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Matthias Horx zur Zukunft

Hettich-Hausmesse 2000
Matthias Horx zur Zukunft

Deutschlands wohl prominentester Trendforscher Matthias Horx zeichnete anlässlich der Hettich Hausmesse am 16. Februar 2000 vor über 200 geladenen Gästen in einem faszinierenden Vortrag ein greifbar realistisches Zukunftsszenarium. Er verstand es brillant, von der Globalisierung ausgehende Ängste aufzulösen, Folgen des Gesellschaftswandels aufzuzeigen und Rückschlüsse auf das Wohnen abzuleiten.

In einem kurzen geschichtlichen Rückblick zeigte Horx den Aufbruch in die Wissensgesellschaft in einem Wellenmodell auf. Mit dem Beginn der Sesshaftigkeit vor rund 9000 Jahren breitete sich die agrarische Kultur aus und drängte die nomadische Lebensweise zurück. Die zweite Welle begann ca. 1800, als das industrielle Zeitalter mit der Erfindung der Dampfmaschine Form annahm. Die Welt der Maschine beeinflusste seither unsere Kultur, unsere Zeitrhythmen und die moralischen Werte. Heute, so Horx, stehen wir im Übergang von der Industriegesellschaft zur Wissensökonomie.

Um den Wandel zu verdeutlichen, nannte der Referent die vier Prinzipien, die Wertmaßstab im Industriezeitalter waren und immer noch sind:
• Die Standardisierung, mit der Produkte und Produktionen in ein universelles Rastersystem bis hin zur ISO-Normung gezwängt wurden. Der generelle Wohlstand leitete sich von der Produktion großer Mengen gleichförmiger Produkte bei steigender Produktivität ab.
• Die Spezialisierung sorgte für spezifische arbeitsteilige Prozesse und Produktionsformen.
• Die Synchronisierung war die weltweite Einführung eines allgemein verbindlichen Zeitsystems.
• Die Zentralisierung schuf schließlich das Zauberwort der industriellen Ära: „Groß“. Mit der Entwicklung immer größerer Fabriken ging auch die Bevölkerungsexplosion der Metropolen Europas einher. Horx machte deutlich, dass diese vier Prinzipien zerfallen.
Globalisierung bringt Wachstum
Globalisierung heiße, so Horx, dass Nationen, die sich früher feindselig gegenüberstanden, heute in ein Netz wirtschaftlicher Gegenseitigkeit eingebunden seien. Sie bedeute für die exportorientierten Nationen Mitteleuropas das wirtschaftliche Überleben, denn die Binnenmärkte seien gesättigt. Und Globalisierung biete die völlig neue Chance für die Schwellen- und Drittweltländer. Als schwieriger Prozess erweise sich allerdings dabei das nötige Umdenken, denn immer noch dominiere die Tradition, die Verantwortung weiterzureichen: an Feudalherren, die Kirche, den Arbeitgeber oder den Staat.
Horx schlug vor, die Globalisierung als segensreichen Evolutionsdruck auf unsere politischen und ökonomischen Systeme zu akzeptieren.
Demographischer Wandel durch Individualisierung
In den meisten Ländern der westlichen Welt zeichnet sich ein starkes Wachstum der Einpersonenhaushalte ab, der durchschnittlich in vielen Ländern bei 30 %, in den Großstädten bereits auf 60 % Anteil liege.
Als weiteren dramatischen Effekt der Individualisierung nannte er das stark ansteigende Heiratsalter überall in der westlichen Welt und teilweise auch in Fernost. In deutschen Großstädten liege das Heiratsalter der Männer durchschnittlich bei 32 Jahren, das der Frauen bei 30,5 Jahren. Das seien fast zehn Jahre später als in den 50er Jahren. Entsprechend später würden die Kinder geboren.
Gleichzeitig steige die Alterung der Bevölkerung: In den OECD-Ländern werde im Jahre 2020 jeder Dritte über 60 Jahre alt sein. Die Älteren übernehmen vitale Funktionen in Ökonomie und Konsum, sie sind überwiegend fit, sportlich, reiselustig und würden die Computer demnächst als Steckenpferd adoptieren.
Lebens-Biographie in fünf Schritten
Während bis in die 70er Jahre die meisten Menschen eine „dreiteilige Biographie“ aus Jugend, Berufstätigkeit (oder Familie) und Ruhestand hatten, durchleben wir künftig fünf Lebensstationen. Zunächst die Jugend, die mit 17 endet. Dann die Postadoleszenz als Zeit des Ausprobierens, der Selbstfindung und Ausprägung individueller Eigenschaften. Danach folgt die Familien- und Erwerbsphase, deren klassische Geschlechtertrennung nicht mehr wie bisher ins Gewicht fällt.
Ein „zweiter Aufbruch“ als Neuorientierung im mittleren Alter äußert sich durch eine steigende Scheidungsrate, wobei Frauen oft ihre regressiven Männer verlassen, und Männer orientieren sich neu im Beruf oder bei jüngeren Frauen.
Abschied vom lebenslangen Arbeitsplatz
