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Relikt historischer Handwerks-tradition oder notwendiges Marketinginstrument?

Der Meisterbrief
Relikt historischer Handwerks-tradition oder notwendiges Marketinginstrument?

Zu den erstrebenswertesten Zielen der handwerklichen Ausbildung gehört nach wie vor der Meisterbrief. Er ist nicht nur ein Zeugnis handwerklichen Könnens, er berechtigt auch zur Führung eines Betriebes und zur Ausbildung von Lehrlingen. Weltweit findet die deutsche traditionelle handwerkliche Ausbildung – vom Lehrling über den Gesellen zum Meister – Anerkennung. Doch welchen Stellenwert wird der Meisterbrief in Zukunft haben? Ist der große Befähigungsnachweis in Gefahr? Eine Antwort darauf gibt Hanns-Eberhard Schleyer, Generalsekretär des Zentralverbandes des Deutschen Handwerks (ZDH), im nachfolgenden Bericht.

Ohne Tradition kein Fortschritt – das gilt auch für das deutsche Handwerk. Der Fortschritt, zu dem das Handwerk in Wirtschaft und Gesellschaft beiträgt, ist untrennbar verknüpft mit dem Großen Befähigungsnachweis, dem Meisterbrief. Dies gilt mehr denn je angesichts der Herausforderungen des 21. Jahrhunderts.

