Seit 25 Jahren ist das Münchner Olympiastadion ein markantes Wahrzeichen der bayerischen Landeshauptstadt. Schon 1972 ein architektonischer Leckerbissen, hat die eindrucksvolle Dachkonstruktion des Stadions bis heute nichts an Attraktivität verloren. Aber die Zeit ist nicht spurlos an den Plexiglasplatten des größten Lichtdaches der Welt vorübergegangen. Sie müssen komplett erneuert werden. Zum Jubiläum erhält deshalb das imposante Dach derzeit eine neue Kunststoffhaut. Bei rund 38 000 m² Fläche eine gewaltige Aufgabe, die eine bis ins kleinste Detail vorausgeplante Verlegetechnik notwendig macht.
Vom Hubschrauber aus vermessen
„Das gesamte Dach“, erzählt Bauleiter Hugo Riedel von der R+M Fassadentechnik GmbH, Mannheim, „wurde per Hubschrauber von oben fotogrametrisch vermessen, im Computer graphisch ,aufgeklappt’ und dann in verschiedene Arbeitsbereiche unterteilt.“ Als Resultat der Fotoaktion entstanden neun Felder von je rund 3600 m² Fläche und acht sogenannte „Augen“ von jeweils 800 m². Ihre Bezeichnung haben die „Augen“ der Tatsache zu verdanken, daß sie aus durchsichtigem Plexiglas bestehen, wohingegen die Platten der Felder leicht getönt sind. Ob durchsichtig oder nicht, jede neue Platte, die in der Feldwerkstatt hinter dem Stadion zugeschnitten wird, hat ihr exaktes Gegenstück auf dem Dach. Aus gutem Grund, schließlich soll die Präzisionsarbeit beim Bau vor 25 Jahren nicht nur wiederholt, sondern übertroffen werden.
Plexiglas mit Präzision sägen
Diesen hohen Ansprüchen muß auch das Werkzeug genügen, mit dem das Plexiglas zugeschnitten wird. Mit einer Probeplatte des Originalmaterials ausgestattet, suchten die Spezialisten von R+M Fassadentechnik beim Elektrowerkzeughersteller Festo nach dem geeigneten Elektrowerkzeug. Die Werkzeugbauer aus Esslingen fanden schon nach wenigen Tests in der Tauchsäge ATF 55 EB die ideale Kombination für diese Herausforderung. Damit läßt sich das 4 mm dicke Plexiglas genauso zusägen wie der Verwendungszweck es erfordert: spannungs- und ausrißfrei und ohne „auszumuscheln“. Sowohl für das Standardmaß von drei auf drei Meter als auch für die unterschiedlichsten Sondermaße der Plexiglasplatten erwies sich die Führungsschiene beim Zuschneiden als unverzichtbares Hilfsmittel, denn auf die Führungsnut der Schiene aufgesetzt, gleitet die Säge präzise und sanft über die Platten. Dies ermöglicht nicht nur millimetergenaue Schnitte, sondern obendrein wird auch die empfindliche Oberfläche der Plexiglasplatten geschützt. Die Kombination Tauchsäge plus Führungsschiene hat überzeugt. Da die Dachkonstruktion keine plane Ebene ist, sondern wie ein Zelt an verschiedenen Stellen extrem ansteigt bzw. abfällt, stehen viele der Platten auf dem Dach unter Spannung. „Da führen schon kleinste Unregelmäßigkeiten an den Kanten zu Rissen und die Platte bricht“, erklärt Bauleiter Riedel.
Hochalpine Arbeitsbedingungen
So materialschonend in Form gebracht, werden die Paletten mit den exakt durchnummerierten Plexiglasplatten per Kran oder spezieller Seilbahn bis auf 65 m Höhe transportiert. An manchen Stellen weist der luftige Arbeitsplatz der Monteure hoch über den Rängen des Stadions eine Neigung von bis zu 70 % auf. Wer unter solch hochalpinen Verhältnissen arbeitet, muß nicht nur kerngesund, sondern auch hundertprozentig schwindelfrei sein. Vor der „Erstbesteigung“ steht deshalb ein medizinischer Check auf dem Programm, gefolgt von einer eintägigen Einweisung in die Sicherheitsausrüstung. Erst dann darf ein Monteur dem Olympiastadion „aufs Dach steigen“. n
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