Unsere Vorstellung von Arbeit als fester, lebenslanger „Platz“ basiert auf der industriellen Ära. Horx dazu: „Wenn Wissen zum zentralen Rohstoff der Produktion wird, muss Arbeit in einer ganz neuen Weise „flüssig“ werden. In einer auf Wissen basierenden Ökonomie geht uns die Arbeit nie aus – im Gegenteil. Aber sie organisiert sich anders. Temporär in Teamwork-Projekten. Als kreativer Akt in flexiblen Netzwerken. Sie tendiert von der Produktionsarbeit zur Dienstleistung, von der „Hardware“ zur „Kommunikationsleistung“.
Da alle gleichförmige Arbeit entweder von Maschinen übernommen oder in Billiglohnländer exportiert werde, beziehe sich die Leistungsfähigkeit der Fabrikarbeiter nicht mehr auf seine Muskelkraft oder Ausdauer, sondern auf technische Intelligenz. Zukunft hätten sogenannte Symbolanalysten, die die großen Mengen erzeugter Informationen und Symbole interpretieren und auf eine komplexere Interpretationsebene bringen. Ebenso würden Teleworker die Berufswelt verändern.
Aber auch der Dienstleistungssektor schaffe Arbeitsplätze für neue „Groundworker“.
Letztlich werde die Idee der Selbstständigkeit zur zentralen Metapher für die Ökonomie des Wissens. Die Angestelltenkerne der Zukunft würden kleiner sein. Immer mehr Dienstleistungen würden „outgesourct“. In diesem Umfeld außerhalb der Unternehmen bilde sich die neue „Kreative Klasse“ als breites Feld der Selbst-Unternehmer.„New Work heißt also“, so Horx, „dass immer mehr Menschen temporär mit befristeten Verträgen arbeiten. Erst-, Zweit- und Drittberufe gehören zur Normalität. Wir werden mehreren Arbeitgebern gleichzeitig dienen. Und Lebensabschnitte mit viel Arbeit und Verdienst wechseln mit Lebensphasen der Muße oder der Familienzeit.“
Einflüsse der Megatrends auf das Wohnen
New Work und Globalisierung würden zunächst einen kontinuierlichen Mobilitätsdruck erzeugen und die Menschen mehr reisen. Sie sind unruhiger, sie haben mehr Erst-, Zweit- oder Drittwohnungen.
Im Zuge dieser Entwicklung sind „Nomadische Möbel“ auf dem Vormarsch. Der Futon, der Klappschrank, das Steckregal erobern die Welt des Wohnens. Küchen werden entweder mobiler oder zum Grundbestandteil des Hauses.
Die stilistische Passgenauigkeit sinkt. Mehr und mehr kombinieren die Menschen Altes mit Neuem, Ornamentales mit Schlichtem oder Schönes mit Hässlichem.
„Wir leben im Übergang von der Überfluss- zur Überdruss-Gesellschaft. In diesem Sinne wird die Wohnung immer mehr auch ein Ort der Ent-Reizung, der Kontemplation, des Rückzugs“, so Horx. „Cocooning bedeutet nicht mehr Rückzug in ornamentale Kuscheligkeit, sondern Sehnsucht nach dem Ort, an dem das Telefon nicht mehr klingelt, keine grellen Farben und Reize warten und an dem ,offline’ als neuer Luxus empfunden wird.“
Nach Ansicht von Horx wird deshalb auch der Trend zu Naturhölzern, puristischen Formen und Farben, einer minimalistischen, fast asketischen, ja „buddhistischen“ Innenarchitektur weitergehen. Allerdings beansprucht dieser Trend keine Ausschließlichkeit. Dazu gehört gleichzeitig der Gegen-Trend mit seiner Sehnsucht nach echten, nach patinierten Gegenständen, die Geschichte haben. Verwitterte Teile vom Flohmarkt, Erinnerungsstücke, Trophäen, die die Menschen von ihren Reisen mitbringen, werden in den Wohnkontext integriert.
Umgang mit der Zukunft
Den über 200 Gästen der Hettich-Veranstaltung stellte Horx abschließend anheim, die kommende Welt selbst als positive oder negative Utopie zu empfinden. Warnend wies er darauf hin, dass diese neue Welt ohne Zweifel auch schmerzhafte Veränderungen mit sich bringen wird. „Sie wird“, so Horx, „offener sein, vielschichtiger, vielleicht schneller, riskanter für den Einzelnen und fordernder für unser erwachsenes Selbst. Von den Unternehmen fordert sie schnellere Wandlungsprozesse, da die alte Produktionswelt zur Dienstleistungswelt mutiert, in der wir alle mit den Märkten und unseren Kunden verbunden sind.“ Für die Mitarbeiter ergebe sich die Notwendigkeit, Lern- und Qualifikationsprozesse ein Leben lang fortzusetzen.
Der Vortrag geriet zu einem fundierten Plädoyer gegen den allgegenwärtigen Pessimismus und die Jammerkultur in Deutschland. Es war ein Messeerlebnis, das allen Besuchern lange positiv in Erinnerung bleiben wird. oDer 1955 geborene Journalist und Soziologe Matthias Horx gilt als der erfolgreichste Trendforscher Deutschlands.
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