Die Märkte wachsen europa- und weltweit zusammen – nicht zuletzt aufgrund der rasanten Entwicklung der modernen Informations- und Kommunikationstechniken. Gleichzeitig stehen Politik, Wirtschaft und Gesellschaft in Deutschland vor der Frage, wie die Zahl von über vier Millionen Arbeitslosen spürbar reduziert werden kann und Jugendliche eine qualifizierte Ausbildung erhalten können, die ihnen berufliche Perspektiven ermöglicht. Die Schlüsselwörter in diesem Veränderungsprozeß lauten Qualität und Qualifizierung und diese gewährleistet der Große Befähigungsnachweis.
Qualitätssiegel erster Güte
Der Meisterbrief ist und bleibt die entscheidende Voraussetzung für die Leistungs- und Wettbewerbsfähigkeit des Handwerks. Er ist ein Qualitätssiegel erster Güte für handwerkliche Waren und Dienstleistungen, er steht für erfolgreiche Handwerksunternehmer und ist Garant für eine qualifizierte Lehrlingsausbildung. 840 000 Handwerksbetriebe leisten einen unverzichtbaren Beitrag, um Arbeits- und Ausbildungsplätze zu sichern und neue zu schaffen. 6,5 Millionen Menschen haben einen Arbeitsplatz im Handwerk, 632 000 Lehrlinge erhalten dort eine qualifizierte Berufsausbildung. Mit einem bundesweiten Anteil von 40 % aller Lehrlinge bleibt das Handwerk „Ausbilder der Nation“.
Damit verbrieft der Große Befähigungsnachweis im wahrsten Sinne des Wortes Schlüsselqualifikationen. Es gibt keine vergleichbare Berufsbefähigung, die annähernd umfassend und gezielt auf eine unternehmerische Selbständigkeit vorbereitet. Die auf dem Weg zur Meisterausbildung vermittelten, hohen fachlichen und betriebswirtschaftlichen Qualifikationen ermöglichen eine erfolgreiche Existenzgründung. Die fachliche Kompetenz gewährleistet eine beständige Existenz, die nicht nur kurzfristig neue Arbeitsplätze schafft, sondern auf Dauer auch sichere Beschäftigungsperspektiven bietet. Und die Vermittlung von betriebswirtschaftlichen Kenntnissen stellt eine solide Basis für den Weg in die Selbständigkeit dar. Dies belegt nicht zuletzt die Tatsache, daß die Insolvenzquote im Handwerk deutlich niedriger liegt als in anderen Wirtschaftsbereichen – und im europäischen Vergleich deutlich niedriger als etwa in Frankreich und Großbritannien.
Kultur der Selbständigkeit
Handwerksmeisterinnen und -meister praktizieren die vielfach beschworene „Kultur der Selbständigkeit“ im betrieblichen Alltag. Von den jährlich rund 40000 Jungmeisterinnen und Jungmeistern in Deutschland wollen rund 50 % einen eigenen Betrieb gründen oder einen bestehenden Betrieb übernehmen. Das bedeutet neue Arbeits- und Ausbildungsplätze, denn in den ersten Jahren nach seiner Gründung schafft ein neuer Betrieb statistisch rund vier neue Arbeitsplätze. Darüber hinaus gibt es eine große Meisterreserve, die noch besser ausgeschöpft werden könnte, wenn Existenzgründungen durch die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen – zu hohe Steuern und Sozialabgaben sowie bürokratische Auflagen – nicht unnötig erschwert würden.
Die Meisterqualifikation bewirkt, daß eine ausreichende Wahl von tatsächlich wettbewerbsfähigen Unternehmen des Handwerks zur Verfügung steht. Der Große Befähigungsnachweis stärkt ihre Wettbewerbsfähigkeit auch gegenüber größeren und großen Unternehmen. Die Handwerksbetriebe werden nicht in unbedeutende Nischenmärkte, auf denen Qualifikationen häufig von geringer Bedeutung sind, abgedrängt. Im Gegenteil: Eine gefährliche Zweiteilung der Märkte in unqualifizierte Tätigkeiten für kleine Betriebe und anspruchsvolle und komplexe Arbeiten für große Betriebe wird vermieden, so daß die Märkte transparent bleiben.
Die wirtschaftliche und gesellschaftliche Bedeutung des Meisterbriefes wird auch durch einen Vergleich mit den europäischen Nachbarländern unterstrichen. Für Existenzgründer in Frankreich gelten sehr liberale Zulassungsbedingungen mit der Folge hoher Konkursraten und schlechter Wettbewerbsfähigkeit der französischen Handwerksbetriebe. Mittlerweile hat die französische Politik auf diese Entwicklungen reagiert und ein Gesetz zur Existenzgründung im Handwerk verabschiedet, das Mindeststandards für die berufliche Qualifikation von Betriebsgründern festlegt. Auch in Großbritannien, dem Mutterland der Zertifizierung nach den berühmten ISO-Normen, wird erkannt, daß die persönliche Qualifikation des Existenzgründers für die Qualität der Arbeit und für die gesicherte Existenz des Unternehmens sehr wichtig ist. EDie Mehrzahl der britischen Schulabgänger steigt direkt in ein Unternehmen ein und erwirbt ihre Qualifikation über ein on-the-job-training. In Großbritannien sollen nun die persönlichen Qualifikationen zertifiziert werden. Das entspricht im Prinzip dem, was der deutsche Meisterbrief bereits seit Jahrzehnten gewährleistet.
Meisterbrief genießt hohen Stellenwert im Ausland
Diese Erfahrungen und Tendenzen belegen die Aktualität und den hohen Stellenwert des Meisterbriefes im europäischen Wirtschaftsleben. Die Europäische Kommission hat Mitte der 60er Jahre eine Richtlinie über die Voraussetzungen für die gegenseitige Anerkennung ausländischer beruflicher Qualifikationen im Handwerksbereich erlassen. Ausländische Handwerker, die sich in Deutschland selbständig machen wollen, müssen den Nachweis erbringen, in der Regel sechs Jahre als Betriebsleiter einen Betrieb in ihrem Heimatland geführt zu haben. Diese bewährte Regelung stellt zum einen die Niederlassungsfreiheit ausländischer Handwerker in Deutschland sicher, zum anderen gewährleistet sie, daß die Quali-fizierungsansprüche deutscher Handwerker nicht unterlaufen werden. Erst 1995 hat der Europäische Gerichtshof in einer Grundsatzentscheidung bestätigt, daß berufliche Befähigungsnachweise in den EU- Mitgliedstaaten als Voraussetzung für die Gewerbeausübung zulässig sind.
EU-Experten empfehlen deutsche Meisterausbildung
Die Europäische Kommission hat im Oktober 1997 die Arbeitsgruppe BEST (Business Environment Simplification Task Force) gegründet, der von deutscher Seite der Präsident des Zentralverbandes des Deutschen Handwerks (ZDH), Dieter Philipp, angehört. Die Arbeitsgruppe hat einen umfangreichen Katalog mit Anregungen für Vereinfachungen im Rechts- und Verwaltungsbereich oder nachahmenswerte Positivbeispiele („best practice“) aus Ländern der Europäischen Union (EU) vorgelegt, die für ein besseres Umfeld speziell für kleine und mittlere Unternehmen (KMU) sorgen sollen. Im Mai 1998 hat die Arbeitsgruppe ihren abschließenden Bericht der Kommission vorgelegt, der auf der FU-Gipfelkonferenz der Staats- und Regierungschefs am 15. und 16. Juni 1998 in Cardiff zur Kenntnis genommen wurde. Große Bedeutung mißt der Bericht der Ausbildung von Unternehmern als Voraussetzung für die Wettbewerbsfähigkeit im Markt bei. Die europäischen Experten der Arbeitsgruppe empfehlen dabei die deutsche Meisterausbildung als „umfassende, in sich geschlossene Qualifizierung“, die eine solide Grundlage für den Weg in die Selbständigkeit bietet.
HwO stärkt das Meisterprinzip
Die besondere Bedeutung des Meisterbriefes hat auch der deutsche Gesetzgeber wiederholt hervorgehoben, zuletzt im Rahmen der Novelle der Handwerksordnung (HwO), die am 1. April 1998 in Kraft getreten ist. Die neue HwO stärkt das Meisterprinzip und bietet dem Handwerk über das Jahr 2000 hinaus eine Bestands- und Entwicklungsgarantie. Handwerksbetriebe können Kundenwünschen noch flexibler entsprechen und vermehrt „Leistungen aus einer Hand“ an-bieten. Für einen Handwerksberuf ist es möglich, mehrere Ausbildungsordnungen zu erlassen. Diese Neuerungen stellen auch neue Anforderungen an die Handwerksmeisterinnen und -meister. Sie stärken aber auch das Gütesiegel und Marketinginstrument „Meisterbrief“ für einen erfolgreichen Wettbewerb in Deutschland und Europa. n
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