Reisekosten, Unterkunft und Verpflegung erhalten. Zusätzlich gab es einmalig 300 Euro für einen Sprachkurs. Den Rest des Lebensunterhalts und eine Auslandskrankenversicherung musste Blessing aus eigener Tasche berappen.
Initiiert hat das Projekt die Unama, das ist der französische Verband des Möbel- und Einrichtungshandwerks, der Tischler und Schreiner, Raumausstatter, Vergolder, Rahmenmacher und Sattler. Am ehesten zu vergleichen mit den Innungen in Deutschland. Das Leonardo-Projekt wird in Zusammenarbeit mit dem Projektträger Arbeit und Leben Hamburg (www.hamburg.arbeitundleben.de) organisiert. ■

Im Ausland erworbene Qualifikationen zahlen sich aus

Leonardo da Vinci fördert Beschäftigungsfähigkeit, Wissen und Selbstvertrauen

Eine von der Europäischen Kommission bezuschusste neue Untersuchung hat ergeben: Die Teilnahme an Projekten, die im Rahmen des Berufsbildungsprogramms Leonardo Da Vinci finanziert werden, ist von beträchtlichem sozialem und wirtschaftlichem Nutzen. Die damit verbundene internationale Mobilität trägt wesentlich zur persönlichen, sprachlichen, sozialen und beruflichen Entwicklung bei.
Die Untersuchung zeigt, dass sich im Rahmen eines Ausbildungsaufenthalts im Ausland erworbene berufliche Qualifikationen für die spätere Karriere auszahlen. Beispielsweise fanden 58 % der Arbeitslosen nach ihrer Ausbildung im Ausland einen Arbeitsplatz, konnten 32 % der Erwerbstätigen Arbeitsplätze in einem anderen Land vermittelt werden, erhielten 27 % der Betroffenen bessere Arbeitsplätze und 34 % Arbeitsplätze mit mehr Verantwortung. Mehr als ein Drittel der in der Erstausbildung Befindlichen konnten ihre Ergebnisse verbessern und 41 % gaben an, dass sie sich nun intensiver an der Ausbildung beteiligten.
Weitere Zahlen bestätigen den Erfolg von Leonardo da Vinci: 86 % aller ehemaligen Teilnehmer/innen sind an einem weiteren Aufenthalt oder einer Berufstätigkeit im Ausland interessiert, 83 % wollen ihre Sprachkompetenz verbessern, auch wenden die Teilnehmenden die erworbenen Fertigkeiten und Kompetenzen dauerhaft an.
Die im Ausland gewonnenen Erfahrungen förderten ferner das Selbstvertrauen der Teilnehmer (70 %), ihre Anpassungsfähigkeit (73 %) und ihre Bereitschaft zu Teamarbeit (62 %). Die Untersuchung gelangte zu folgenden Ergebnissen: 66 % der Auszubildenden verbesserten ihre Sprachkenntnisse, 65 % ihre Fähigkeit, sich in unerwarteten Situationen zurechtzufinden, 72 % ihre Fähigkeit, mit anderen Menschen umzugehen, sowie 71 % ihre Fähigkeit, sich auf neue Herausforderungen einzustellen.
Kritik wurde lediglich an der Dauer der Praktika geübt: In 48 % der Fälle beklagten die Teilnehmer, der Auslandsaufenthalt sei zu kurz gewesen.
Nach der von den Mitgliedstaaten bewilligten Aufstockung der Mittel, hoffen die Organisatoren, die Zahl der Praktika von 60 000 im Jahr 2007 auf 80 000 bis zum Jahr 2013 erhöhen zu können.
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